"Lassen wir die Poesie, liebes Mädchen, es han¬ delt sich von ernsten Dingen. Ich will Ihnen glau¬ ben, daß ein besserer Keim in ihm ist, daß große Talente in ihm schlummerten, daß Characterstärke ihm von Gott gegeben war, ich will zu Ihrem Besten Alles zu seinen Gunsten glauben, aber warum gab er sich keiner geordneten Thätigkeit hin, warum zer¬ splitterte und vergeudete er diese Gaben. Bei seiner Geburt, dem Einfluß seines Vaters wäre ihm ein Wirkungskreis leicht geworden."
Adelheid sah die Königin mit einem eigenthüm¬ lichen Blicke an, es lag Frage, Bitte, ein Forschen darin.
"Darf ich?" Sie hielt die Hände auf der Brust. Der Augenschlag der Königin winkte Gewährung.
"Ich kenne Jemand, den die Geburt hoch ge¬ stellt, höher steht nur Einer. Sein Herz schlägt für das Vaterland, sein Blut glüht für seine Ehre. Mit dem ritterlichen Feuermuth der alten Zeit, schlägt doch dies Herz weich für das Edle, Schöne, Große, das alle Zeiten schmückte. Er möchte, er könnte ein Volk erheben, es glücklich machen, denn seine Gaben befähigten ihn zu dem Höchsten. Und klar liegt vor seinem Gesichte die Vergangenheit, sein Auge blickt in die Zukunft. Warum ist dies Auge trüb? -- Weil der Horizont trüb ist. Warum sank dieser Feuergeist, dessen Flügel der Sturm durchschnitt, der der Sonne entgegenblickte, ohne zu zücken, in den Schlamm zurück? Weil die Atmosphäre zu schwer ist, sein
„Laſſen wir die Poeſie, liebes Mädchen, es han¬ delt ſich von ernſten Dingen. Ich will Ihnen glau¬ ben, daß ein beſſerer Keim in ihm iſt, daß große Talente in ihm ſchlummerten, daß Characterſtärke ihm von Gott gegeben war, ich will zu Ihrem Beſten Alles zu ſeinen Gunſten glauben, aber warum gab er ſich keiner geordneten Thätigkeit hin, warum zer¬ ſplitterte und vergeudete er dieſe Gaben. Bei ſeiner Geburt, dem Einfluß ſeines Vaters wäre ihm ein Wirkungskreis leicht geworden.“
Adelheid ſah die Königin mit einem eigenthüm¬ lichen Blicke an, es lag Frage, Bitte, ein Forſchen darin.
„Darf ich?“ Sie hielt die Hände auf der Bruſt. Der Augenſchlag der Königin winkte Gewährung.
„Ich kenne Jemand, den die Geburt hoch ge¬ ſtellt, höher ſteht nur Einer. Sein Herz ſchlägt für das Vaterland, ſein Blut glüht für ſeine Ehre. Mit dem ritterlichen Feuermuth der alten Zeit, ſchlägt doch dies Herz weich für das Edle, Schöne, Große, das alle Zeiten ſchmückte. Er möchte, er könnte ein Volk erheben, es glücklich machen, denn ſeine Gaben befähigten ihn zu dem Höchſten. Und klar liegt vor ſeinem Geſichte die Vergangenheit, ſein Auge blickt in die Zukunft. Warum iſt dies Auge trüb? — Weil der Horizont trüb iſt. Warum ſank dieſer Feuergeiſt, deſſen Flügel der Sturm durchſchnitt, der der Sonne entgegenblickte, ohne zu zücken, in den Schlamm zurück? Weil die Atmoſphäre zu ſchwer iſt, ſein
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0146"n="136"/><p>„Laſſen wir die Poeſie, liebes Mädchen, es han¬<lb/>
delt ſich von ernſten Dingen. Ich will Ihnen glau¬<lb/>
