Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich gebe auch zu, daß in der Lüge etwas Wahres
war. Wir spielten Schach mit einander, weil sie uns
dazu nöthigten, zwangen. Genug, wir haben gespielt.
Weiter war es nichts."

"Und Euer Erlaucht gewannen."

"Die Erlaucht hatte nichts damit zu schaffen.
Wir gingen unserm Penchant nach, und in einem
Punkte stießen wir an einander."

"Ich gebe keine Gesellschaften mehr. Mein Haus
ist ein Haus der Trauer geworden, mein guter
Mann --"

"Wird gewiß unter solcher Pflege genesen. Wer
redet davon! Wir wollen ja nur unsre Gedanken
über das Wesen der Geselligkeit einklingen lassen.
Lieben wir sie etwa um ihrer selbst willen? Um
daraus Belehrung, Trost, Hülfe zu schöpfen? Sind
wir lüstern wie die unsterblichen Götter im Olymp,
die den Opferduft der Menschen mit Wohlgefallen
einschlürfen sollen? Oder ist es bei uns die Nei¬
gung, das Verlangen, mit unsers Gleichen zusammen
zu sein? Sehn Sie, wie unser Freund lächelt.
Nicht wahr, das brauchen wir beide nicht, wir haben
Ressourcen in uns, um uns vor der Einsamkeit nicht
zu fürchten."

"Ich lächle nur, sagte Wandel, weil Sie von
""Ihres Gleichen"" sprechen."

"Und mit Ihrer Bosheit treffen Sie es. Wir
zaubern das um uns, was uns doch nicht entgeht.
Weil wir unter Thoren leben müssen, verschaffen

Ich gebe auch zu, daß in der Lüge etwas Wahres
war. Wir ſpielten Schach mit einander, weil ſie uns
dazu nöthigten, zwangen. Genug, wir haben geſpielt.
Weiter war es nichts.“

„Und Euer Erlaucht gewannen.“

„Die Erlaucht hatte nichts damit zu ſchaffen.
Wir gingen unſerm Penchant nach, und in einem
Punkte ſtießen wir an einander.“

„Ich gebe keine Geſellſchaften mehr. Mein Haus
iſt ein Haus der Trauer geworden, mein guter
Mann —“

„Wird gewiß unter ſolcher Pflege geneſen. Wer
redet davon! Wir wollen ja nur unſre Gedanken
über das Weſen der Geſelligkeit einklingen laſſen.
Lieben wir ſie etwa um ihrer ſelbſt willen? Um
daraus Belehrung, Troſt, Hülfe zu ſchöpfen? Sind
wir lüſtern wie die unſterblichen Götter im Olymp,
die den Opferduft der Menſchen mit Wohlgefallen
einſchlürfen ſollen? Oder iſt es bei uns die Nei¬
gung, das Verlangen, mit unſers Gleichen zuſammen
zu ſein? Sehn Sie, wie unſer Freund lächelt.
Nicht wahr, das brauchen wir beide nicht, wir haben
Reſſourcen in uns, um uns vor der Einſamkeit nicht
zu fürchten.“

„Ich lächle nur, ſagte Wandel, weil Sie von
„„Ihres Gleichen““ ſprechen.“

„Und mit Ihrer Bosheit treffen Sie es. Wir
zaubern das um uns, was uns doch nicht entgeht.
Weil wir unter Thoren leben müſſen, verſchaffen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0151" n="141"/>
        <p>Ich gebe auch zu, daß in der Lüge etwas Wahres<lb/>
war. Wir &#x017F;pielten Schach mit einander, weil &#x017F;ie uns<lb/>
dazu nöthigten, zwangen. Genug, wir haben ge&#x017F;pielt.<lb/>
Weiter war es nichts.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und Euer Erlaucht gewannen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Erlaucht hatte nichts damit zu &#x017F;chaffen.<lb/>
Wir gingen un&#x017F;erm Penchant nach, und in einem<lb/>
Punkte &#x017F;tießen wir an einander.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich gebe keine Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften mehr. Mein Haus<lb/>
i&#x017F;t ein Haus der Trauer geworden, mein guter<lb/>
Mann &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wird gewiß unter &#x017F;olcher Pflege gene&#x017F;en. Wer<lb/>
redet davon! Wir wollen ja nur un&#x017F;re Gedanken<lb/>
über das We&#x017F;en der Ge&#x017F;elligkeit einklingen la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Lieben wir &#x017F;ie etwa um ihrer &#x017F;elb&#x017F;t willen? Um<lb/>
daraus Belehrung, Tro&#x017F;t, Hülfe zu &#x017F;chöpfen? Sind<lb/>
wir lü&#x017F;tern wie die un&#x017F;terblichen Götter im Olymp,<lb/>
die den Opferduft der Men&#x017F;chen mit Wohlgefallen<lb/>
ein&#x017F;chlürfen &#x017F;ollen? Oder i&#x017F;t es bei uns die Nei¬<lb/>
gung, das Verlangen, mit un&#x017F;ers Gleichen zu&#x017F;ammen<lb/>
zu &#x017F;ein? Sehn Sie, wie un&#x017F;er Freund lächelt.<lb/>
Nicht wahr, das brauchen wir beide nicht, wir haben<lb/>
Re&#x017F;&#x017F;ourcen in uns, um uns vor der Ein&#x017F;amkeit nicht<lb/>
zu fürchten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich lächle nur, &#x017F;agte Wandel, weil Sie von<lb/>
&#x201E;&#x201E;Ihres Gleichen&#x201C;&#x201C; &#x017F;prechen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und mit Ihrer Bosheit treffen Sie es. Wir<lb/>
zaubern das um uns, was uns doch nicht entgeht.<lb/>
Weil wir unter Thoren leben mü&#x017F;&#x017F;en, ver&#x017F;chaffen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0151] Ich gebe auch zu, daß in der Lüge etwas Wahres war. Wir ſpielten Schach mit einander, weil ſie uns dazu nöthigten, zwangen. Genug, wir haben geſpielt. Weiter war es nichts.“ „Und Euer Erlaucht gewannen.“ „Die Erlaucht hatte nichts damit zu ſchaffen. Wir gingen unſerm Penchant nach, und in einem Punkte ſtießen wir an einander.“ „Ich gebe keine Geſellſchaften mehr. Mein Haus iſt ein Haus der Trauer geworden, mein guter Mann —“ „Wird gewiß unter ſolcher Pflege geneſen. Wer redet davon! Wir wollen ja nur unſre Gedanken über das Weſen der Geſelligkeit einklingen laſſen. Lieben wir ſie etwa um ihrer ſelbſt willen? Um daraus Belehrung, Troſt, Hülfe zu ſchöpfen? Sind wir lüſtern wie die unſterblichen Götter im Olymp, die den Opferduft der Menſchen mit Wohlgefallen einſchlürfen ſollen? Oder iſt es bei uns die Nei¬ gung, das Verlangen, mit unſers Gleichen zuſammen zu ſein? Sehn Sie, wie unſer Freund lächelt. Nicht wahr, das brauchen wir beide nicht, wir haben Reſſourcen in uns, um uns vor der Einſamkeit nicht zu fürchten.“ „Ich lächle nur, ſagte Wandel, weil Sie von „„Ihres Gleichen““ ſprechen.“ „Und mit Ihrer Bosheit treffen Sie es. Wir zaubern das um uns, was uns doch nicht entgeht. Weil wir unter Thoren leben müſſen, verſchaffen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/151
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/151>, abgerufen am 05.05.2024.