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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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"Das sind Imaginationen, vielleicht aus den
neuen Büchern. Diese Schlegel, Tieck, Novalis sind
aber eine excentrische Lectüre, welche das Blut erhitzt;
keine für ein junges Mädchen, das Herz und Geist zum
Umgang mit rechtschaffenen Menschen ausbilden will."

"Mich dünkt, Ihre Majestät, die Zeit ist auch
zu ernst, und fordert von uns andre Pflichten, als
in der Märchenwelt zu lustwandeln."

"Das ist verständig von Ihnen. Man eifert
zwar auch gegen das Lesen von Romanen und Schau¬
spielen, aber man thut Unrecht. Unser Iffland führt
uns doch immer rührende Beispiele vor, wie wir
uns glücklich finden können in beschränkten Verhält¬
nissen. Sie wollen es tadeln, daß er die bösen Men¬
schen immer aus der vornehmen Welt nimmt. Aber
hat Iffland Unrecht? Ich wenigstens und der König
sehen uns immer mit Befriedigung an, Sie sollen
sich nur ein Exempel dran nehmen, die es trifft,
sagte neulich mein Gemahl. -- Den Lafontaine
möchten sie uns auch verleiden, aber wie viele herz¬
liche und frohe Stunden verdanken wir ihm, wie
vielen Trost, wenn wir Abends nach einem verdrie߬
lichen Tage uns mit ihm auf dem Sopha vom Ge¬
wühl zurückzogen. O es giebt solche Tage, wo Für¬
sten nichts hören als Klagen, Gegenanschuldigungen,
wo uns die Welt wie ganz verderbt erscheint, ein
Knäuel von Schlangen, sagten Sie, wir wollen es
nur ein Durcheinander von bösen Menschen nennen.
Da, wenn wir uns fürchten mußten vor Allem, was

„Das ſind Imaginationen, vielleicht aus den
neuen Büchern. Dieſe Schlegel, Tieck, Novalis ſind
aber eine excentriſche Lectüre, welche das Blut erhitzt;
keine für ein junges Mädchen, das Herz und Geiſt zum
Umgang mit rechtſchaffenen Menſchen ausbilden will.“

„Mich dünkt, Ihre Majeſtät, die Zeit iſt auch
zu ernſt, und fordert von uns andre Pflichten, als
in der Märchenwelt zu luſtwandeln.“

„Das iſt verſtändig von Ihnen. Man eifert
zwar auch gegen das Leſen von Romanen und Schau¬
ſpielen, aber man thut Unrecht. Unſer Iffland führt
uns doch immer rührende Beiſpiele vor, wie wir
uns glücklich finden können in beſchränkten Verhält¬
niſſen. Sie wollen es tadeln, daß er die böſen Men¬
ſchen immer aus der vornehmen Welt nimmt. Aber
hat Iffland Unrecht? Ich wenigſtens und der König
ſehen uns immer mit Befriedigung an, Sie ſollen
ſich nur ein Exempel dran nehmen, die es trifft,
ſagte neulich mein Gemahl. — Den Lafontaine
möchten ſie uns auch verleiden, aber wie viele herz¬
liche und frohe Stunden verdanken wir ihm, wie
vielen Troſt, wenn wir Abends nach einem verdrie߬
lichen Tage uns mit ihm auf dem Sopha vom Ge¬
wühl zurückzogen. O es giebt ſolche Tage, wo Für¬
ſten nichts hören als Klagen, Gegenanſchuldigungen,
wo uns die Welt wie ganz verderbt erſcheint, ein
Knäuel von Schlangen, ſagten Sie, wir wollen es
nur ein Durcheinander von böſen Menſchen nennen.
Da, wenn wir uns fürchten mußten vor Allem, was

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[120/0130] „Das ſind Imaginationen, vielleicht aus den neuen Büchern. Dieſe Schlegel, Tieck, Novalis ſind aber eine excentriſche Lectüre, welche das Blut erhitzt; keine für ein junges Mädchen, das Herz und Geiſt zum Umgang mit rechtſchaffenen Menſchen ausbilden will.“ „Mich dünkt, Ihre Majeſtät, die Zeit iſt auch zu ernſt, und fordert von uns andre Pflichten, als in der Märchenwelt zu luſtwandeln.“ „Das iſt verſtändig von Ihnen. Man eifert zwar auch gegen das Leſen von Romanen und Schau¬ ſpielen, aber man thut Unrecht. Unſer Iffland führt uns doch immer rührende Beiſpiele vor, wie wir uns glücklich finden können in beſchränkten Verhält¬ niſſen. Sie wollen es tadeln, daß er die böſen Men¬ ſchen immer aus der vornehmen Welt nimmt. Aber hat Iffland Unrecht? Ich wenigſtens und der König ſehen uns immer mit Befriedigung an, Sie ſollen ſich nur ein Exempel dran nehmen, die es trifft, ſagte neulich mein Gemahl. — Den Lafontaine möchten ſie uns auch verleiden, aber wie viele herz¬ liche und frohe Stunden verdanken wir ihm, wie vielen Troſt, wenn wir Abends nach einem verdrie߬ lichen Tage uns mit ihm auf dem Sopha vom Ge¬ wühl zurückzogen. O es giebt ſolche Tage, wo Für¬ ſten nichts hören als Klagen, Gegenanſchuldigungen, wo uns die Welt wie ganz verderbt erſcheint, ein Knäuel von Schlangen, ſagten Sie, wir wollen es nur ein Durcheinander von böſen Menſchen nennen. Da, wenn wir uns fürchten mußten vor Allem, was

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/130>, abgerufen am 23.11.2024.