so an. Die alte Zeit ist abgelaufen, aller Widerstand ist Thorheit -- der neue Titane zerschlägt dem alten Sonnengott den Karren, die Splitter und Funken fliegen durchs Weltall. Duck Dich in eine Höhle, wenn Du eine findest, und wenn Du lebendig bleibst, gaffe ihm nach, wohin er seinen Feuerball peitscht. Ich weiß es nicht."
"Und doch, sprach Walter, ihm nachblickend, als er ohne Abschiedsgruß nach der Stadt gegangen, doch würdest Du der Erste sein, wenn --" Er folgte ihm.
Seltsam, als Walter in das Haus des Geheim¬ rath Lupinus trat, sollte er eine Unterhaltung über¬ stehen, die denselben Gegenstand hatte.
Er fand den gealterten Mann kränkelnd. Er hustete viel. Walter meinte, das Zimmer sei wohl lange nicht gelüftet, der Bücherstaub habe etwas Drückendes.
Der Geheimrath hörte ihn mit Freundlichkeit an.
"Gewöhnen wir uns doch daran, das Leben als eine Gewohnheit zu betrachten, dann fällt so Vieles fort, was uns sonst quält und ängstet. Ist nicht der am glücklichsten, der nichts in seiner Lebensweise än¬ dert? Wer immer ändert, stellt damit nur ein Te¬ stimonium aus, daß er nie zufrieden war. Ich weiß es, ich werde sterben, vielleicht bald, aber Sie werden noch lange leben; nun lassen Sie uns von Ihnen reden. Da ist Herr Niebuhr nun angekommen. Er wird bestimmt angestellt, und wahrscheinlich in eini¬ gen Wochen schon ist er Bancodirector mit dem Titel
4*
ſo an. Die alte Zeit iſt abgelaufen, aller Widerſtand iſt Thorheit — der neue Titane zerſchlägt dem alten Sonnengott den Karren, die Splitter und Funken fliegen durchs Weltall. Duck Dich in eine Höhle, wenn Du eine findeſt, und wenn Du lebendig bleibſt, gaffe ihm nach, wohin er ſeinen Feuerball peitſcht. Ich weiß es nicht.“
„Und doch, ſprach Walter, ihm nachblickend, als er ohne Abſchiedsgruß nach der Stadt gegangen, doch würdeſt Du der Erſte ſein, wenn —“ Er folgte ihm.
Seltſam, als Walter in das Haus des Geheim¬ rath Lupinus trat, ſollte er eine Unterhaltung über¬ ſtehen, die denſelben Gegenſtand hatte.
Er fand den gealterten Mann kränkelnd. Er huſtete viel. Walter meinte, das Zimmer ſei wohl lange nicht gelüftet, der Bücherſtaub habe etwas Drückendes.
Der Geheimrath hörte ihn mit Freundlichkeit an.
