ihn anblickte. Ihre Antwort begann mit einem lang gezogenen "Na! -- Das ist wahr, ein Petit-Maitre will er nicht sein, und die Cour macht er auch nicht, nämlich in Gesellschaften, und spricht auch nicht, als ob er die Weisheit mit Löffeln gegessen hätte, denn er macht sich nichts aus den Gelehrten, aber --"
Das "Aber" der schönen Frau, als sie inne hielt, schien lautlos von allen Lippen wiederholt, nur ihr Gemahl rief es laut lachend: "Aber, Auguste, nur raus damit!"
"Aber, rief sie rasch, mein Mann thut jetzt, als wenn er wünschte, daß ich Alles ausplaudern sollte, weil er so thut, als ob er sich nichts draus machte. Nachher zu Hause, und im Wagen schon, würde er mir das Kapitel lesen: Aber, Auguste, wie konntest Du wieder! Sehn Sie, wie er das Kinn im Hals¬ tuch versteckt. Er möchte Sie glauben machen, daß er sich vor Lachen ausschüttet, aber -- aber ich will keine Komödie vor Ihnen aufführen."
Das Urtheil über die Baronin lautete heute sehr verschieden. "Wer hätte es von ihr gedacht! sagte die Dame, welche wir als Staatsräthin angeredet hörten. Früher nicht den Mund geöffnet, ohne eine Betise zu sagen, und wirft jetzt mit Sottisen um sich!" --
"Ich weiß aber nicht, engegnete die andere, ob mir das rohe Tuch nicht lieber war als die neue Appretur im Lagerhause."
"Die sie indeß gewiß nicht dem Bügeleisen
ihn anblickte. Ihre Antwort begann mit einem lang gezogenen „Na! — Das iſt wahr, ein Petit-Maitre will er nicht ſein, und die Cour macht er auch nicht, nämlich in Geſellſchaften, und ſpricht auch nicht, als ob er die Weisheit mit Löffeln gegeſſen hätte, denn er macht ſich nichts aus den Gelehrten, aber —“
Das „Aber“ der ſchönen Frau, als ſie inne hielt, ſchien lautlos von allen Lippen wiederholt, nur ihr Gemahl rief es laut lachend: „Aber, Auguſte, nur raus damit!“
„Aber, rief ſie raſch, mein Mann thut jetzt, als wenn er wünſchte, daß ich Alles ausplaudern ſollte, weil er ſo thut, als ob er ſich nichts draus machte. Nachher zu Hauſe, und im Wagen ſchon, würde er mir das Kapitel leſen: Aber, Auguſte, wie konnteſt Du wieder! Sehn Sie, wie er das Kinn im Hals¬ tuch verſteckt. Er möchte Sie glauben machen, daß er ſich vor Lachen ausſchüttet, aber — aber ich will keine Komödie vor Ihnen aufführen.“
Das Urtheil über die Baronin lautete heute ſehr verſchieden. „Wer hätte es von ihr gedacht! ſagte die Dame, welche wir als Staatsräthin angeredet hörten. Früher nicht den Mund geöffnet, ohne eine Betiſe zu ſagen, und wirft jetzt mit Sottiſen um ſich!“ —
„Ich weiß aber nicht, engegnete die andere, ob mir das rohe Tuch nicht lieber war als die neue Appretur im Lagerhauſe.“
„Die ſie indeß gewiß nicht dem Bügeleiſen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0126"n="116"/>
ihn anblickte. Ihre Antwort begann mit einem lang<lb/>
gezogenen „Na! — Das iſt wahr, ein Petit-Maitre<lb/>
will er nicht ſein, und die Cour macht er auch nicht,<lb/>
nämlich in Geſellſchaften, und ſpricht auch nicht, als<lb/>
ob er die Weisheit mit Löffeln gegeſſen hätte, denn<lb/>
er macht ſich nichts aus den Gelehrten, aber —“</p><lb/><p>Das „Aber“ der ſchönen Frau, als ſie inne<lb/>
hielt, ſchien lautlos von allen Lippen wiederholt,<lb/>
nur ihr Gemahl rief es laut lachend: „Aber, Auguſte,<lb/>
nur raus damit!“</p><lb/><p>„Aber, rief ſie raſch, mein Mann thut jetzt, als<lb/>
wenn er wünſchte, daß ich Alles ausplaudern ſollte,<lb/>
weil er ſo thut, als ob er ſich nichts draus machte.<lb/>
Nachher zu Hauſe, und im Wagen ſchon, würde er<lb/>
mir das Kapitel leſen: Aber, Auguſte, wie konnteſt<lb/>
Du wieder! Sehn Sie, wie er das Kinn im Hals¬<lb/>
tuch verſteckt. Er möchte Sie glauben machen, daß<lb/>
er ſich vor Lachen ausſchüttet, aber — aber ich will<lb/>
keine Komödie vor Ihnen aufführen.“</p><lb/><p>Das Urtheil über die Baronin lautete heute ſehr<lb/>
verſchieden. „Wer hätte es von ihr gedacht! ſagte<lb/>
die Dame, welche wir als Staatsräthin angeredet<lb/>
hörten. Früher nicht den Mund geöffnet, ohne eine<lb/>
Betiſe zu ſagen, und wirft jetzt mit Sottiſen um<lb/>ſich!“—</p><lb/><p>„Ich weiß aber nicht, engegnete die andere, ob<lb/>
mir das rohe Tuch nicht lieber war als die neue<lb/>
Appretur im Lagerhauſe.“</p><lb/><p>„Die ſie indeß gewiß nicht dem Bügeleiſen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[116/0126]
ihn anblickte. Ihre Antwort begann mit einem lang
gezogenen „Na! — Das iſt wahr, ein Petit-Maitre
will er nicht ſein, und die Cour macht er auch nicht,
nämlich in Geſellſchaften, und ſpricht auch nicht, als
ob er die Weisheit mit Löffeln gegeſſen hätte, denn
er macht ſich nichts aus den Gelehrten, aber —“
Das „Aber“ der ſchönen Frau, als ſie inne
hielt, ſchien lautlos von allen Lippen wiederholt,
nur ihr Gemahl rief es laut lachend: „Aber, Auguſte,
nur raus damit!“
„Aber, rief ſie raſch, mein Mann thut jetzt, als
wenn er wünſchte, daß ich Alles ausplaudern ſollte,
weil er ſo thut, als ob er ſich nichts draus machte.
Nachher zu Hauſe, und im Wagen ſchon, würde er
mir das Kapitel leſen: Aber, Auguſte, wie konnteſt
Du wieder! Sehn Sie, wie er das Kinn im Hals¬
tuch verſteckt. Er möchte Sie glauben machen, daß
er ſich vor Lachen ausſchüttet, aber — aber ich will
keine Komödie vor Ihnen aufführen.“
Das Urtheil über die Baronin lautete heute ſehr
verſchieden. „Wer hätte es von ihr gedacht! ſagte
die Dame, welche wir als Staatsräthin angeredet
hörten. Früher nicht den Mund geöffnet, ohne eine
Betiſe zu ſagen, und wirft jetzt mit Sottiſen um
ſich!“ —
„Ich weiß aber nicht, engegnete die andere, ob
mir das rohe Tuch nicht lieber war als die neue
Appretur im Lagerhauſe.“
„Die ſie indeß gewiß nicht dem Bügeleiſen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/126>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.