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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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Stand und Geburt weit über ihm stand. Aber sein
Blick, seine Sprache, die Nonchalance seines Wesens
bekundete, daß er sich, wenn nicht ihnen gleich, doch
frei und unberührt von der Präponderanz dieser Ge¬
burts- und Standesvorzüge fühlte, ohne doch in das
umgekehrte Extrem zu verfallen, einer brusken Nicht¬
achtung. Er hatte der Rede des jungen vornehmen
Mannes mit zugehört, anfangs aufmerksam, dann
hatte er mit dem Kammerherrn von St. Real
eine Marmorgruppe betrachtet, und schien ihn jetzt
auf einige Fehler derselben aufmerksam zu machen.

"Ich habe die Eloquenz admirirt, entgegnete
der Künstler. Ueberhaupt, wenn in den Schulen
etwas dafür gethan würde, möchte die art rhetorique
auch in Deutschland Progressen machen."

"Ich meine, was Sie zur Sache sagen. Was
halten Sie von der Nationalität, Schadow? Ein
Künstler muß darüber ein Urtheil haben."

"Meine gnädige Fürstin, entgegnete der Bild¬
hauer, wenn man die Menschen nackend auszieht,
so sieht Einer aus wie der Andere, und wir
Scülpteurs haben's eigentlich nur mit nackten Men¬
schen zu thun."

"Aber die Racen sind anders gebildet. Wo
wären die Götterbilder der Griechen, wenn ihre
Phidias und Praxiteles nur nackte Hottentotten
gesehen hätten."

"Ich parire darauf, wenn Phidias sich nur
eine hübsche Hottentottin ausgesucht, er würde auch

Stand und Geburt weit über ihm ſtand. Aber ſein
Blick, ſeine Sprache, die Nonchalance ſeines Weſens
bekundete, daß er ſich, wenn nicht ihnen gleich, doch
frei und unberührt von der Präponderanz dieſer Ge¬
burts- und Standesvorzüge fühlte, ohne doch in das
umgekehrte Extrem zu verfallen, einer brusken Nicht¬
achtung. Er hatte der Rede des jungen vornehmen
Mannes mit zugehört, anfangs aufmerkſam, dann
hatte er mit dem Kammerherrn von St. Real
eine Marmorgruppe betrachtet, und ſchien ihn jetzt
auf einige Fehler derſelben aufmerkſam zu machen.

„Ich habe die Eloquenz admirirt, entgegnete
der Künſtler. Ueberhaupt, wenn in den Schulen
etwas dafür gethan würde, möchte die art rhétorique
auch in Deutſchland Progreſſen machen.“

„Ich meine, was Sie zur Sache ſagen. Was
halten Sie von der Nationalität, Schadow? Ein
Künſtler muß darüber ein Urtheil haben.“

„Meine gnädige Fürſtin, entgegnete der Bild¬
hauer, wenn man die Menſchen nackend auszieht,
ſo ſieht Einer aus wie der Andere, und wir
Scülpteurs haben's eigentlich nur mit nackten Men¬
ſchen zu thun.“

„Aber die Racen ſind anders gebildet. Wo
wären die Götterbilder der Griechen, wenn ihre
Phidias und Praxiteles nur nackte Hottentotten
geſehen hätten.“

„Ich parire darauf, wenn Phidias ſich nur
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[123/0133] Stand und Geburt weit über ihm ſtand. Aber ſein Blick, ſeine Sprache, die Nonchalance ſeines Weſens bekundete, daß er ſich, wenn nicht ihnen gleich, doch frei und unberührt von der Präponderanz dieſer Ge¬ burts- und Standesvorzüge fühlte, ohne doch in das umgekehrte Extrem zu verfallen, einer brusken Nicht¬ achtung. Er hatte der Rede des jungen vornehmen Mannes mit zugehört, anfangs aufmerkſam, dann hatte er mit dem Kammerherrn von St. Real eine Marmorgruppe betrachtet, und ſchien ihn jetzt auf einige Fehler derſelben aufmerkſam zu machen. „Ich habe die Eloquenz admirirt, entgegnete der Künſtler. Ueberhaupt, wenn in den Schulen etwas dafür gethan würde, möchte die art rhétorique auch in Deutſchland Progreſſen machen.“ „Ich meine, was Sie zur Sache ſagen. Was halten Sie von der Nationalität, Schadow? Ein Künſtler muß darüber ein Urtheil haben.“ „Meine gnädige Fürſtin, entgegnete der Bild¬ hauer, wenn man die Menſchen nackend auszieht, ſo ſieht Einer aus wie der Andere, und wir Scülpteurs haben's eigentlich nur mit nackten Men¬ ſchen zu thun.“ „Aber die Racen ſind anders gebildet. Wo wären die Götterbilder der Griechen, wenn ihre Phidias und Praxiteles nur nackte Hottentotten geſehen hätten.“ „Ich parire darauf, wenn Phidias ſich nur eine hübſche Hottentottin ausgeſucht, er würde auch

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/133>, abgerufen am 25.11.2024.