ben, daß ein beſſerer Keim in ihm iſt, daß große<lb/>
Talente in ihm ſchlummerten, daß Characterſtärke ihm<lb/>
von Gott gegeben war, ich will zu Ihrem Beſten<lb/>
Alles zu ſeinen Gunſten glauben, aber warum gab<lb/>
er ſich keiner geordneten Thätigkeit hin, warum zer¬<lb/>ſplitterte und vergeudete er dieſe Gaben. Bei ſeiner<lb/>
Geburt, dem Einfluß ſeines Vaters wäre ihm ein<lb/>
Wirkungskreis leicht geworden.“</p><lb/><p>Adelheid ſah die Königin mit einem eigenthüm¬<lb/>
lichen Blicke an, es lag Frage, Bitte, ein Forſchen<lb/>
darin.</p><lb/><p>„Darf ich?“ Sie hielt die Hände auf der Bruſt.<lb/>
Der Augenſchlag der Königin winkte Gewährung.</p><lb/><p>„Ich kenne Jemand, den die Geburt hoch ge¬<lb/>ſtellt, höher ſteht nur Einer. Sein Herz ſchlägt für<lb/>
das Vaterland, ſein Blut glüht für ſeine Ehre. Mit<lb/>
dem ritterlichen Feuermuth der alten Zeit, ſchlägt doch<lb/>
dies Herz weich für das Edle, Schöne, Große, das<lb/>
alle Zeiten ſchmückte. Er möchte, er könnte ein<lb/>
Volk erheben, es glücklich machen, denn ſeine Gaben<lb/>
befähigten ihn zu dem Höchſten. Und klar liegt vor<lb/>ſeinem Geſichte die Vergangenheit, ſein Auge blickt in<lb/>
die Zukunft. Warum iſt dies Auge trüb? — Weil<lb/>
der Horizont trüb iſt. Warum ſank dieſer Feuergeiſt,<lb/>
deſſen Flügel der Sturm durchſchnitt, der der Sonne<lb/>
entgegenblickte, ohne zu zücken, in den Schlamm<lb/>
zurück? Weil die Atmoſphäre zu ſchwer iſt, ſein<lb/></p></div></body></text></TEI>
[136/0146]
„Laſſen wir die Poeſie, liebes Mädchen, es han¬
delt ſich von ernſten Dingen. Ich will Ihnen glau¬
ben, daß ein beſſerer Keim in ihm iſt, daß große
Talente in ihm ſchlummerten, daß Characterſtärke ihm
von Gott gegeben war, ich will zu Ihrem Beſten
Alles zu ſeinen Gunſten glauben, aber warum gab
er ſich keiner geordneten Thätigkeit hin, warum zer¬
ſplitterte und vergeudete er dieſe Gaben. Bei ſeiner
Geburt, dem Einfluß ſeines Vaters wäre ihm ein
Wirkungskreis leicht geworden.“
Adelheid ſah die Königin mit einem eigenthüm¬
lichen Blicke an, es lag Frage, Bitte, ein Forſchen
darin.
„Darf ich?“ Sie hielt die Hände auf der Bruſt.
Der Augenſchlag der Königin winkte Gewährung.
„Ich kenne Jemand, den die Geburt hoch ge¬
ſtellt, höher ſteht nur Einer. Sein Herz ſchlägt für
das Vaterland, ſein Blut glüht für ſeine Ehre. Mit
dem ritterlichen Feuermuth der alten Zeit, ſchlägt doch
dies Herz weich für das Edle, Schöne, Große, das
alle Zeiten ſchmückte. Er möchte, er könnte ein
Volk erheben, es glücklich machen, denn ſeine Gaben
befähigten ihn zu dem Höchſten. Und klar liegt vor
ſeinem Geſichte die Vergangenheit, ſein Auge blickt in
die Zukunft. Warum iſt dies Auge trüb? — Weil
der Horizont trüb iſt. Warum ſank dieſer Feuergeiſt,
deſſen Flügel der Sturm durchſchnitt, der der Sonne
entgegenblickte, ohne zu zücken, in den Schlamm
zurück? Weil die Atmoſphäre zu ſchwer iſt, ſein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/146>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.