Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

sprochen haben, daß ein freies Bekenntniß, eine un¬
verhüllte Beichte die Hälfte der Schuld lösche, und
der Weg zur Läuterung sei. Wenn etwas davon
auf seinen Lippen schwebte, ward es zurückgedrängt
durch die aufrechte Haltung des Andern. Er begeg¬
nete nur dem Blick des Selbstbewußtseins.

"Sie wollen nicht?" -- Eine Bewegung deutete
dem jungen Mann an, daß er entlassen sei.

Walter verbeugte sich und ging. Der Minister
schien es nicht erwartet zu haben: "Sie haben mir
nichts mehr zu sagen?" wandte er sich noch ein
Mal um.

"Seit Sie mir zu sprechen verboten haben. Ich
würde sonst, was Excellenz vielleicht entgangen, be¬
merklich gemacht haben, daß es Buchhändlerart ist,
auf Druckschriften, die am Ende eines Jahres er¬
scheinen, die Jahreszahl des folgenden zu setzen; daß
ferner unter meinem Vorwort das Datum steht, an
dem ich die Schrift vollendet, und das war schon
in der Mitte vorigen Jahres, also ehe Euer Excellenz
Herrn von Fuchsius die Aufgabe stellten; ferner, wenn
es in einer so unwichtigen Angelegenheit darauf an¬
käme, könnte ich durch den Buchdrucker mein Manu¬
script, durch das Zeugniß von Freunden darlegen,
wie ich die betreffenden Stellen bereits Anfang vori¬
gen Jahres niedergeschrieben hatte. Ich könnte auch
bemerken, daß aus einer gedruckten Schrift, welche
beinahe ein Jahr circulirt, sich leichter Auszüge
machen lassen, als aus einer schriftlichen, die im

ſprochen haben, daß ein freies Bekenntniß, eine un¬
verhüllte Beichte die Hälfte der Schuld löſche, und
der Weg zur Läuterung ſei. Wenn etwas davon
auf ſeinen Lippen ſchwebte, ward es zurückgedrängt
durch die aufrechte Haltung des Andern. Er begeg¬
nete nur dem Blick des Selbſtbewußtſeins.

„Sie wollen nicht?“ — Eine Bewegung deutete
dem jungen Mann an, daß er entlaſſen ſei.

Walter verbeugte ſich und ging. Der Miniſter
ſchien es nicht erwartet zu haben: „Sie haben mir
nichts mehr zu ſagen?“ wandte er ſich noch ein
Mal um.

„Seit Sie mir zu ſprechen verboten haben. Ich
würde ſonſt, was Excellenz vielleicht entgangen, be¬
merklich gemacht haben, daß es Buchhändlerart iſt,
auf Druckſchriften, die am Ende eines Jahres er¬
ſcheinen, die Jahreszahl des folgenden zu ſetzen; daß
ferner unter meinem Vorwort das Datum ſteht, an
dem ich die Schrift vollendet, und das war ſchon
in der Mitte vorigen Jahres, alſo ehe Euer Excellenz
Herrn von Fuchſius die Aufgabe ſtellten; ferner, wenn
es in einer ſo unwichtigen Angelegenheit darauf an¬
käme, könnte ich durch den Buchdrucker mein Manu¬
ſcript, durch das Zeugniß von Freunden darlegen,
wie ich die betreffenden Stellen bereits Anfang vori¬
gen Jahres niedergeſchrieben hatte. Ich könnte auch
bemerken, daß aus einer gedruckten Schrift, welche
beinahe ein Jahr circulirt, ſich leichter Auszüge
machen laſſen, als aus einer ſchriftlichen, die im

