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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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Bewunderung für Madame Lupinus mich nach dem
Tode ihres Gatten trieb, um ihre Hand zu wer¬
ben. Ich sprach es noch nicht aus, um ihre Ge¬
fühle zu schonen, aber schon bei einer bloßen An¬
näherung kam sie schonend, doch mit einer Würde
mir entgegen, die alle meine Hoffnungen zurückwies.
Sie gehöre dem Todten wie einem Lebenden an,
und nichts dürfe sich zwischen sie und diese heilige
Erinnerung drängen. Brauche ich Ihnen zu sagen,
wie ich diese heilige Empfindung verstand und ehrte,
da jeder von Ihnen weiß, daß ich seitdem ihr
Haus nicht mehr betrat. Und diese Frau wagt
man zu beschuldigen, daß sie Hand gelegt an das
theure Haupt ihres Verewigten! Diese Mittheilun¬
gen bin ich dem Criminalgericht schuldig. Ich werde
sie machen, und zum Richter sprechen: Untersuchen
Sie streng, das ist Ihre Pflicht, aber erlauben Sie
mir auch, eine moralische Ueberzeugung vor Ih¬
rem Stuhle auszusprechen. Möglich ist Alles, aber
nur die, welchen die Sünde in ihrem ersten
Stadium, im Argwohn und Neid gegen die Bes¬
seren und Glücklichen, genaht ist, werden die
Beschuldigung aussprechen, sie werden ein Be¬
hagen daran finden sie zu glauben, eine edle,
reine Seele wird die Worte ausrufen, welche mir
vorhin in's Ohr klangen: Wenn sie eine Giftmischerin
ist, gütiger Gott, was sind wir dann Alle!"

Der Eindruck der Rede war groß. Er hatte
seinen Hut ergriffen, sich gegen die Gesellschaft ver¬

Bewunderung für Madame Lupinus mich nach dem
Tode ihres Gatten trieb, um ihre Hand zu wer¬
ben. Ich ſprach es noch nicht aus, um ihre Ge¬
fühle zu ſchonen, aber ſchon bei einer bloßen An¬
näherung kam ſie ſchonend, doch mit einer Würde
mir entgegen, die alle meine Hoffnungen zurückwies.
Sie gehöre dem Todten wie einem Lebenden an,
und nichts dürfe ſich zwiſchen ſie und dieſe heilige
Erinnerung drängen. Brauche ich Ihnen zu ſagen,
wie ich dieſe heilige Empfindung verſtand und ehrte,
da jeder von Ihnen weiß, daß ich ſeitdem ihr
Haus nicht mehr betrat. Und dieſe Frau wagt
man zu beſchuldigen, daß ſie Hand gelegt an das
theure Haupt ihres Verewigten! Dieſe Mittheilun¬
gen bin ich dem Criminalgericht ſchuldig. Ich werde
ſie machen, und zum Richter ſprechen: Unterſuchen
Sie ſtreng, das iſt Ihre Pflicht, aber erlauben Sie
mir auch, eine moraliſche Ueberzeugung vor Ih¬
rem Stuhle auszuſprechen. Möglich iſt Alles, aber
nur die, welchen die Sünde in ihrem erſten
Stadium, im Argwohn und Neid gegen die Beſ¬
ſeren und Glücklichen, genaht iſt, werden die
Beſchuldigung ausſprechen, ſie werden ein Be¬
hagen daran finden ſie zu glauben, eine edle,
reine Seele wird die Worte ausrufen, welche mir
vorhin in's Ohr klangen: Wenn ſie eine Giftmiſcherin
iſt, gütiger Gott, was ſind wir dann Alle!“

Der Eindruck der Rede war groß. Er hatte
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[167/0177] Bewunderung für Madame Lupinus mich nach dem Tode ihres Gatten trieb, um ihre Hand zu wer¬ ben. Ich ſprach es noch nicht aus, um ihre Ge¬ fühle zu ſchonen, aber ſchon bei einer bloßen An¬ näherung kam ſie ſchonend, doch mit einer Würde mir entgegen, die alle meine Hoffnungen zurückwies. Sie gehöre dem Todten wie einem Lebenden an, und nichts dürfe ſich zwiſchen ſie und dieſe heilige Erinnerung drängen. Brauche ich Ihnen zu ſagen, wie ich dieſe heilige Empfindung verſtand und ehrte, da jeder von Ihnen weiß, daß ich ſeitdem ihr Haus nicht mehr betrat. Und dieſe Frau wagt man zu beſchuldigen, daß ſie Hand gelegt an das theure Haupt ihres Verewigten! Dieſe Mittheilun¬ gen bin ich dem Criminalgericht ſchuldig. Ich werde ſie machen, und zum Richter ſprechen: Unterſuchen Sie ſtreng, das iſt Ihre Pflicht, aber erlauben Sie mir auch, eine moraliſche Ueberzeugung vor Ih¬ rem Stuhle auszuſprechen. Möglich iſt Alles, aber nur die, welchen die Sünde in ihrem erſten Stadium, im Argwohn und Neid gegen die Beſ¬ ſeren und Glücklichen, genaht iſt, werden die Beſchuldigung ausſprechen, ſie werden ein Be¬ hagen daran finden ſie zu glauben, eine edle, reine Seele wird die Worte ausrufen, welche mir vorhin in's Ohr klangen: Wenn ſie eine Giftmiſcherin iſt, gütiger Gott, was ſind wir dann Alle!“ Der Eindruck der Rede war groß. Er hatte ſeinen Hut ergriffen, ſich gegen die Geſellſchaft ver¬

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/177>, abgerufen am 25.11.2024.