Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

ihn anblickte. Ihre Antwort begann mit einem lang
gezogenen "Na! -- Das ist wahr, ein Petit-Maitre
will er nicht sein, und die Cour macht er auch nicht,
nämlich in Gesellschaften, und spricht auch nicht, als
ob er die Weisheit mit Löffeln gegessen hätte, denn
er macht sich nichts aus den Gelehrten, aber --"

Das "Aber" der schönen Frau, als sie inne
hielt, schien lautlos von allen Lippen wiederholt,
nur ihr Gemahl rief es laut lachend: "Aber, Auguste,
nur raus damit!"

"Aber, rief sie rasch, mein Mann thut jetzt, als
wenn er wünschte, daß ich Alles ausplaudern sollte,
weil er so thut, als ob er sich nichts draus machte.
Nachher zu Hause, und im Wagen schon, würde er
mir das Kapitel lesen: Aber, Auguste, wie konntest
Du wieder! Sehn Sie, wie er das Kinn im Hals¬
tuch versteckt. Er möchte Sie glauben machen, daß
er sich vor Lachen ausschüttet, aber -- aber ich will
keine Komödie vor Ihnen aufführen."

Das Urtheil über die Baronin lautete heute sehr
verschieden. "Wer hätte es von ihr gedacht! sagte
die Dame, welche wir als Staatsräthin angeredet
hörten. Früher nicht den Mund geöffnet, ohne eine
Betise zu sagen, und wirft jetzt mit Sottisen um
sich!" --

"Ich weiß aber nicht, engegnete die andere, ob
mir das rohe Tuch nicht lieber war als die neue
Appretur im Lagerhause."

"Die sie indeß gewiß nicht dem Bügeleisen

ihn anblickte. Ihre Antwort begann mit einem lang
gezogenen „Na! — Das iſt wahr, ein Petit-Maitre
will er nicht ſein, und die Cour macht er auch nicht,
nämlich in Geſellſchaften, und ſpricht auch nicht, als
ob er die Weisheit mit Löffeln gegeſſen hätte, denn
er macht ſich nichts aus den Gelehrten, aber —“

Das „Aber“ der ſchönen Frau, als ſie inne
hielt, ſchien lautlos von allen Lippen wiederholt,
nur ihr Gemahl rief es laut lachend: „Aber, Auguſte,
nur raus damit!“

„Aber, rief ſie raſch, mein Mann thut jetzt, als
wenn er wünſchte, daß ich Alles ausplaudern ſollte,
weil er ſo thut, als ob er ſich nichts draus machte.
Nachher zu Hauſe, und im Wagen ſchon, würde er
mir das Kapitel leſen: Aber, Auguſte, wie konnteſt
Du wieder! Sehn Sie, wie er das Kinn im Hals¬
tuch verſteckt. Er möchte Sie glauben machen, daß
er ſich vor Lachen ausſchüttet, aber — aber ich will
keine Komödie vor Ihnen aufführen.“

Das Urtheil über die Baronin lautete heute ſehr
verſchieden. „Wer hätte es von ihr gedacht! ſagte
die Dame, welche wir als Staatsräthin angeredet
hörten. Früher nicht den Mund geöffnet, ohne eine
Betiſe zu ſagen, und wirft jetzt mit Sottiſen um
ſich!“ —

„Ich weiß aber nicht, engegnete die andere, ob
mir das rohe Tuch nicht lieber war als die neue
Appretur im Lagerhauſe.“

