Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

gesammt Charlatane; das wußte Heim, Selle; Mu¬
cius hat es auch gewußt. Sie präparirte sich selbst
ihre Hausmittel, sie hatte sich eine kleine Apotheke
von Herrn Flittner verschafft, wie ich ihr auch ab¬
rieth, und vorstellte, daß es zu Mißdeutungen eben
von Seiten der Aerzte führen könne. Es hat dazu,
meine Herren, geführt, man hat Urtheile über sie
ausgesprochen, die ich nicht wiederholen will. Wie
nun, wenn ich diesem Schein nachginge, argumen¬
tirte: sie war eine sehr kluge Frau, die tiefer sah
als Andere, darum waren die, denen sie in's Hand¬
werk schaute, ihre gebornen Widersacher, die ihr auf
den Dienst lauerten, jede ihrer Handlungen mi߬
deuteten; diese Aerzte sind es, die, weil sie dieselben
vom Todtenbett ihres Gatten fern gehalten, weil
sie dieselben beleidigt, verhöhnt, an Ruf und Praxis
geschadet, sie sind es, welche den Verdacht gegen
die Unglückliche ausgestreut, bis andere Elende daraus
eine Denunciation gebildet. O nein, meine Freunde,
ich unterdrücke diese Vermuthung, und noch Andere,
ich versichere Sie, Vermuthungen, die einem an¬
dern als mir zu Schlüssen würden. Nein, sie steht
mir zu hoch, als daß ich ihr helfen sollte durch das
Verderben Anderer. -- Sie wundern sich über mei¬
nen persönlichen Eifer. Nun wohl denn, wenn
Ihnen die Entrüstung eines Edelmanns über das
Unrecht, das man einer edlen Frau anthut, nicht
Grund genug ist, so habe ich keinen, unter so nahen
Freunden zu verschweigen, daß meine Achtung und

geſammt Charlatane; das wußte Heim, Selle; Mu¬
cius hat es auch gewußt. Sie präparirte ſich ſelbſt
ihre Hausmittel, ſie hatte ſich eine kleine Apotheke
von Herrn Flittner verſchafft, wie ich ihr auch ab¬
rieth, und vorſtellte, daß es zu Mißdeutungen eben
von Seiten der Aerzte führen könne. Es hat dazu,
meine Herren, geführt, man hat Urtheile über ſie
ausgeſprochen, die ich nicht wiederholen will. Wie
nun, wenn ich dieſem Schein nachginge, argumen¬
tirte: ſie war eine ſehr kluge Frau, die tiefer ſah
als Andere, darum waren die, denen ſie in's Hand¬
werk ſchaute, ihre gebornen Widerſacher, die ihr auf
den Dienſt lauerten, jede ihrer Handlungen mi߬
deuteten; dieſe Aerzte ſind es, die, weil ſie dieſelben
vom Todtenbett ihres Gatten fern gehalten, weil
ſie dieſelben beleidigt, verhöhnt, an Ruf und Praxis
geſchadet, ſie ſind es, welche den Verdacht gegen
die Unglückliche ausgeſtreut, bis andere Elende daraus
eine Denunciation gebildet. O nein, meine Freunde,
ich unterdrücke dieſe Vermuthung, und noch Andere,
ich verſichere Sie, Vermuthungen, die einem an¬
dern als mir zu Schlüſſen würden. Nein, ſie ſteht
mir zu hoch, als daß ich ihr helfen ſollte durch das
Verderben Anderer. — Sie wundern ſich über mei¬
nen perſönlichen Eifer. Nun wohl denn, wenn
Ihnen die Entrüſtung eines Edelmanns über das
Unrecht, das man einer edlen Frau anthut, nicht
Grund genug iſt, ſo habe ich keinen, unter ſo nahen
Freunden zu verſchweigen, daß meine Achtung und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0176" n="166"/>
ge&#x017F;ammt Charlatane; das wußte Heim, Selle; Mu¬<lb/>
cius hat es auch gewußt. Sie präparirte &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
ihre Hausmittel, &#x017F;ie hatte &#x017F;ich eine kleine Apotheke<lb/>
von Herrn Flittner ver&#x017F;chafft, wie ich ihr auch ab¬<lb/>
