Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

schlüsse ändern, dann -- mein Herr, wir sind Kauf¬
leute, Phantasieen und Fanatismus, zu manchen Ge¬
schäften gut, um den Impuls zu geben, tragen wir
in unserm Contobuch nur unter dem Riscontro ein.
Napoleon ist ein großer Speculant, er setzte bisher
Alles auf eine Karte; so lange trauten wir ihm nicht.
Seit er aber im fortdauernden Gewinnen und sich
immer consequent ist, dürfte England dahin kommen,
ihn als einen solidern Kaufmann zu betrachten, mit
dem es sich wohl einmal auf ein Geschäft einlassen
könnte."

"Pitts Nachfolger werden und können sich auf
eine Associeschaft mit Bonaparte niemals einlassen."

"Alle Vorstellungen täuschen, sobald die Rech¬
nung ein andres Facit giebt."

Der deutsche Staatsmann sah ihn scharf an:
"Mylord, ich habe mir die Achtung vor dem Cha¬
rakter bewahrt, auch in der Politik -- und ich glaube,
nie falsch gerechnet zu haben. Ein wirklicher Cha¬
racter stimmt mit den Gesetzen der Mathematik.
Die Maske ist zu durchsichtig. Wo könnte England
gewinnen?"

"Wenn es die schwankende, haltungslose Politik
derer, die seine Freude sein müßten und es nicht
sind, sich selbst überläßt, und mit dem starken Feinde
ein einfaches Geschäft macht, Zug um Zug?"

Der Britte sah sich vorsichtig um. Indem sein
Blick auf Walter fiel, dämpfte er die Stimme. Es
war ein stilles Zwiegespräch von einigen Secunden.

12*

ſchlüſſe ändern, dann — mein Herr, wir ſind Kauf¬
leute, Phantaſieen und Fanatismus, zu manchen Ge¬
ſchäften gut, um den Impuls zu geben, tragen wir
in unſerm Contobuch nur unter dem Riscontro ein.
Napoleon iſt ein großer Speculant, er ſetzte bisher
Alles auf eine Karte; ſo lange trauten wir ihm nicht.
Seit er aber im fortdauernden Gewinnen und ſich
immer conſequent iſt, dürfte England dahin kommen,
ihn als einen ſolidern Kaufmann zu betrachten, mit
dem es ſich wohl einmal auf ein Geſchäft einlaſſen
könnte.“

„Pitts Nachfolger werden und können ſich auf
eine Aſſociéſchaft mit Bonaparte niemals einlaſſen.“

„Alle Vorſtellungen täuſchen, ſobald die Rech¬
nung ein andres Facit giebt.“

Der deutſche Staatsmann ſah ihn ſcharf an:
„Mylord, ich habe mir die Achtung vor dem Cha¬
rakter bewahrt, auch in der Politik — und ich glaube,
nie falſch gerechnet zu haben. Ein wirklicher Cha¬
racter ſtimmt mit den Geſetzen der Mathematik.
Die Maske iſt zu durchſichtig. Wo könnte England
gewinnen?“

„Wenn es die ſchwankende, haltungsloſe Politik
derer, die ſeine Freude ſein müßten und es nicht
ſind, ſich ſelbſt überläßt, und mit dem ſtarken Feinde
ein einfaches Geſchäft macht, Zug um Zug?“

Der Britte ſah ſich vorſichtig um. Indem ſein
Blick auf Walter fiel, dämpfte er die Stimme. Es
war ein ſtilles Zwiegeſpräch von einigen Secunden.

