"Und findet lämmermüthige Geduld, fiel der Minister unerwartet ein. Mit ironischem Lächeln setzte er hinzu: Sollte Seiner Majestät, dem Kaiser der Franzosen, da nicht am Ende selbst die Geduld ausgehen!"
Der Britte fixirte ihn: "Eine Maske, Excellenz, thut zuweilen ihre Dienste, wenn man sich noch verstellen kann; wenn man aber sich so deployirt hat, daß der Feind alle Schwächen und Hülfsmittel kennt, ist es zu spät. Und wenn sie es noch länger hin¬ halten, Ihr Volk hält es nicht länger aus."
"Kennt man das auch in Paris!" sagte der Minister mit einem eigenthümlichen Tone, zwischen tiefem Ernst und leichtem Spott.
"Ihre Staatsmänner zählen noch nach Jahren, hub der Britte wieder dringender an. Ich nach Monden, Wochen, vielleicht nach Tagen. Wissen Sie hier nichts von den Verhandlungen mit den deutschen Fürsten im Westen und Süden? Um das Reich Karls des Großen zu stiften, müssen die Wittekinde vorher im Staube liegen. Er darf auch den Schein eines Sachsenreiches nicht dulden. Wüßten wirklich Ihre Staatsmänner nichts davon, verschlössen sie in unglaublicher Verblendung ihr Ohr, oder glauben sie noch, ihr Veto einzulegen, wenn Alles abge¬ macht ist?"
Der Minister war bewegt, nicht durch die letzte Mittheilung des Engländers. Er hatte nur bis jetzt seine Stimmung durch Einwendungen in iro¬
„Und findet lämmermüthige Geduld, fiel der Miniſter unerwartet ein. Mit ironiſchem Lächeln ſetzte er hinzu: Sollte Seiner Majeſtät, dem Kaiſer der Franzoſen, da nicht am Ende ſelbſt die Geduld ausgehen!“
Der Britte fixirte ihn: „Eine Maske, Excellenz, thut zuweilen ihre Dienſte, wenn man ſich noch verſtellen kann; wenn man aber ſich ſo deployirt hat, daß der Feind alle Schwächen und Hülfsmittel kennt, iſt es zu ſpät. Und wenn ſie es noch länger hin¬ halten, Ihr Volk hält es nicht länger aus.“
„Kennt man das auch in Paris!“ ſagte der Miniſter mit einem eigenthümlichen Tone, zwiſchen tiefem Ernſt und leichtem Spott.
„Ihre Staatsmänner zählen noch nach Jahren, hub der Britte wieder dringender an. Ich nach Monden, Wochen, vielleicht nach Tagen. Wiſſen Sie hier nichts von den Verhandlungen mit den deutſchen Fürſten im Weſten und Süden? Um das Reich Karls des Großen zu ſtiften, müſſen die Wittekinde vorher im Staube liegen. Er darf auch den Schein eines Sachſenreiches nicht dulden. Wüßten wirklich Ihre Staatsmänner nichts davon, verſchlöſſen ſie in unglaublicher Verblendung ihr Ohr, oder glauben ſie noch, ihr Veto einzulegen, wenn Alles abge¬ macht iſt?“
Der Miniſter war bewegt, nicht durch die letzte Mittheilung des Engländers. Er hatte nur bis jetzt ſeine Stimmung durch Einwendungen in iro¬
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„Und findet lämmermüthige Geduld, fiel der
Miniſter unerwartet ein. Mit ironiſchem Lächeln
ſetzte er hinzu: Sollte Seiner Majeſtät, dem Kaiſer
der Franzoſen, da nicht am Ende ſelbſt die Geduld
ausgehen!“
Der Britte fixirte ihn: „Eine Maske, Excellenz,
thut zuweilen ihre Dienſte, wenn man ſich noch
verſtellen kann; wenn man aber ſich ſo deployirt hat,
daß der Feind alle Schwächen und Hülfsmittel kennt,
iſt es zu ſpät. Und wenn ſie es noch länger hin¬
halten, Ihr Volk hält es nicht länger aus.“
„Kennt man das auch in Paris!“ ſagte der
Miniſter mit einem eigenthümlichen Tone, zwiſchen
tiefem Ernſt und leichtem Spott.
„Ihre Staatsmänner zählen noch nach Jahren,
hub der Britte wieder dringender an. Ich nach
Monden, Wochen, vielleicht nach Tagen. Wiſſen Sie
hier nichts von den Verhandlungen mit den deutſchen
Fürſten im Weſten und Süden? Um das Reich
Karls des Großen zu ſtiften, müſſen die Wittekinde
vorher im Staube liegen. Er darf auch den Schein
eines Sachſenreiches nicht dulden. Wüßten wirklich
Ihre Staatsmänner nichts davon, verſchlöſſen ſie
in unglaublicher Verblendung ihr Ohr, oder glauben
ſie noch, ihr Veto einzulegen, wenn Alles abge¬
macht iſt?“
Der Miniſter war bewegt, nicht durch die letzte
Mittheilung des Engländers. Er hatte nur bis
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/185>, abgerufen am 22.11.2024.
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