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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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des und die Macht des Handels auch Exemplare nach
Amerika gegangen."

"Von daher haben Sie keins bezogen."

"Gewiß nicht, sie sind auch gar nicht mehr im
Handel."

"Sie haben ihm ein nachgemachtes Exemplar
gebracht."

Mit einem weichen Lächeln drückte er ihre Hand:
"Finden Sie das Unrecht, Freundin, wenn ich seit
Wochen ein solches Titelblatt nachbilden ließ! Es
kostete einige Mühe, Druckerschwärze und Papier dem
Braun des Alterthums ähnlich zu vergelben, allein
die geschickte Unger'sche Officin überwand alle Schwie¬
rigkeiten. -- Er ist so glücklich wie jener Setzer in
Leyden, ein letzter Sonnenstrahl fiel in den Dämmer¬
schein seines Lebens. Schadet es ihm, daß es nur
eine Illusion ist! Was ist denn unser Aller Glück
anderes. Sind nicht alle unsere frohen Stimmungen
auch nur das Product von Illusionen! Die frohen, meine
Gönnerin, wie die bösen. Die Wahrheit finden wir
nur in uns selbst, wenn wir alle Täuschung abgestreift."

"Ihre Leydener Geschichte, so rührend sie ist,
erinnert mich nur zu sehr an die Kindheit des Menschen¬
geschlechts. Ueber diese naiven Zustände von Ehre
sollten wir doch hinaus sein!"

Sie saßen auf dem Kanape derhalb dunklen Stube.

"Sollten! rief er, sich in die Ecke zurück leh¬
nend, und wir sind immer nur Kinder wie am ersten
Tag. Nur das Spielzeug wechseln wir, oft auch

des und die Macht des Handels auch Exemplare nach
Amerika gegangen.“

„Von daher haben Sie keins bezogen.“

„Gewiß nicht, ſie ſind auch gar nicht mehr im
Handel.“

„Sie haben ihm ein nachgemachtes Exemplar
gebracht.“

Mit einem weichen Lächeln drückte er ihre Hand:
„Finden Sie das Unrecht, Freundin, wenn ich ſeit
Wochen ein ſolches Titelblatt nachbilden ließ! Es
koſtete einige Mühe, Druckerſchwärze und Papier dem
Braun des Alterthums ähnlich zu vergelben, allein
die geſchickte Unger'ſche Officin überwand alle Schwie¬
rigkeiten. — Er iſt ſo glücklich wie jener Setzer in
Leyden, ein letzter Sonnenſtrahl fiel in den Dämmer¬
ſchein ſeines Lebens. Schadet es ihm, daß es nur
eine Illuſion iſt! Was iſt denn unſer Aller Glück
anderes. Sind nicht alle unſere frohen Stimmungen
auch nur das Product von Illuſionen! Die frohen, meine
Gönnerin, wie die böſen. Die Wahrheit finden wir
nur in uns ſelbſt, wenn wir alle Täuſchung abgeſtreift.“

„Ihre Leydener Geſchichte, ſo rührend ſie iſt,
erinnert mich nur zu ſehr an die Kindheit des Menſchen¬
geſchlechts. Ueber dieſe naiven Zuſtände von Ehre
ſollten wir doch hinaus ſein!“

Sie ſaßen auf dem Kanapé derhalb dunklen Stube.

Sollten! rief er, ſich in die Ecke zurück leh¬
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[333/0343] des und die Macht des Handels auch Exemplare nach Amerika gegangen.“ „Von daher haben Sie keins bezogen.“ „Gewiß nicht, ſie ſind auch gar nicht mehr im Handel.“ „Sie haben ihm ein nachgemachtes Exemplar gebracht.“ Mit einem weichen Lächeln drückte er ihre Hand: „Finden Sie das Unrecht, Freundin, wenn ich ſeit Wochen ein ſolches Titelblatt nachbilden ließ! Es koſtete einige Mühe, Druckerſchwärze und Papier dem Braun des Alterthums ähnlich zu vergelben, allein die geſchickte Unger'ſche Officin überwand alle Schwie¬ rigkeiten. — Er iſt ſo glücklich wie jener Setzer in Leyden, ein letzter Sonnenſtrahl fiel in den Dämmer¬ ſchein ſeines Lebens. Schadet es ihm, daß es nur eine Illuſion iſt! Was iſt denn unſer Aller Glück anderes. Sind nicht alle unſere frohen Stimmungen auch nur das Product von Illuſionen! Die frohen, meine Gönnerin, wie die böſen. Die Wahrheit finden wir nur in uns ſelbſt, wenn wir alle Täuſchung abgeſtreift.“ „Ihre Leydener Geſchichte, ſo rührend ſie iſt, erinnert mich nur zu ſehr an die Kindheit des Menſchen¬ geſchlechts. Ueber dieſe naiven Zuſtände von Ehre ſollten wir doch hinaus ſein!“ Sie ſaßen auf dem Kanapé derhalb dunklen Stube. „Sollten! rief er, ſich in die Ecke zurück leh¬ nend, und wir ſind immer nur Kinder wie am erſten Tag. Nur das Spielzeug wechſeln wir, oft auch

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/343>, abgerufen am 12.05.2024.