Herzens. Es schlug für ihn von jenem ersten Augen¬ blick an, und ich hatte seine Schläge unterdrückt; es waren die Rücksichten, die meine Königin aus¬ sprach. Das waren unglückselige Monate, Jahre; die Brust blutete und keiner sah es, und kein Trost, ich half ja Keinem damit. Statt kräftig zu werden und frisch, lähmte die Halbheit meinen Geist. -- Es war keine Tugend, es war eine Sünde, es blieb Sünde, bis ich sie erkannt und mir gelobte, die Wahrheit offen zu bekennen. Gott schütze und wahre mich davor, daß ich wieder zurücksinke in die Un¬ wahrheit."
Sie hielt inne, auch die Fürstin schwieg. Das Aber, das auf ihren Lippen schwebte, ward durch einen neuen Ausbruch der Rednerin unterbrochen. Sie fühlte sich auch vor der gütigsten Königin in ihrem Recht, jetzt Alles auszusprechen.
"Das war ein Selbstmord gewesen, und der Schöpfer will nicht, daß wir uns selbst vernichten. Aber es konnte mehr werden, ein Mord an einem unaussprechlich Unglücklichen, den zu retten meine schönste Lebensthat wäre."
"O mein armes Kind, fiel die Fürstin ein, ich sehe die Gluth Ihrer Leidenschaft, aber täuschen Sie sich nicht. Ich sehe mehr, Ihre tugendhafte Seele empfindet mit dem Verlornen Mitleid, Sie wollen sich ihm opfern, um ihn glücklich zu machen, Sie fühlen den Drang schöner Seelen, eine Märtyrin zu werden. Kennen Sie ihn ganz? Fragen Sie
Herzens. Es ſchlug für ihn von jenem erſten Augen¬ blick an, und ich hatte ſeine Schläge unterdrückt; es waren die Rückſichten, die meine Königin aus¬ ſprach. Das waren unglückſelige Monate, Jahre; die Bruſt blutete und keiner ſah es, und kein Troſt, ich half ja Keinem damit. Statt kräftig zu werden und friſch, lähmte die Halbheit meinen Geiſt. — Es war keine Tugend, es war eine Sünde, es blieb Sünde, bis ich ſie erkannt und mir gelobte, die Wahrheit offen zu bekennen. Gott ſchütze und wahre mich davor, daß ich wieder zurückſinke in die Un¬ wahrheit.“
Sie hielt inne, auch die Fürſtin ſchwieg. Das Aber, das auf ihren Lippen ſchwebte, ward durch einen neuen Ausbruch der Rednerin unterbrochen. Sie fühlte ſich auch vor der gütigſten Königin in ihrem Recht, jetzt Alles auszuſprechen.
„Das war ein Selbſtmord geweſen, und der Schöpfer will nicht, daß wir uns ſelbſt vernichten. Aber es konnte mehr werden, ein Mord an einem unausſprechlich Unglücklichen, den zu retten meine ſchönſte Lebensthat wäre.“
„O mein armes Kind, fiel die Fürſtin ein, ich ſehe die Gluth Ihrer Leidenſchaft, aber täuſchen Sie ſich nicht. Ich ſehe mehr, Ihre tugendhafte Seele empfindet mit dem Verlornen Mitleid, Sie wollen ſich ihm opfern, um ihn glücklich zu machen, Sie fühlen den Drang ſchöner Seelen, eine Märtyrin zu werden. Kennen Sie ihn ganz? Fragen Sie
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Herzens. Es ſchlug für ihn von jenem erſten Augen¬
blick an, und ich hatte ſeine Schläge unterdrückt;
es waren die Rückſichten, die meine Königin aus¬
ſprach. Das waren unglückſelige Monate, Jahre;
die Bruſt blutete und keiner ſah es, und kein Troſt,
ich half ja Keinem damit. Statt kräftig zu werden
und friſch, lähmte die Halbheit meinen Geiſt. — Es
war keine Tugend, es war eine Sünde, es blieb
Sünde, bis ich ſie erkannt und mir gelobte, die
Wahrheit offen zu bekennen. Gott ſchütze und wahre
mich davor, daß ich wieder zurückſinke in die Un¬
wahrheit.“
Sie hielt inne, auch die Fürſtin ſchwieg. Das
Aber, das auf ihren Lippen ſchwebte, ward durch
einen neuen Ausbruch der Rednerin unterbrochen.
Sie fühlte ſich auch vor der gütigſten Königin in
ihrem Recht, jetzt Alles auszuſprechen.
„Das war ein Selbſtmord geweſen, und der
Schöpfer will nicht, daß wir uns ſelbſt vernichten.
Aber es konnte mehr werden, ein Mord an einem
unausſprechlich Unglücklichen, den zu retten meine
ſchönſte Lebensthat wäre.“
„O mein armes Kind, fiel die Fürſtin ein, ich
ſehe die Gluth Ihrer Leidenſchaft, aber täuſchen Sie
ſich nicht. Ich ſehe mehr, Ihre tugendhafte Seele
empfindet mit dem Verlornen Mitleid, Sie wollen
ſich ihm opfern, um ihn glücklich zu machen, Sie
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/144>, abgerufen am 23.11.2024.
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