Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

einzelnen Punkt zu setzen, der damit nichts zu thun
hat, sorglos, ob die Emsigkeit, welche sie der Bagatelle
widmen, sie an ihrem größern Schaffen hindert.
Cäsar, mit dem Plan die Welt zu erobern im Kopfe,
beschrieb, wie ein Liebender die Augen der Geliebten,
die Construction der hölzernen Rheinbrücke, die er
erfunden. Es ist die ewige Mahnung an die großen
Geister, daß sie auch Menschen sind, an uns, daß
all unser ernstes Thun vor einem höhern Auge Spiel¬
werk ist. An Frauen es zu rügen, ist nie einem
Billigen eingekommen. Wenn sie gar nicht mehr
spielen sollten, was wären sie sich -- uns! Auf
Königin Louisens Seele lastete Ungeheures. Seit der
vorjährigen Gruftscene in Potsdam schien sie Vielen
ihrer Umgebung wie ausgetauscht. Sie las nicht
mehr Lafontaines Romane, daß sie heute sie gerühmt,
war nur pietätvolle Erinnerung gewesen, sie lebte der
ernsten Sorge vor der Gefahr, die über dem Hause
ihres Gatten, dem Lande ihrer Liebe und Wahl
schwebte. Keine Frau, vielleicht wenig Männer fühl¬
ten so schwer, innig, zuweilen klar die Bedeutung
der Zeit, und doch hatte sie ein Etwas, was ganz
außer diesem Kreise lag, mit Eifer aufgefaßt. Sie
hatte sich für das schöne Mädchen interessirt, von dem
der Ruf so viel sprach, die erste Begegnung hatte
dies Interesse erhöht. Sie wollte Adelheid, nach
dem gelegentlichen Gespräch mit ihrem Vater, vor
einer Verbindung bewahren, welche dieser beklagt,
welche ihr als ein Unglück erschien. Wie ihre Phan¬

einzelnen Punkt zu ſetzen, der damit nichts zu thun
hat, ſorglos, ob die Emſigkeit, welche ſie der Bagatelle
widmen, ſie an ihrem größern Schaffen hindert.
Cäſar, mit dem Plan die Welt zu erobern im Kopfe,
beſchrieb, wie ein Liebender die Augen der Geliebten,
die Conſtruction der hölzernen Rheinbrücke, die er
erfunden. Es iſt die ewige Mahnung an die großen
Geiſter, daß ſie auch Menſchen ſind, an uns, daß
all unſer ernſtes Thun vor einem höhern Auge Spiel¬
werk iſt. An Frauen es zu rügen, iſt nie einem
Billigen eingekommen. Wenn ſie gar nicht mehr
ſpielen ſollten, was wären ſie ſich — uns! Auf
Königin Louiſens Seele laſtete Ungeheures. Seit der
vorjährigen Gruftſcene in Potsdam ſchien ſie Vielen
ihrer Umgebung wie ausgetauſcht. Sie las nicht
mehr Lafontaines Romane, daß ſie heute ſie gerühmt,
war nur pietätvolle Erinnerung geweſen, ſie lebte der
ernſten Sorge vor der Gefahr, die über dem Hauſe
ihres Gatten, dem Lande ihrer Liebe und Wahl
ſchwebte. Keine Frau, vielleicht wenig Männer fühl¬
ten ſo ſchwer, innig, zuweilen klar die Bedeutung
der Zeit, und doch hatte ſie ein Etwas, was ganz
außer dieſem Kreiſe lag, mit Eifer aufgefaßt. Sie
hatte ſich für das ſchöne Mädchen intereſſirt, von dem
der Ruf ſo viel ſprach, die erſte Begegnung hatte
dies Intereſſe erhöht. Sie wollte Adelheid, nach
dem gelegentlichen Geſpräch mit ihrem Vater, vor
einer Verbindung bewahren, welche dieſer beklagt,
welche ihr als ein Unglück erſchien. Wie ihre Phan¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0136" n="126"/>
einzelnen Punkt zu &#x017F;etzen, der damit nichts zu thun<lb/>
hat, &#x017F;orglos, ob die Em&#x017F;igkeit, welche &#x017F;ie der Bagatelle<lb/>
widmen, &#x017F;ie an ihrem größern Schaffen hindert.<lb/>&#x017F;ar, mit dem Plan die Welt zu erobern im Kopfe,<lb/>