12*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0189" n="179"/>
&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e ändern, dann &#x2014; mein Herr, wir &#x017F;ind Kauf¬<lb/>
leute, Phanta&#x017F;ieen und Fanatismus, zu manchen Ge¬<lb/>
&#x017F;chäften gut, um den Impuls zu geben, tragen wir<lb/>
in un&#x017F;erm Contobuch nur unter dem Riscontro ein.<lb/>
Napoleon i&#x017F;t ein großer Speculant, er &#x017F;etzte bisher<lb/>
Alles auf eine Karte; &#x017F;o lange trauten wir ihm nicht.<lb/>
Seit er aber im fortdauernden Gewinnen und &#x017F;ich<lb/>
immer con&#x017F;equent i&#x017F;t, dürfte England dahin kommen,<lb/>
ihn als einen &#x017F;olidern Kaufmann zu betrachten, mit<lb/>
dem es &#x017F;ich wohl einmal auf ein Ge&#x017F;chäft einla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
könnte.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Pitts Nachfolger werden und können &#x017F;ich auf<lb/>
eine A&#x017F;&#x017F;oci<hi rendition="#aq">é</hi>&#x017F;chaft mit Bonaparte niemals einla&#x017F;&#x017F;en.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Alle Vor&#x017F;tellungen täu&#x017F;chen, &#x017F;obald die Rech¬<lb/>
nung ein andres Facit giebt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der deut&#x017F;che Staatsmann &#x017F;ah ihn &#x017F;charf an:<lb/>
&#x201E;Mylord, ich habe mir die Achtung vor dem Cha¬<lb/>
rakter bewahrt, auch in der Politik &#x2014; und ich glaube,<lb/>
nie fal&#x017F;ch gerechnet zu haben. Ein wirklicher Cha¬<lb/>
racter &#x017F;timmt mit den Ge&#x017F;etzen der Mathematik.<lb/>
Die Maske i&#x017F;t zu durch&#x017F;ichtig. Wo könnte England<lb/>
gewinnen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wenn es die &#x017F;chwankende, haltungslo&#x017F;e Politik<lb/>
derer, die &#x017F;eine Freude &#x017F;ein müßten und es nicht<lb/>
&#x017F;ind, &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t überläßt, und mit dem &#x017F;tarken Feinde<lb/>
ein einfaches Ge&#x017F;chäft macht, Zug um Zug?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Britte &#x017F;ah &#x017F;ich vor&#x017F;ichtig um. Indem &#x017F;ein<lb/>
Blick auf Walter fiel, dämpfte er die Stimme. Es<lb/>
war ein &#x017F;tilles Zwiege&#x017F;präch von einigen Secunden.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">12<hi rendition="#b">*</hi><lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0189] ſchlüſſe ändern, dann — mein Herr, wir ſind Kauf¬ leute, Phantaſieen und Fanatismus, zu manchen Ge¬ ſchäften gut, um den Impuls zu geben, tragen wir in unſerm Contobuch nur unter dem Riscontro ein. Napoleon iſt ein großer Speculant, er ſetzte bisher Alles auf eine Karte; ſo lange trauten wir ihm nicht. Seit er aber im fortdauernden Gewinnen und ſich immer conſequent iſt, dürfte England dahin kommen, ihn als einen ſolidern Kaufmann zu betrachten, mit dem es ſich wohl einmal auf ein Geſchäft einlaſſen könnte.“ „Pitts Nachfolger werden und können ſich auf eine Aſſociéſchaft mit Bonaparte niemals einlaſſen.“ „Alle Vorſtellungen täuſchen, ſobald die Rech¬ nung ein andres Facit giebt.“ Der deutſche Staatsmann ſah ihn ſcharf an: „Mylord, ich habe mir die Achtung vor dem Cha¬ rakter bewahrt, auch in der Politik — und ich glaube, nie falſch gerechnet zu haben. Ein wirklicher Cha¬ racter ſtimmt mit den Geſetzen der Mathematik. Die Maske iſt zu durchſichtig. Wo könnte England gewinnen?“ „Wenn es die ſchwankende, haltungsloſe Politik derer, die ſeine Freude ſein müßten und es nicht ſind, ſich ſelbſt überläßt, und mit dem ſtarken Feinde ein einfaches Geſchäft macht, Zug um Zug?“ Der Britte ſah ſich vorſichtig um. Indem ſein Blick auf Walter fiel, dämpfte er die Stimme. Es war ein ſtilles Zwiegeſpräch von einigen Secunden. 12*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/189
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/189>, abgerufen am 21.11.2024.