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0201" n="191"/>
&#x017F;prochen haben, daß ein freies Bekenntniß, eine un¬<lb/>
verhüllte Beichte die Hälfte der Schuld lö&#x017F;che, und<lb/>
der Weg zur Läuterung &#x017F;ei. Wenn etwas davon<lb/>
auf &#x017F;einen Lippen &#x017F;chwebte, ward es zurückgedrängt<lb/>
durch die aufrechte Haltung des Andern. Er begeg¬<lb/>
nete nur dem Blick des Selb&#x017F;tbewußt&#x017F;eins.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie wollen nicht?&#x201C; &#x2014; Eine Bewegung deutete<lb/>
dem jungen Mann an, daß er entla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ei.</p><lb/>
        <p>Walter verbeugte &#x017F;ich und ging. Der Mini&#x017F;ter<lb/>
&#x017F;chien es nicht erwartet zu haben: &#x201E;Sie haben mir<lb/>
nichts mehr zu &#x017F;agen?&#x201C; wandte er &#x017F;ich noch ein<lb/>
Mal um.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Seit Sie mir zu &#x017F;prechen verboten haben. Ich<lb/>
würde &#x017F;on&#x017F;t, was Excellenz vielleicht entgangen, be¬<lb/>
merklich gemacht haben, daß es Buchhändlerart i&#x017F;t,<lb/>
auf Druck&#x017F;chriften, die am Ende eines Jahres er¬<lb/>
&#x017F;cheinen, die Jahreszahl des folgenden zu &#x017F;etzen; daß<lb/>
ferner unter meinem Vorwort das Datum &#x017F;teht, an<lb/>
dem ich die Schrift vollendet, und das war &#x017F;chon<lb/>
in der Mitte vorigen Jahres, al&#x017F;o ehe Euer Excellenz<lb/>
Herrn von Fuch&#x017F;ius die Aufgabe &#x017F;tellten; ferner, wenn<lb/>
es in einer &#x017F;o unwichtigen Angelegenheit darauf an¬<lb/>
käme, könnte ich durch den Buchdrucker mein Manu¬<lb/>
&#x017F;cript, durch das Zeugniß von Freunden darlegen,<lb/>
wie ich die betreffenden Stellen bereits Anfang vori¬<lb/>
gen Jahres niederge&#x017F;chrieben hatte. Ich könnte auch<lb/>
bemerken, daß aus einer gedruckten Schrift, welche<lb/>
beinahe ein Jahr circulirt, &#x017F;ich leichter Auszüge<lb/>
machen la&#x017F;&#x017F;en, als aus einer &#x017F;chriftlichen, die im<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[191/0201] ſprochen haben, daß ein freies Bekenntniß, eine un¬ verhüllte Beichte die Hälfte der Schuld löſche, und der Weg zur Läuterung ſei. Wenn etwas davon auf ſeinen Lippen ſchwebte, ward es zurückgedrängt durch die aufrechte Haltung des Andern. Er begeg¬ nete nur dem Blick des Selbſtbewußtſeins. „Sie wollen nicht?“ — Eine Bewegung deutete dem jungen Mann an, daß er entlaſſen ſei. Walter verbeugte ſich und ging. Der Miniſter ſchien es nicht erwartet zu haben: „Sie haben mir nichts mehr zu ſagen?“ wandte er ſich noch ein Mal um. „Seit Sie mir zu ſprechen verboten haben. Ich würde ſonſt, was Excellenz vielleicht entgangen, be¬ merklich gemacht haben, daß es Buchhändlerart iſt, auf Druckſchriften, die am Ende eines Jahres er¬ ſcheinen, die Jahreszahl des folgenden zu ſetzen; daß ferner unter meinem Vorwort das Datum ſteht, an dem ich die Schrift vollendet, und das war ſchon in der Mitte vorigen Jahres, alſo ehe Euer Excellenz Herrn von Fuchſius die Aufgabe ſtellten; ferner, wenn es in einer ſo unwichtigen Angelegenheit darauf an¬ käme, könnte ich durch den Buchdrucker mein Manu¬ ſcript, durch das Zeugniß von Freunden darlegen, wie ich die betreffenden Stellen bereits Anfang vori¬ gen Jahres niedergeſchrieben hatte. Ich könnte auch bemerken, daß aus einer gedruckten Schrift, welche beinahe ein Jahr circulirt, ſich leichter Auszüge machen laſſen, als aus einer ſchriftlichen, die im

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/201
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/201>, abgerufen am 28.04.2024.