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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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Es giebt Momente, wo ein Kluger von einer groben,
handgreiflichen Lüge angenehmer berührt ist, als von
einer feinen, die wie ein lauer Abendwind sich als
Wahrheit in sein Herz zu schmeicheln sucht. Ihr
zweiter Blick war auf die Andern gerichtet; aber sie
waren schon verschwunden. Es war ihr lieb: "Adel¬
heid darf nichts davon erfahren," sprach sie, zum
Haushofmeister sich umwendend.

"Sie sind nun ganz d'accord, wir Sie es wün¬
schen?" warf der Legationsrath hin.

"Heut im Thiergarten scheint die letzte Scheide¬
wand gefallen."

"Welche?"

"Die Affection für ihren Lehrer. Sie haben
Recht, Wandel, es giebt auch Excesse einer geistigen
Leibeigenschaft."

"Ich hielt diese für überwunden seit jenem
Abend."

"Das Bekenntniß der Liebe stöhnte noch immer
unter den Fußklammern des Gewissens. Was der
Mensch sich selbst quälen kann! Sie hat ihm be¬
kannt, wen sie um seinetwillen geopfert, das hat
einige Thränen, Schluchzen, platonische Herzschläge
verursacht, denn die Rivalen waren Freunde, aber
sie sind auf gutem Wege."

Des Haushofmeisters Verbeugung war eine
Frage, welche die Fürstin verstand.

"Wollen Sie mit mir -- den guten Paulowitsch
sehen?" fragte die Fürstin den Legationsrath.

Es giebt Momente, wo ein Kluger von einer groben,
handgreiflichen Lüge angenehmer berührt iſt, als von
einer feinen, die wie ein lauer Abendwind ſich als
Wahrheit in ſein Herz zu ſchmeicheln ſucht. Ihr
zweiter Blick war auf die Andern gerichtet; aber ſie
waren ſchon verſchwunden. Es war ihr lieb: „Adel¬
heid darf nichts davon erfahren,“ ſprach ſie, zum
Haushofmeiſter ſich umwendend.

„Sie ſind nun ganz d'accord, wir Sie es wün¬
ſchen?“ warf der Legationsrath hin.

„Heut im Thiergarten ſcheint die letzte Scheide¬
wand gefallen.“

„Welche?“

„Die Affection für ihren Lehrer. Sie haben
Recht, Wandel, es giebt auch Exceſſe einer geiſtigen
Leibeigenſchaft.“

„Ich hielt dieſe für überwunden ſeit jenem
Abend.“

„Das Bekenntniß der Liebe ſtöhnte noch immer
unter den Fußklammern des Gewiſſens. Was der
Menſch ſich ſelbſt quälen kann! Sie hat ihm be¬
kannt, wen ſie um ſeinetwillen geopfert, das hat
einige Thränen, Schluchzen, platoniſche Herzſchläge
verurſacht, denn die Rivalen waren Freunde, aber
ſie ſind auf gutem Wege.“

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Frage, welche die Fürſtin verſtand.

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[269/0279] Es giebt Momente, wo ein Kluger von einer groben, handgreiflichen Lüge angenehmer berührt iſt, als von einer feinen, die wie ein lauer Abendwind ſich als Wahrheit in ſein Herz zu ſchmeicheln ſucht. Ihr zweiter Blick war auf die Andern gerichtet; aber ſie waren ſchon verſchwunden. Es war ihr lieb: „Adel¬ heid darf nichts davon erfahren,“ ſprach ſie, zum Haushofmeiſter ſich umwendend. „Sie ſind nun ganz d'accord, wir Sie es wün¬ ſchen?“ warf der Legationsrath hin. „Heut im Thiergarten ſcheint die letzte Scheide¬ wand gefallen.“ „Welche?“ „Die Affection für ihren Lehrer. Sie haben Recht, Wandel, es giebt auch Exceſſe einer geiſtigen Leibeigenſchaft.“ „Ich hielt dieſe für überwunden ſeit jenem Abend.“ „Das Bekenntniß der Liebe ſtöhnte noch immer unter den Fußklammern des Gewiſſens. Was der Menſch ſich ſelbſt quälen kann! Sie hat ihm be¬ kannt, wen ſie um ſeinetwillen geopfert, das hat einige Thränen, Schluchzen, platoniſche Herzſchläge verurſacht, denn die Rivalen waren Freunde, aber ſie ſind auf gutem Wege.“ Des Haushofmeiſters Verbeugung war eine Frage, welche die Fürſtin verſtand. „Wollen Sie mit mir — den guten Paulowitſch ſehen?“ fragte die Fürſtin den Legationsrath.

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/279>, abgerufen am 27.11.2024.