man es noch nicht versucht. Sind wir erst daran gewöhnt, o so wird es mehr als ein Bedürfniß, eine Wohlthat, wie ein Bad nach schwülem Tage. Wie da Luft und Licht allmälig die Adern unsrer Seele durchhaucht! Der Körper fühlt es mit, er wird leichter. Wir athmen auf, wenn in den hohen Hallen der Odem des Ewigen rauscht, die Orgel in¬ tonirt, die Glocken über uns anschlagen, der Zug¬ wind trägt uns den Duft des Weihrauchs zu -- wenn dann der Priester die Hände auf uns legt, die leichte Buße mit ernster Stimme dictirt, und endlich, das beseligende Wort der Lösung spricht -- o wie ganz anders fühlen wir uns, nein, wir sind es. Nun trägt ein Anderer, was wir getragen, die Füße, die uns kaum trugen, sind leicht; wir sanken hin und schnellen auf. Die Welt ist wieder schön, rings um uns wie neu geboren und wir wie ein Kind, das nach dem Schmetterling im Sonnenschein hascht. O Sie armer Mann, daß Sie das nicht begreifen."
"Ich begreife es -- ich begreife es vollkommen!"
"Und Sie verschmähen die Wohlthat."
"Was dem Armen ein Schatz ist, wirft der Reiche oft aus dem Fenster."
"O Sie reicher Mann!" Es war ein böser, aber scheuer Blick. "Weil Sie so gewaltig stark sind. Weil Sie die Schwäche nicht kennen! -- Ich hätte Sie von Anfang an hassen müssen -- "
"Aber Sie wollten mich bekehren, darum erbarm¬ ten Sie sich meiner und liebten mich."
man es noch nicht verſucht. Sind wir erſt daran gewöhnt, o ſo wird es mehr als ein Bedürfniß, eine Wohlthat, wie ein Bad nach ſchwülem Tage. Wie da Luft und Licht allmälig die Adern unſrer Seele durchhaucht! Der Körper fühlt es mit, er wird leichter. Wir athmen auf, wenn in den hohen Hallen der Odem des Ewigen rauſcht, die Orgel in¬ tonirt, die Glocken über uns anſchlagen, der Zug¬ wind trägt uns den Duft des Weihrauchs zu — wenn dann der Prieſter die Hände auf uns legt, die leichte Buße mit ernſter Stimme dictirt, und endlich, das beſeligende Wort der Löſung ſpricht — o wie ganz anders fühlen wir uns, nein, wir ſind es. Nun trägt ein Anderer, was wir getragen, die Füße, die uns kaum trugen, ſind leicht; wir ſanken hin und ſchnellen auf. Die Welt iſt wieder ſchön, rings um uns wie neu geboren und wir wie ein Kind, das nach dem Schmetterling im Sonnenſchein haſcht. O Sie armer Mann, daß Sie das nicht begreifen.“
„Ich begreife es — ich begreife es vollkommen!“
„Und Sie verſchmähen die Wohlthat.“
„Was dem Armen ein Schatz iſt, wirft der Reiche oft aus dem Fenſter.“
„O Sie reicher Mann!“ Es war ein böſer, aber ſcheuer Blick. „Weil Sie ſo gewaltig ſtark ſind. Weil Sie die Schwäche nicht kennen! — Ich hätte Sie von Anfang an haſſen müſſen — “
„Aber Sie wollten mich bekehren, darum erbarm¬ ten Sie ſich meiner und liebten mich.“
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man es noch nicht verſucht. Sind wir erſt daran
gewöhnt, o ſo wird es mehr als ein Bedürfniß,
eine Wohlthat, wie ein Bad nach ſchwülem Tage.
Wie da Luft und Licht allmälig die Adern unſrer
Seele durchhaucht! Der Körper fühlt es mit, er
wird leichter. Wir athmen auf, wenn in den hohen
Hallen der Odem des Ewigen rauſcht, die Orgel in¬
tonirt, die Glocken über uns anſchlagen, der Zug¬
wind trägt uns den Duft des Weihrauchs zu —
wenn dann der Prieſter die Hände auf uns legt,
die leichte Buße mit ernſter Stimme dictirt, und
endlich, das beſeligende Wort der Löſung ſpricht —
o wie ganz anders fühlen wir uns, nein, wir ſind
es. Nun trägt ein Anderer, was wir getragen, die
Füße, die uns kaum trugen, ſind leicht; wir ſanken
hin und ſchnellen auf. Die Welt iſt wieder ſchön,
rings um uns wie neu geboren und wir wie ein Kind,
das nach dem Schmetterling im Sonnenſchein haſcht.
O Sie armer Mann, daß Sie das nicht begreifen.“
„Ich begreife es — ich begreife es vollkommen!“
„Und Sie verſchmähen die Wohlthat.“
„Was dem Armen ein Schatz iſt, wirft der
Reiche oft aus dem Fenſter.“
„O Sie reicher Mann!“ Es war ein böſer,
aber ſcheuer Blick. „Weil Sie ſo gewaltig ſtark
ſind. Weil Sie die Schwäche nicht kennen! — Ich
hätte Sie von Anfang an haſſen müſſen — “
„Aber Sie wollten mich bekehren, darum erbarm¬
ten Sie ſich meiner und liebten mich.“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/182>, abgerufen am 28.11.2024.
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