„Gewöhnen wir uns doch daran, das Leben als eine Gewohnheit zu betrachten, dann fällt ſo Vieles fort, was uns ſonſt quält und ängſtet. Iſt nicht der am glücklichſten, der nichts in ſeiner Lebensweiſe än¬ dert? Wer immer ändert, ſtellt damit nur ein Te¬ ſtimonium aus, daß er nie zufrieden war. Ich weiß es, ich werde ſterben, vielleicht bald, aber Sie werden noch lange leben; nun laſſen Sie uns von Ihnen reden. Da iſt Herr Niebuhr nun angekommen. Er wird beſtimmt angeſtellt, und wahrſcheinlich in eini¬ gen Wochen ſchon iſt er Bancodirector mit dem Titel
4*
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0061"n="51"/>ſo an. Die alte Zeit iſt abgelaufen, aller Widerſtand<lb/>
iſt Thorheit — der neue Titane zerſchlägt dem alten<lb/>
Sonnengott den Karren, die Splitter und Funken<lb/>
fliegen durchs Weltall. Duck Dich in eine Höhle,<lb/>
wenn Du eine findeſt, und wenn Du lebendig bleibſt,<lb/>
gaffe ihm nach, wohin er ſeinen Feuerball peitſcht.<lb/>
Ich weiß es nicht.“</p><lb/><p>„Und doch, ſprach Walter, ihm nachblickend, als<lb/>
er ohne Abſchiedsgruß nach der Stadt gegangen, doch<lb/>
würdeſt Du der Erſte ſein, wenn —“ Er folgte ihm.</p><lb/><p>Seltſam, als Walter in das Haus des Geheim¬<lb/>
rath Lupinus trat, ſollte er eine Unterhaltung über¬<lb/>ſtehen, die denſelben Gegenſtand hatte.</p><lb/><p>Er fand den gealterten Mann kränkelnd. Er<lb/>
huſtete viel. Walter meinte, das Zimmer ſei wohl<lb/>
lange nicht gelüftet, der Bücherſtaub habe etwas<lb/>
Drückendes.</p><lb/><p>Der Geheimrath hörte ihn mit Freundlichkeit an.</p><lb/><p>„Gewöhnen wir uns doch daran, das Leben als<lb/>
eine Gewohnheit zu betrachten, dann fällt ſo Vieles<lb/>
fort, was uns ſonſt quält und ängſtet. Iſt nicht der<lb/>
am glücklichſten, der nichts in ſeiner Lebensweiſe än¬<lb/>
dert? Wer immer ändert, ſtellt damit nur ein Te¬<lb/>ſtimonium aus, daß er nie zufrieden war. Ich weiß<lb/>
es, ich werde ſterben, vielleicht bald, aber Sie werden<lb/>
noch lange leben; nun laſſen Sie uns von Ihnen<lb/>
reden. Da iſt Herr Niebuhr nun angekommen. Er<lb/>
wird beſtimmt angeſtellt, und wahrſcheinlich in eini¬<lb/>
gen Wochen ſchon iſt er Bancodirector mit dem Titel<lb/><fwplace="bottom"type="sig">4*<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[51/0061]
ſo an. Die alte Zeit iſt abgelaufen, aller Widerſtand
iſt Thorheit — der neue Titane zerſchlägt dem alten
Sonnengott den Karren, die Splitter und Funken
fliegen durchs Weltall. Duck Dich in eine Höhle,
wenn Du eine findeſt, und wenn Du lebendig bleibſt,
gaffe ihm nach, wohin er ſeinen Feuerball peitſcht.
Ich weiß es nicht.“
„Und doch, ſprach Walter, ihm nachblickend, als
er ohne Abſchiedsgruß nach der Stadt gegangen, doch
würdeſt Du der Erſte ſein, wenn —“ Er folgte ihm.
Seltſam, als Walter in das Haus des Geheim¬
rath Lupinus trat, ſollte er eine Unterhaltung über¬
ſtehen, die denſelben Gegenſtand hatte.
Er fand den gealterten Mann kränkelnd. Er
huſtete viel. Walter meinte, das Zimmer ſei wohl
lange nicht gelüftet, der Bücherſtaub habe etwas
Drückendes.
Der Geheimrath hörte ihn mit Freundlichkeit an.
„Gewöhnen wir uns doch daran, das Leben als
eine Gewohnheit zu betrachten, dann fällt ſo Vieles
fort, was uns ſonſt quält und ängſtet. Iſt nicht der
am glücklichſten, der nichts in ſeiner Lebensweiſe än¬
dert? Wer immer ändert, ſtellt damit nur ein Te¬
ſtimonium aus, daß er nie zufrieden war. Ich weiß
es, ich werde ſterben, vielleicht bald, aber Sie werden
noch lange leben; nun laſſen Sie uns von Ihnen
reden. Da iſt Herr Niebuhr nun angekommen. Er
wird beſtimmt angeſtellt, und wahrſcheinlich in eini¬
gen Wochen ſchon iſt er Bancodirector mit dem Titel
4*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/61>, abgerufen am 10.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.