Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

phantasirt?" -- "Er warf sich noch einige Male
unruhig, kreuzte sich, wiederholte den Namen der
Fürstin, japste ein paar Mal auf, als wollte er
etwas sagen. Solchen Kutscher kriegen wir nicht
wieder!" hatte der Haushofmeister erwiedert.

"Warum mußte auch jetzt grade diese Störung
kommen!" sagte der Legationsrath und beugte sich
über den Lehnsessel der Fürstin.

"Wissen Sie, theuerste Freundin, mich schaudert
doch zuweilen vor der Leibeigenschaft."

Sie blickte verwundert zu ihm auf.

"Ihre beredte Vertheidigung hat mich allerdings
von der Naturnothwendigkeit des Institutes über¬
zeugt. Ich erkenne, welche unaussprechliche Wohlthat
sie für diese Geschöpfe, Familien, ja diese ganzen
Völkerschaften ist, die sich über ihre Naturdumpf¬
heit nicht erheben mögen. Ja, es ist ein berauschendes
Gefühl für die von Gott dazu Erwählten, für diese
Armen, Verlassenen, Urtheilunfähigen ihr Alles zu
sein, Vater, Mutter und Vormund, für sie zu fühlen
und zu denken, die Sorgen für unser eigen Wohl
hintanzusetzen, um für Hunderte und Tausende von
Seelen zu sorgen, welche die Vorsehung in unsre
Hand legte. Von dieser Seite erscheint auch mir die
Institution eine wunderbare, heilsame, aber der
Exceß der Gefühle von der andern Seite hat doch
etwas Bedenkliches."

Sie verstand ihn nicht.

"Was hat diesem Menschen den Tod gebracht,

phantaſirt?“ — „Er warf ſich noch einige Male
unruhig, kreuzte ſich, wiederholte den Namen der
Fürſtin, japſte ein paar Mal auf, als wollte er
etwas ſagen. Solchen Kutſcher kriegen wir nicht
wieder!“ hatte der Haushofmeiſter erwiedert.

„Warum mußte auch jetzt grade dieſe Störung
kommen!“ ſagte der Legationsrath und beugte ſich
über den Lehnſeſſel der Fürſtin.

„Wiſſen Sie, theuerſte Freundin, mich ſchaudert
doch zuweilen vor der Leibeigenſchaft.“

Sie blickte verwundert zu ihm auf.

„Ihre beredte Vertheidigung hat mich allerdings
von der Naturnothwendigkeit des Inſtitutes über¬
zeugt. Ich erkenne, welche unausſprechliche Wohlthat
ſie für dieſe Geſchöpfe, Familien, ja dieſe ganzen
Völkerſchaften iſt, die ſich über ihre Naturdumpf¬
heit nicht erheben mögen. Ja, es iſt ein berauſchendes
Gefühl für die von Gott dazu Erwählten, für dieſe
Armen, Verlaſſenen, Urtheilunfähigen ihr Alles zu
ſein, Vater, Mutter und Vormund, für ſie zu fühlen
und zu denken, die Sorgen für unſer eigen Wohl
hintanzuſetzen, um für Hunderte und Tauſende von
Seelen zu ſorgen, welche die Vorſehung in unſre
Hand legte. Von dieſer Seite erſcheint auch mir die
Inſtitution eine wunderbare, heilſame, aber der
Exceß der Gefühle von der andern Seite hat doch
etwas Bedenkliches.“

Sie verſtand ihn nicht.

