Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

in's Gesicht sehen." Der Minister sah ihm, kaum
zwei Schritt entfernt, in's Gesicht. War das wieder
eine seiner eigenthümlichen reparations d'honneur, oder
sollte es eine neue Prüfung sein? Der Minister
dachte an beides nicht. Er übersann ein Thema, mit
dem er nicht fertig werden mochte, er steckte das
Gedenkbuch wieder in die Tasche:

"Es ist gut, ein ander Mal."

Was sollte das heißen? -- Er bestimmte ihm
einen andern Tag. Nein, morgen; überhaupt erwarte
er ihn jeden Tag um die und die Stunde. Weshalb?
Wozu?

"Die Form Ihrer Anstellung wird sich später
finden. Die Branche, für die Sie sich eignen, muß
sich erst ermitteln."

Walter sah ihn in stummer Verwunderung an:

"Eben war ich auf's Schmerzlichste in meiner
Ehre gekränkt--"

"Das ist ausgeglichen, fiel der Andere ein.
Sie wollen Ihre Freiheit aufgeben, sich dem Staats¬
dienst widmen. Ich nehme Ihr Anerbieten an. Wie
gesagt, bis sich etwas Bestimmteres findet, betrachte
ich Sie als meinen Privat-Secretair. Ich kann in
vielen Dingen Ihre Feder gebrauchen."

"Ich bin noch nicht gereinigt. Nach einer so
schweren Anklage muß der Angeschuldigte auf einen
klaren Richterspruch bestehen."

"Sind Sie so punktiliös? Ich sprach mit
Fuchsius. Die Sache klärt sich einfach auf. Während

IV. 15

in's Geſicht ſehen.“ Der Miniſter ſah ihm, kaum
zwei Schritt entfernt, in's Geſicht. War das wieder
eine ſeiner eigenthümlichen réparations d'honneur, oder
ſollte es eine neue Prüfung ſein? Der Miniſter
dachte an beides nicht. Er überſann ein Thema, mit
dem er nicht fertig werden mochte, er ſteckte das
Gedenkbuch wieder in die Taſche:

„Es iſt gut, ein ander Mal.“

Was ſollte das heißen? — Er beſtimmte ihm
einen andern Tag. Nein, morgen; überhaupt erwarte
er ihn jeden Tag um die und die Stunde. Weshalb?
Wozu?

„Die Form Ihrer Anſtellung wird ſich ſpäter
finden. Die Branche, für die Sie ſich eignen, muß
ſich erſt ermitteln.“

Walter ſah ihn in ſtummer Verwunderung an:

„Eben war ich auf's Schmerzlichſte in meiner
Ehre gekränkt—“

„Das iſt ausgeglichen, fiel der Andere ein.
Sie wollen Ihre Freiheit aufgeben, ſich dem Staats¬
dienſt widmen. Ich nehme Ihr Anerbieten an. Wie
geſagt, bis ſich etwas Beſtimmteres findet, betrachte
ich Sie als meinen Privat-Secretair. Ich kann in
vielen Dingen Ihre Feder gebrauchen.“

„Ich bin noch nicht gereinigt. Nach einer ſo
ſchweren Anklage muß der Angeſchuldigte auf einen
klaren Richterſpruch beſtehen.“

„Sind Sie ſo punktiliös? Ich ſprach mit
Fuchſius. Die Sache klärt ſich einfach auf. Während

IV. 15
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0235" n="225"/>
in's Ge&#x017F;icht &#x017F;ehen.&#x201C; Der Mini&#x017F;ter &#x017F;ah ihm, kaum<lb/>
zwei Schritt entfernt, in's Ge&#x017F;icht. War das wieder<lb/>
eine &#x017F;einer eigenthümlichen <hi rendition="#aq">réparations d'honneur</hi>, oder<lb/>
&#x017F;ollte es eine neue Prüfung &#x017F;ein? Der Mini&#x017F;ter<lb/>
dachte an beides nicht. Er über&#x017F;ann ein Thema, mit<lb/>
dem er nicht fertig werden mochte, er &#x017F;teckte das<lb/>
Gedenkbuch wieder in die Ta&#x017F;che:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es i&#x017F;t gut, ein ander Mal.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Was &#x017F;ollte das heißen? &#x2014; Er be&#x017F;timmte ihm<lb/>
einen andern Tag. Nein, morgen; überhaupt erwarte<lb/>
er ihn jeden Tag um die und die Stunde. Weshalb?<lb/>
Wozu?</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Form Ihrer An&#x017F;tellung wird &#x017F;ich &#x017F;päter<lb/>
finden. Die Branche, für die Sie &#x017F;ich eignen, muß<lb/>
&#x017F;ich er&#x017F;t ermitteln.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Walter &#x017F;ah ihn in &#x017F;tummer Verwunderung an:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Eben war ich auf's Schmerzlich&#x017F;te in meiner<lb/>
Ehre gekränkt&#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das i&#x017F;t ausgeglichen, fiel der Andere ein.<lb/>
Sie wollen Ihre Freiheit aufgeben, &#x017F;ich dem Staats¬<lb/>
dien&#x017F;t widmen. Ich nehme Ihr Anerbieten an. Wie<lb/>
ge&#x017F;agt, bis &#x017F;ich etwas Be&#x017F;timmteres findet, betrachte<lb/>
ich Sie als meinen Privat-Secretair. Ich kann in<lb/>
vielen Dingen Ihre Feder gebrauchen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich bin noch nicht gereinigt. Nach einer &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chweren Anklage muß der Ange&#x017F;chuldigte auf einen<lb/>
klaren Richter&#x017F;pruch be&#x017F;tehen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sind Sie &#x017F;o punktiliös? Ich &#x017F;prach mit<lb/>
Fuch&#x017F;ius. Die Sache klärt &#x017F;ich einfach auf. Während<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">IV</hi>. 15<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[225/0235] in's Geſicht ſehen.“ Der Miniſter ſah ihm, kaum zwei Schritt entfernt, in's Geſicht. War das wieder eine ſeiner eigenthümlichen réparations d'honneur, oder ſollte es eine neue Prüfung ſein? Der Miniſter dachte an beides nicht. Er überſann ein Thema, mit dem er nicht fertig werden mochte, er ſteckte das Gedenkbuch wieder in die Taſche: „Es iſt gut, ein ander Mal.“ Was ſollte das heißen? — Er beſtimmte ihm einen andern Tag. Nein, morgen; überhaupt erwarte er ihn jeden Tag um die und die Stunde. Weshalb? Wozu? „Die Form Ihrer Anſtellung wird ſich ſpäter finden. Die Branche, für die Sie ſich eignen, muß ſich erſt ermitteln.“ Walter ſah ihn in ſtummer Verwunderung an: „Eben war ich auf's Schmerzlichſte in meiner Ehre gekränkt—“ „Das iſt ausgeglichen, fiel der Andere ein. Sie wollen Ihre Freiheit aufgeben, ſich dem Staats¬ dienſt widmen. Ich nehme Ihr Anerbieten an. Wie geſagt, bis ſich etwas Beſtimmteres findet, betrachte ich Sie als meinen Privat-Secretair. Ich kann in vielen Dingen Ihre Feder gebrauchen.“ „Ich bin noch nicht gereinigt. Nach einer ſo ſchweren Anklage muß der Angeſchuldigte auf einen klaren Richterſpruch beſtehen.“ „Sind Sie ſo punktiliös? Ich ſprach mit Fuchſius. Die Sache klärt ſich einfach auf. Während IV. 15

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/235
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/235>, abgerufen am 25.11.2024.