„Die ſie indeß gewiß nicht dem Bügeleiſen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0126" n="116"/>
ihn anblickte. Ihre Antwort begann mit einem lang<lb/>
gezogenen &#x201E;Na! &#x2014; Das i&#x017F;t wahr, ein Petit-Maitre<lb/>
will er nicht &#x017F;ein, und die Cour macht er auch nicht,<lb/>
nämlich in Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften, und &#x017F;pricht auch nicht, als<lb/>
ob er die Weisheit mit Löffeln gege&#x017F;&#x017F;en hätte, denn<lb/>
er macht &#x017F;ich nichts aus den Gelehrten, aber &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>Das &#x201E;Aber&#x201C; der &#x017F;chönen Frau, als &#x017F;ie inne<lb/>
hielt, &#x017F;chien lautlos von allen Lippen wiederholt,<lb/>
nur ihr Gemahl rief es laut lachend: &#x201E;Aber, Augu&#x017F;te,<lb/>
nur raus damit!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber, rief &#x017F;ie ra&#x017F;ch, mein Mann thut jetzt, als<lb/>
wenn er wün&#x017F;chte, daß ich Alles ausplaudern &#x017F;ollte,<lb/>
weil er &#x017F;o thut, als ob er &#x017F;ich nichts draus machte.<lb/>
Nachher zu Hau&#x017F;e, und im Wagen &#x017F;chon, würde er<lb/>
mir das Kapitel le&#x017F;en: Aber, Augu&#x017F;te, wie konnte&#x017F;t<lb/>
Du wieder! Sehn Sie, wie er das Kinn im Hals¬<lb/>
tuch ver&#x017F;teckt. Er möchte Sie glauben machen, daß<lb/>
er &#x017F;ich vor Lachen aus&#x017F;chüttet, aber &#x2014; aber ich will<lb/>
keine Komödie vor Ihnen aufführen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Das Urtheil über die Baronin lautete heute &#x017F;ehr<lb/>
ver&#x017F;chieden. &#x201E;Wer hätte es von ihr gedacht! &#x017F;agte<lb/>
die Dame, welche wir als Staatsräthin angeredet<lb/>
hörten. Früher nicht den Mund geöffnet, ohne eine<lb/>
Beti&#x017F;e zu &#x017F;agen, und wirft jetzt mit Sotti&#x017F;en um<lb/>
&#x017F;ich!&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich weiß aber nicht, engegnete die andere, ob<lb/>
mir das rohe Tuch nicht lieber war als die neue<lb/>
Appretur im Lagerhau&#x017F;e.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die &#x017F;ie indeß gewiß nicht dem Bügelei&#x017F;en<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0126] ihn anblickte. Ihre Antwort begann mit einem lang gezogenen „Na! — Das iſt wahr, ein Petit-Maitre will er nicht ſein, und die Cour macht er auch nicht, nämlich in Geſellſchaften, und ſpricht auch nicht, als ob er die Weisheit mit Löffeln gegeſſen hätte, denn er macht ſich nichts aus den Gelehrten, aber —“ Das „Aber“ der ſchönen Frau, als ſie inne hielt, ſchien lautlos von allen Lippen wiederholt, nur ihr Gemahl rief es laut lachend: „Aber, Auguſte, nur raus damit!“ „Aber, rief ſie raſch, mein Mann thut jetzt, als wenn er wünſchte, daß ich Alles ausplaudern ſollte, weil er ſo thut, als ob er ſich nichts draus machte. Nachher zu Hauſe, und im Wagen ſchon, würde er mir das Kapitel leſen: Aber, Auguſte, wie konnteſt Du wieder! Sehn Sie, wie er das Kinn im Hals¬ tuch verſteckt. Er möchte Sie glauben machen, daß er ſich vor Lachen ausſchüttet, aber — aber ich will keine Komödie vor Ihnen aufführen.“ Das Urtheil über die Baronin lautete heute ſehr verſchieden. „Wer hätte es von ihr gedacht! ſagte die Dame, welche wir als Staatsräthin angeredet hörten. Früher nicht den Mund geöffnet, ohne eine Betiſe zu ſagen, und wirft jetzt mit Sottiſen um ſich!“ — „Ich weiß aber nicht, engegnete die andere, ob mir das rohe Tuch nicht lieber war als die neue Appretur im Lagerhauſe.“ „Die ſie indeß gewiß nicht dem Bügeleiſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/126
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/126>, abgerufen am 22.11.2024.