Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

ihr vergönnen, die Königin heut um eine Audienz
angehn zu dürfen.

Der Gedanke lag nahe, daß Adelheid von dem
Besuch der Viereck erfahren.

"Das recherchirte Kind der allgemeinen Gunst
hat nur zu commandiren. Ich kann nicht dafür, daß
Sie die Hintertreppe hinauf müssen und Mamsell
Schadow um Vermittelung angehen; hätten Sie mich
früher Ihres Vertrauens gewürdigt, würde es, mir
wohl gelungen sein, Sie zur Vordertreppe heraufzu¬
bringen."

Adelheids klarer forschender Blick durchschaute
die Sache noch nicht.

"Die Gunst der Großen, meine Liebe, fuhr die
Gargazin fort, ist ein Thema, was studirt sein will.
Es ist nur das Schlimme, daß wer sie aus dem
Grunde studirt hat, nicht weiter und nicht besser
daran ist, als der Bauer und das Kind, die den
König für einen Gott halten. Wir sind ihnen Spiel¬
zeug, das sie auf ihren Putztisch stellen, so lange es
ihnen gefällt. Gefällt es ihnen nicht mehr, wird's
in den Kehricht geworfen. Es ist Täuschung, wenn
das Spielzeug glaubt, es könne etwas dazu thun,
daß es sie länger fessele, als ihre Laune dauert. --
Erlauben Sie mir eine Warnung. Die Königin hat
sich für Sie interessirt, als Sie ihr noch fern waren,
das Gerede der Leute, Ihr Ruf vermehrte die
Attractionskraft; neulich auf dem Ball erregten Sie
ihr Mitleid. Aber Passionen aus Mitleid halten nicht

ihr vergönnen, die Königin heut um eine Audienz
angehn zu dürfen.

Der Gedanke lag nahe, daß Adelheid von dem
Beſuch der Viereck erfahren.

„Das recherchirte Kind der allgemeinen Gunſt
hat nur zu commandiren. Ich kann nicht dafür, daß
Sie die Hintertreppe hinauf müſſen und Mamſell
Schadow um Vermittelung angehen; hätten Sie mich
früher Ihres Vertrauens gewürdigt, würde es, mir
wohl gelungen ſein, Sie zur Vordertreppe heraufzu¬
bringen.“

Adelheids klarer forſchender Blick durchſchaute
die Sache noch nicht.

„Die Gunſt der Großen, meine Liebe, fuhr die
Gargazin fort, iſt ein Thema, was ſtudirt ſein will.
Es iſt nur das Schlimme, daß wer ſie aus dem
Grunde ſtudirt hat, nicht weiter und nicht beſſer
daran iſt, als der Bauer und das Kind, die den
König für einen Gott halten. Wir ſind ihnen Spiel¬
zeug, das ſie auf ihren Putztiſch ſtellen, ſo lange es
ihnen gefällt. Gefällt es ihnen nicht mehr, wird's
in den Kehricht geworfen. Es iſt Täuſchung, wenn
das Spielzeug glaubt, es könne etwas dazu thun,
daß es ſie länger feſſele, als ihre Laune dauert. —
Erlauben Sie mir eine Warnung. Die Königin hat
ſich für Sie intereſſirt, als Sie ihr noch fern waren,
das Gerede der Leute, Ihr Ruf vermehrte die
Attractionskraft; neulich auf dem Ball erregten Sie
ihr Mitleid. Aber Paſſionen aus Mitleid halten nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0101" n="91"/>
ihr vergönnen, die Königin heut um eine Audienz<lb/>
angehn zu dürfen.</p><lb/>
        <p>Der Gedanke lag nahe, daß Adelheid von dem<lb/>
Be&#x017F;uch der Viereck erfahren.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das recherchirte Kind der allgemeinen Gun&#x017F;t<lb/>
hat nur zu commandiren. Ich kann nicht dafür, daß<lb/>
Sie die Hintertreppe hinauf mü&#x017F;&#x017F;en und Mam&#x017F;ell<lb/>
Schadow um Vermittelung angehen; hätten Sie mich<lb/>
früher Ihres Vertrauens gewürdigt, würde es, mir<lb/>
wohl gelungen &#x017F;ein, Sie zur Vordertreppe heraufzu¬<lb/>
bringen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Adelheids klarer for&#x017F;chender Blick durch&#x017F;chaute<lb/>
die Sache noch nicht.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Gun&#x017F;t der Großen, meine Liebe, fuhr die<lb/>
Gargazin fort, i&#x017F;t ein Thema, was &#x017F;tudirt &#x017F;ein will.<lb/>
Es i&#x017F;t nur das Schlimme, daß wer &#x017F;ie aus dem<lb/>
Grunde &#x017F;tudirt hat, nicht weiter und nicht be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
daran i&#x017F;t, als der Bauer und das Kind, die den<lb/>
König für einen Gott halten. Wir &#x017F;ind ihnen Spiel¬<lb/>
zeug, das &#x017F;ie auf ihren Putzti&#x017F;ch &#x017F;tellen, &#x017F;o lange es<lb/>
ihnen gefällt. Gefällt es ihnen nicht mehr, wird's<lb/>
in den Kehricht geworfen. Es i&#x017F;t Täu&#x017F;chung, wenn<lb/>
das Spielzeug glaubt, es könne etwas dazu thun,<lb/>
daß es &#x017F;ie länger fe&#x017F;&#x017F;ele, als ihre Laune dauert. &#x2014;<lb/>
Erlauben Sie mir eine Warnung. Die Königin hat<lb/>
&#x017F;ich für Sie intere&#x017F;&#x017F;irt, als Sie ihr noch fern waren,<lb/>
das Gerede der Leute, Ihr Ruf vermehrte die<lb/>
Attractionskraft; neulich auf dem Ball erregten Sie<lb/>
ihr Mitleid. Aber Pa&#x017F;&#x017F;ionen aus Mitleid halten nicht<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0101] ihr vergönnen, die Königin heut um eine Audienz angehn zu dürfen. Der Gedanke lag nahe, daß Adelheid von dem Beſuch der Viereck erfahren. „Das recherchirte Kind der allgemeinen Gunſt hat nur zu commandiren. Ich kann nicht dafür, daß Sie die Hintertreppe hinauf müſſen und Mamſell Schadow um Vermittelung angehen; hätten Sie mich früher Ihres Vertrauens gewürdigt, würde es, mir wohl gelungen ſein, Sie zur Vordertreppe heraufzu¬ bringen.“ Adelheids klarer forſchender Blick durchſchaute die Sache noch nicht. „Die Gunſt der Großen, meine Liebe, fuhr die Gargazin fort, iſt ein Thema, was ſtudirt ſein will. Es iſt nur das Schlimme, daß wer ſie aus dem Grunde ſtudirt hat, nicht weiter und nicht beſſer daran iſt, als der Bauer und das Kind, die den König für einen Gott halten. Wir ſind ihnen Spiel¬ zeug, das ſie auf ihren Putztiſch ſtellen, ſo lange es ihnen gefällt. Gefällt es ihnen nicht mehr, wird's in den Kehricht geworfen. Es iſt Täuſchung, wenn das Spielzeug glaubt, es könne etwas dazu thun, daß es ſie länger feſſele, als ihre Laune dauert. — Erlauben Sie mir eine Warnung. Die Königin hat ſich für Sie intereſſirt, als Sie ihr noch fern waren, das Gerede der Leute, Ihr Ruf vermehrte die Attractionskraft; neulich auf dem Ball erregten Sie ihr Mitleid. Aber Paſſionen aus Mitleid halten nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/101
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/101>, abgerufen am 23.11.2024.