"Es ist draußen -- es steht draußen -- es will Jemand Frau Geheimräthin Lupinus sprechen."
"Wir haben hier auch zu sprechen."
"Der sagt aber, er muß absolut."
"Na, wer ist es denn, Jean?"
"Ich kenne ihn nicht, Madame Braunbiegler, -- aber -- aber er ist sehr dringend, er hat ein Schild auf der Brust und sagt, er muß partout."
Wandel hatte die Geheimräthin fixirt. Ein "a mer¬ veille!" entstieg unhörbar seinen Lippen, als sie die Karten vor sich niederlegte und aufstand. Sie verzog keine Miene: "Ich kann mir denken, was es ist; wahrscheinlich wegen eines Documentes aus meines Mannes Nachlaß, auf das eine auswärtige Behörde aus archivalischen Gründen einen Anspruch geltend macht. Es thut mir unendlich leid, daß ich abermals die Gesellschaft stören muß, hoffentlich nur auf einige Augenblicke."
Sie rückte den Stuhl zurück. Wandel reichte ihr den Arm und führte sie bis an die Thür. Ob und was er mit ihr gesprochen, weiß man nicht. Sie haben sich nicht wieder gesehen, heißt es.
An der Thür blickte die Lupinus noch einmal über die Schulter, und die ihren Blick damals sahen, wollten ihn nie wieder vergessen haben. Mit einem Lächeln rief sie: "Ich bin am Geben, meine Damen, ver¬ gessen Sie es nicht und ich werde nicht wieder vergeben."
Es war eine peinliche Stille von einigen Minu¬ ten. Im Augenblick, wo man einen Wagen abfahren
„Es iſt draußen — es ſteht draußen — es will Jemand Frau Geheimräthin Lupinus ſprechen.“
„Wir haben hier auch zu ſprechen.“
„Der ſagt aber, er muß abſolut.“
„Na, wer iſt es denn, Jean?“
„Ich kenne ihn nicht, Madame Braunbiegler, — aber — aber er iſt ſehr dringend, er hat ein Schild auf der Bruſt und ſagt, er muß partout.“
Wandel hatte die Geheimräthin fixirt. Ein „à mer¬ veille!“ entſtieg unhörbar ſeinen Lippen, als ſie die Karten vor ſich niederlegte und aufſtand. Sie verzog keine Miene: „Ich kann mir denken, was es iſt; wahrſcheinlich wegen eines Documentes aus meines Mannes Nachlaß, auf das eine auswärtige Behörde aus archivaliſchen Gründen einen Anſpruch geltend macht. Es thut mir unendlich leid, daß ich abermals die Geſellſchaft ſtören muß, hoffentlich nur auf einige Augenblicke.“
Sie rückte den Stuhl zurück. Wandel reichte ihr den Arm und führte ſie bis an die Thür. Ob und was er mit ihr geſprochen, weiß man nicht. Sie haben ſich nicht wieder geſehen, heißt es.
An der Thür blickte die Lupinus noch einmal über die Schulter, und die ihren Blick damals ſahen, wollten ihn nie wieder vergeſſen haben. Mit einem Lächeln rief ſie: „Ich bin am Geben, meine Damen, ver¬ geſſen Sie es nicht und ich werde nicht wieder vergeben.“
Es war eine peinliche Stille von einigen Minu¬ ten. Im Augenblick, wo man einen Wagen abfahren
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„Es iſt draußen — es ſteht draußen — es will
Jemand Frau Geheimräthin Lupinus ſprechen.“
„Wir haben hier auch zu ſprechen.“
„Der ſagt aber, er muß abſolut.“
„Na, wer iſt es denn, Jean?“
„Ich kenne ihn nicht, Madame Braunbiegler, —
aber — aber er iſt ſehr dringend, er hat ein Schild
auf der Bruſt und ſagt, er muß partout.“
Wandel hatte die Geheimräthin fixirt. Ein „à mer¬
veille!“ entſtieg unhörbar ſeinen Lippen, als ſie die
Karten vor ſich niederlegte und aufſtand. Sie verzog
keine Miene: „Ich kann mir denken, was es iſt;
wahrſcheinlich wegen eines Documentes aus meines
Mannes Nachlaß, auf das eine auswärtige Behörde
aus archivaliſchen Gründen einen Anſpruch geltend
macht. Es thut mir unendlich leid, daß ich abermals
die Geſellſchaft ſtören muß, hoffentlich nur auf einige
Augenblicke.“
Sie rückte den Stuhl zurück. Wandel reichte
ihr den Arm und führte ſie bis an die Thür. Ob
und was er mit ihr geſprochen, weiß man nicht. Sie
haben ſich nicht wieder geſehen, heißt es.
An der Thür blickte die Lupinus noch einmal
über die Schulter, und die ihren Blick damals ſahen,
wollten ihn nie wieder vergeſſen haben. Mit einem
Lächeln rief ſie: „Ich bin am Geben, meine Damen, ver¬
geſſen Sie es nicht und ich werde nicht wieder vergeben.“
Es war eine peinliche Stille von einigen Minu¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/170>, abgerufen am 03.07.2024.
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