rieth, und vor&#x017F;tellte, daß es zu Mißdeutungen eben<lb/>
von Seiten der Aerzte führen könne. Es <hi rendition="#g">hat</hi> dazu,<lb/>
meine Herren, geführt, man <hi rendition="#g">hat</hi> Urtheile über &#x017F;ie<lb/>
ausge&#x017F;prochen, die ich nicht wiederholen will. Wie<lb/>
nun, wenn ich die&#x017F;em Schein nachginge, argumen¬<lb/>
tirte: &#x017F;ie war eine &#x017F;ehr kluge Frau, die tiefer &#x017F;ah<lb/>
als Andere, darum waren die, denen &#x017F;ie in's Hand¬<lb/>
werk &#x017F;chaute, ihre gebornen Wider&#x017F;acher, die ihr auf<lb/>
den Dien&#x017F;t lauerten, jede ihrer Handlungen mi߬<lb/>
deuteten; die&#x017F;e Aerzte &#x017F;ind es, die, weil &#x017F;ie die&#x017F;elben<lb/>
vom Todtenbett ihres Gatten fern gehalten, weil<lb/>
&#x017F;ie die&#x017F;elben beleidigt, verhöhnt, an Ruf und Praxis<lb/>
ge&#x017F;chadet, &#x017F;ie &#x017F;ind es, welche den Verdacht gegen<lb/>
die Unglückliche ausge&#x017F;treut, bis andere Elende daraus<lb/>
eine Denunciation gebildet. O nein, meine Freunde,<lb/>
ich unterdrücke die&#x017F;e Vermuthung, und noch Andere,<lb/>
ich ver&#x017F;ichere Sie, Vermuthungen, die einem an¬<lb/>
dern als mir zu Schlü&#x017F;&#x017F;en würden. Nein, &#x017F;ie &#x017F;teht<lb/>
mir zu hoch, als daß ich ihr helfen &#x017F;ollte durch das<lb/>
Verderben Anderer. &#x2014; Sie wundern &#x017F;ich über mei¬<lb/>
nen per&#x017F;önlichen Eifer. Nun wohl denn, wenn<lb/>
Ihnen die Entrü&#x017F;tung eines Edelmanns über das<lb/>
Unrecht, das man einer edlen Frau anthut, nicht<lb/>
Grund genug i&#x017F;t, &#x017F;o habe ich keinen, unter &#x017F;o nahen<lb/>
Freunden zu ver&#x017F;chweigen, daß meine Achtung und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[166/0176] geſammt Charlatane; das wußte Heim, Selle; Mu¬ cius hat es auch gewußt. Sie präparirte ſich ſelbſt ihre Hausmittel, ſie hatte ſich eine kleine Apotheke von Herrn Flittner verſchafft, wie ich ihr auch ab¬ rieth, und vorſtellte, daß es zu Mißdeutungen eben von Seiten der Aerzte führen könne. Es hat dazu, meine Herren, geführt, man hat Urtheile über ſie ausgeſprochen, die ich nicht wiederholen will. Wie nun, wenn ich dieſem Schein nachginge, argumen¬ tirte: ſie war eine ſehr kluge Frau, die tiefer ſah als Andere, darum waren die, denen ſie in's Hand¬ werk ſchaute, ihre gebornen Widerſacher, die ihr auf den Dienſt lauerten, jede ihrer Handlungen mi߬ deuteten; dieſe Aerzte ſind es, die, weil ſie dieſelben vom Todtenbett ihres Gatten fern gehalten, weil ſie dieſelben beleidigt, verhöhnt, an Ruf und Praxis geſchadet, ſie ſind es, welche den Verdacht gegen die Unglückliche ausgeſtreut, bis andere Elende daraus eine Denunciation gebildet. O nein, meine Freunde, ich unterdrücke dieſe Vermuthung, und noch Andere, ich verſichere Sie, Vermuthungen, die einem an¬ dern als mir zu Schlüſſen würden. Nein, ſie ſteht mir zu hoch, als daß ich ihr helfen ſollte durch das Verderben Anderer. — Sie wundern ſich über mei¬ nen perſönlichen Eifer. Nun wohl denn, wenn Ihnen die Entrüſtung eines Edelmanns über das Unrecht, das man einer edlen Frau anthut, nicht Grund genug iſt, ſo habe ich keinen, unter ſo nahen Freunden zu verſchweigen, daß meine Achtung und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/176
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/176>, abgerufen am 25.11.2024.