be&#x017F;chrieb, wie ein Liebender die Augen der Geliebten,<lb/>
die Con&#x017F;truction der hölzernen Rheinbrücke, die er<lb/>
erfunden. Es i&#x017F;t die ewige Mahnung an die großen<lb/>
Gei&#x017F;ter, daß &#x017F;ie auch Men&#x017F;chen &#x017F;ind, an uns, daß<lb/>
all un&#x017F;er ern&#x017F;tes Thun vor einem höhern Auge Spiel¬<lb/>
werk i&#x017F;t. An Frauen es zu rügen, i&#x017F;t nie einem<lb/>
Billigen eingekommen. Wenn &#x017F;ie gar nicht mehr<lb/>
&#x017F;pielen &#x017F;ollten, was wären &#x017F;ie &#x017F;ich &#x2014; uns! Auf<lb/>
Königin Loui&#x017F;ens Seele la&#x017F;tete Ungeheures. Seit der<lb/>
vorjährigen Gruft&#x017F;cene in Potsdam &#x017F;chien &#x017F;ie Vielen<lb/>
ihrer Umgebung wie ausgetau&#x017F;cht. Sie las nicht<lb/>
mehr Lafontaines Romane, daß &#x017F;ie heute &#x017F;ie gerühmt,<lb/>
war nur pietätvolle Erinnerung gewe&#x017F;en, &#x017F;ie lebte der<lb/>
ern&#x017F;ten Sorge vor der Gefahr, die über dem Hau&#x017F;e<lb/>
ihres Gatten, dem Lande ihrer Liebe und Wahl<lb/>
&#x017F;chwebte. Keine Frau, vielleicht wenig Männer fühl¬<lb/>
ten &#x017F;o &#x017F;chwer, innig, zuweilen klar die Bedeutung<lb/>
der Zeit, und doch hatte &#x017F;ie ein Etwas, was ganz<lb/>
außer die&#x017F;em Krei&#x017F;e lag, mit Eifer aufgefaßt. Sie<lb/>
hatte &#x017F;ich für das &#x017F;chöne Mädchen intere&#x017F;&#x017F;irt, von dem<lb/>
der Ruf &#x017F;o viel &#x017F;prach, die er&#x017F;te Begegnung hatte<lb/>
dies Intere&#x017F;&#x017F;e erhöht. Sie wollte Adelheid, nach<lb/>
dem gelegentlichen Ge&#x017F;präch mit ihrem Vater, vor<lb/>
einer Verbindung bewahren, welche die&#x017F;er beklagt,<lb/>
welche ihr als ein Unglück er&#x017F;chien. Wie ihre Phan¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0136] einzelnen Punkt zu ſetzen, der damit nichts zu thun hat, ſorglos, ob die Emſigkeit, welche ſie der Bagatelle widmen, ſie an ihrem größern Schaffen hindert. Cäſar, mit dem Plan die Welt zu erobern im Kopfe, beſchrieb, wie ein Liebender die Augen der Geliebten, die Conſtruction der hölzernen Rheinbrücke, die er erfunden. Es iſt die ewige Mahnung an die großen Geiſter, daß ſie auch Menſchen ſind, an uns, daß all unſer ernſtes Thun vor einem höhern Auge Spiel¬ werk iſt. An Frauen es zu rügen, iſt nie einem Billigen eingekommen. Wenn ſie gar nicht mehr ſpielen ſollten, was wären ſie ſich — uns! Auf Königin Louiſens Seele laſtete Ungeheures. Seit der vorjährigen Gruftſcene in Potsdam ſchien ſie Vielen ihrer Umgebung wie ausgetauſcht. Sie las nicht mehr Lafontaines Romane, daß ſie heute ſie gerühmt, war nur pietätvolle Erinnerung geweſen, ſie lebte der ernſten Sorge vor der Gefahr, die über dem Hauſe ihres Gatten, dem Lande ihrer Liebe und Wahl ſchwebte. Keine Frau, vielleicht wenig Männer fühl¬ ten ſo ſchwer, innig, zuweilen klar die Bedeutung der Zeit, und doch hatte ſie ein Etwas, was ganz außer dieſem Kreiſe lag, mit Eifer aufgefaßt. Sie hatte ſich für das ſchöne Mädchen intereſſirt, von dem der Ruf ſo viel ſprach, die erſte Begegnung hatte dies Intereſſe erhöht. Sie wollte Adelheid, nach dem gelegentlichen Geſpräch mit ihrem Vater, vor einer Verbindung bewahren, welche dieſer beklagt, welche ihr als ein Unglück erſchien. Wie ihre Phan¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/136
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/136>, abgerufen am 23.11.2024.