„Was hat dieſem Menſchen den Tod gebracht,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0277" n="267"/>
phanta&#x017F;irt?&#x201C; &#x2014; &#x201E;Er warf &#x017F;ich noch einige Male<lb/>
unruhig, kreuzte &#x017F;ich, wiederholte den Namen der<lb/>
Für&#x017F;tin, jap&#x017F;te ein paar Mal auf, als wollte er<lb/>
etwas &#x017F;agen. Solchen Kut&#x017F;cher kriegen wir nicht<lb/>
wieder!&#x201C; hatte der Haushofmei&#x017F;ter erwiedert.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Warum mußte auch jetzt grade die&#x017F;e Störung<lb/>
kommen!&#x201C; &#x017F;agte der Legationsrath und beugte &#x017F;ich<lb/>
über den Lehn&#x017F;e&#x017F;&#x017F;el der Für&#x017F;tin.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wi&#x017F;&#x017F;en Sie, theuer&#x017F;te Freundin, mich &#x017F;chaudert<lb/>
doch zuweilen vor der Leibeigen&#x017F;chaft.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Sie blickte verwundert zu ihm auf.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ihre beredte Vertheidigung hat mich allerdings<lb/>
von der Naturnothwendigkeit des In&#x017F;titutes über¬<lb/>
zeugt. Ich erkenne, welche unaus&#x017F;prechliche Wohlthat<lb/>
&#x017F;ie für die&#x017F;e Ge&#x017F;chöpfe, Familien, ja die&#x017F;e ganzen<lb/>
Völker&#x017F;chaften i&#x017F;t, die &#x017F;ich über ihre Naturdumpf¬<lb/>
heit nicht erheben mögen. Ja, es i&#x017F;t ein berau&#x017F;chendes<lb/>
Gefühl für die von Gott dazu Erwählten, für die&#x017F;e<lb/>
Armen, Verla&#x017F;&#x017F;enen, Urtheilunfähigen ihr Alles zu<lb/>
&#x017F;ein, Vater, Mutter und Vormund, für &#x017F;ie zu fühlen<lb/>
und zu denken, die Sorgen für un&#x017F;er eigen Wohl<lb/>
hintanzu&#x017F;etzen, um für Hunderte und Tau&#x017F;ende von<lb/>
Seelen zu &#x017F;orgen, welche die Vor&#x017F;ehung in un&#x017F;re<lb/>
Hand legte. Von die&#x017F;er Seite er&#x017F;cheint auch mir die<lb/>
In&#x017F;titution eine wunderbare, heil&#x017F;ame, aber der<lb/>
Exceß der Gefühle von der andern Seite hat doch<lb/>
etwas Bedenkliches.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Sie ver&#x017F;tand ihn nicht.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was hat die&#x017F;em Men&#x017F;chen den Tod gebracht,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[267/0277] phantaſirt?“ — „Er warf ſich noch einige Male unruhig, kreuzte ſich, wiederholte den Namen der Fürſtin, japſte ein paar Mal auf, als wollte er etwas ſagen. Solchen Kutſcher kriegen wir nicht wieder!“ hatte der Haushofmeiſter erwiedert. „Warum mußte auch jetzt grade dieſe Störung kommen!“ ſagte der Legationsrath und beugte ſich über den Lehnſeſſel der Fürſtin. „Wiſſen Sie, theuerſte Freundin, mich ſchaudert doch zuweilen vor der Leibeigenſchaft.“ Sie blickte verwundert zu ihm auf. „Ihre beredte Vertheidigung hat mich allerdings von der Naturnothwendigkeit des Inſtitutes über¬ zeugt. Ich erkenne, welche unausſprechliche Wohlthat ſie für dieſe Geſchöpfe, Familien, ja dieſe ganzen Völkerſchaften iſt, die ſich über ihre Naturdumpf¬ heit nicht erheben mögen. Ja, es iſt ein berauſchendes Gefühl für die von Gott dazu Erwählten, für dieſe Armen, Verlaſſenen, Urtheilunfähigen ihr Alles zu ſein, Vater, Mutter und Vormund, für ſie zu fühlen und zu denken, die Sorgen für unſer eigen Wohl hintanzuſetzen, um für Hunderte und Tauſende von Seelen zu ſorgen, welche die Vorſehung in unſre Hand legte. Von dieſer Seite erſcheint auch mir die Inſtitution eine wunderbare, heilſame, aber der Exceß der Gefühle von der andern Seite hat doch etwas Bedenkliches.“ Sie verſtand ihn nicht. „Was hat dieſem Menſchen den Tod gebracht,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/277
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/277>, abgerufen am 27.11.2024.