phantasirt?" -- "Er warf sich noch einige Male unruhig, kreuzte sich, wiederholte den Namen der Fürstin, japste ein paar Mal auf, als wollte er etwas sagen. Solchen Kutscher kriegen wir nicht wieder!" hatte der Haushofmeister erwiedert.
"Warum mußte auch jetzt grade diese Störung kommen!" sagte der Legationsrath und beugte sich über den Lehnsessel der Fürstin.
"Wissen Sie, theuerste Freundin, mich schaudert doch zuweilen vor der Leibeigenschaft."
Sie blickte verwundert zu ihm auf.
"Ihre beredte Vertheidigung hat mich allerdings von der Naturnothwendigkeit des Institutes über¬ zeugt. Ich erkenne, welche unaussprechliche Wohlthat sie für diese Geschöpfe, Familien, ja diese ganzen Völkerschaften ist, die sich über ihre Naturdumpf¬ heit nicht erheben mögen. Ja, es ist ein berauschendes Gefühl für die von Gott dazu Erwählten, für diese Armen, Verlassenen, Urtheilunfähigen ihr Alles zu sein, Vater, Mutter und Vormund, für sie zu fühlen und zu denken, die Sorgen für unser eigen Wohl hintanzusetzen, um für Hunderte und Tausende von Seelen zu sorgen, welche die Vorsehung in unsre Hand legte. Von dieser Seite erscheint auch mir die Institution eine wunderbare, heilsame, aber der Exceß der Gefühle von der andern Seite hat doch etwas Bedenkliches."
Sie verstand ihn nicht.
"Was hat diesem Menschen den Tod gebracht,
phantaſirt?“ — „Er warf ſich noch einige Male unruhig, kreuzte ſich, wiederholte den Namen der Fürſtin, japſte ein paar Mal auf, als wollte er etwas ſagen. Solchen Kutſcher kriegen wir nicht wieder!“ hatte der Haushofmeiſter erwiedert.
„Warum mußte auch jetzt grade dieſe Störung kommen!“ ſagte der Legationsrath und beugte ſich über den Lehnſeſſel der Fürſtin.
„Wiſſen Sie, theuerſte Freundin, mich ſchaudert doch zuweilen vor der Leibeigenſchaft.“
Sie blickte verwundert zu ihm auf.
„Ihre beredte Vertheidigung hat mich allerdings von der Naturnothwendigkeit des Inſtitutes über¬ zeugt. Ich erkenne, welche unausſprechliche Wohlthat ſie für dieſe Geſchöpfe, Familien, ja dieſe ganzen Völkerſchaften iſt, die ſich über ihre Naturdumpf¬ heit nicht erheben mögen. Ja, es iſt ein berauſchendes Gefühl für die von Gott dazu Erwählten, für dieſe Armen, Verlaſſenen, Urtheilunfähigen ihr Alles zu ſein, Vater, Mutter und Vormund, für ſie zu fühlen und zu denken, die Sorgen für unſer eigen Wohl hintanzuſetzen, um für Hunderte und Tauſende von Seelen zu ſorgen, welche die Vorſehung in unſre Hand legte. Von dieſer Seite erſcheint auch mir die Inſtitution eine wunderbare, heilſame, aber der Exceß der Gefühle von der andern Seite hat doch etwas Bedenkliches.“
Sie verſtand ihn nicht.
„Was hat dieſem Menſchen den Tod gebracht,
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phantaſirt?“ — „Er warf ſich noch einige Male
unruhig, kreuzte ſich, wiederholte den Namen der
Fürſtin, japſte ein paar Mal auf, als wollte er
etwas ſagen. Solchen Kutſcher kriegen wir nicht
wieder!“ hatte der Haushofmeiſter erwiedert.
„Warum mußte auch jetzt grade dieſe Störung
kommen!“ ſagte der Legationsrath und beugte ſich
über den Lehnſeſſel der Fürſtin.
„Wiſſen Sie, theuerſte Freundin, mich ſchaudert
doch zuweilen vor der Leibeigenſchaft.“
Sie blickte verwundert zu ihm auf.
„Ihre beredte Vertheidigung hat mich allerdings
von der Naturnothwendigkeit des Inſtitutes über¬
zeugt. Ich erkenne, welche unausſprechliche Wohlthat
ſie für dieſe Geſchöpfe, Familien, ja dieſe ganzen
Völkerſchaften iſt, die ſich über ihre Naturdumpf¬
heit nicht erheben mögen. Ja, es iſt ein berauſchendes
Gefühl für die von Gott dazu Erwählten, für dieſe
Armen, Verlaſſenen, Urtheilunfähigen ihr Alles zu
ſein, Vater, Mutter und Vormund, für ſie zu fühlen
und zu denken, die Sorgen für unſer eigen Wohl
hintanzuſetzen, um für Hunderte und Tauſende von
Seelen zu ſorgen, welche die Vorſehung in unſre
Hand legte. Von dieſer Seite erſcheint auch mir die
Inſtitution eine wunderbare, heilſame, aber der
Exceß der Gefühle von der andern Seite hat doch
etwas Bedenkliches.“
Sie verſtand ihn nicht.
„Was hat dieſem Menſchen den Tod gebracht,
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/277>, abgerufen am 18.07.2024.
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