Stimmung plötzlich verwandelt. Es war auch um sie her anders geworden; die Sonne war hinter herauf¬ ziehende Wolken getreten, die Vorläufer des Windes hatten schon länger die gelben Blätter über die Füße der beiden Frauen getrieben, jetzt fing er an, in den Büschen das Gezweig zu rütteln, in raschen Stößen schüttelte er von den entfernten Baumwipfeln das Laub. Die laue Luft hatte, wie auf einen Zauber¬ hauch, einer empfindlichen, scharfen Kälte Platz ge¬ macht, daß die Damen die Tücher enger um den Hals zogen.
"Wir müssen Alle entsagen, sprach die Königin feierlich, auch Sie, Adelheid, werden die Kraft haben. Ich habe das schöne Vertrauen, nachdem ich Ihre schöne Seele kennen gelernt."
Da war auch ein schöner Vorhang plötzlich ge¬ fallen, ein Vorhang gewebt aus Sonnenstäubchen, die in anmuthigem Spiel hin- und her geschaukelt, und die bleierne, graue Wahrheit lag vor ihnen, das, warum die Fürstin Adelheid zu sich beschieden; auch das blickte schon verrätherisch hervor, warum Adelheid gekommen war.
Es giebt im Seelenleben Augenblicke, wo der Klügste sich keine Rechenschaft zu geben weiß, woher ein Gedanke aufquillt, dem er plötzlich zu folgen sich gedrungen fühlt, auch wenn er entgegen der Strömung ist, der all sein Fühlen und Denken sich hinneigt. Bei großen Männern ist es ein Kitzel, mitten in Planen, welche die Welt verrücken sollen, sich starr auf einen
Stimmung plötzlich verwandelt. Es war auch um ſie her anders geworden; die Sonne war hinter herauf¬ ziehende Wolken getreten, die Vorläufer des Windes hatten ſchon länger die gelben Blätter über die Füße der beiden Frauen getrieben, jetzt fing er an, in den Büſchen das Gezweig zu rütteln, in raſchen Stößen ſchüttelte er von den entfernten Baumwipfeln das Laub. Die laue Luft hatte, wie auf einen Zauber¬ hauch, einer empfindlichen, ſcharfen Kälte Platz ge¬ macht, daß die Damen die Tücher enger um den Hals zogen.
„Wir müſſen Alle entſagen, ſprach die Königin feierlich, auch Sie, Adelheid, werden die Kraft haben. Ich habe das ſchöne Vertrauen, nachdem ich Ihre ſchöne Seele kennen gelernt.“
Da war auch ein ſchöner Vorhang plötzlich ge¬ fallen, ein Vorhang gewebt aus Sonnenſtäubchen, die in anmuthigem Spiel hin- und her geſchaukelt, und die bleierne, graue Wahrheit lag vor ihnen, das, warum die Fürſtin Adelheid zu ſich beſchieden; auch das blickte ſchon verrätheriſch hervor, warum Adelheid gekommen war.
Es giebt im Seelenleben Augenblicke, wo der Klügſte ſich keine Rechenſchaft zu geben weiß, woher ein Gedanke aufquillt, dem er plötzlich zu folgen ſich gedrungen fühlt, auch wenn er entgegen der Strömung iſt, der all ſein Fühlen und Denken ſich hinneigt. Bei großen Männern iſt es ein Kitzel, mitten in Planen, welche die Welt verrücken ſollen, ſich ſtarr auf einen
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Stimmung plötzlich verwandelt. Es war auch um
ſie her anders geworden; die Sonne war hinter herauf¬
ziehende Wolken getreten, die Vorläufer des Windes
hatten ſchon länger die gelben Blätter über die Füße
der beiden Frauen getrieben, jetzt fing er an, in den
Büſchen das Gezweig zu rütteln, in raſchen Stößen
ſchüttelte er von den entfernten Baumwipfeln das
Laub. Die laue Luft hatte, wie auf einen Zauber¬
hauch, einer empfindlichen, ſcharfen Kälte Platz ge¬
macht, daß die Damen die Tücher enger um den
Hals zogen.
„Wir müſſen Alle entſagen, ſprach die Königin
feierlich, auch Sie, Adelheid, werden die Kraft haben.
Ich habe das ſchöne Vertrauen, nachdem ich Ihre
ſchöne Seele kennen gelernt.“
Da war auch ein ſchöner Vorhang plötzlich ge¬
fallen, ein Vorhang gewebt aus Sonnenſtäubchen,
die in anmuthigem Spiel hin- und her geſchaukelt,
und die bleierne, graue Wahrheit lag vor ihnen, das,
warum die Fürſtin Adelheid zu ſich beſchieden; auch
das blickte ſchon verrätheriſch hervor, warum Adelheid
gekommen war.
Es giebt im Seelenleben Augenblicke, wo der
Klügſte ſich keine Rechenſchaft zu geben weiß, woher
ein Gedanke aufquillt, dem er plötzlich zu folgen ſich
gedrungen fühlt, auch wenn er entgegen der Strömung
iſt, der all ſein Fühlen und Denken ſich hinneigt.
Bei großen Männern iſt es ein Kitzel, mitten in Planen,
welche die Welt verrücken ſollen, ſich ſtarr auf einen
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/135>, abgerufen am 23.11.2024.
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