Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"Raus mit der Sprache. Was wissen Sie?"

"Sehr viel. Die letzte Aventure wird nur ver¬
tuscht, aber parole d'honneur, Sie können sich drauf
verlassen, sie ist so --"

"Sie meinen die mit der Schildwacht -- der
Kerl kann doch nicht hier sein!"

"Ist eingestiegen, Herr Baron, so gewiß ich vor
Ihnen stehe. Herr Graf verziehn die Miene, in der
Garde hat man sich das Wort gegeben, nicht davon
zu sprechen. Nun ich schweige in Devotion, wenns
verboten ist."

"Was gehts mich an, sagte der Officier mit
einem nicht zu unterdrückenden Schmunzeln, und wenn
der Grenadier dafür Spießruthen laufen müssen, so
wüßt er doch, wofür."

"Dazu ists aber nicht gekommen. Die Disci¬
plin hat aus Galanterie ein Auge zugedrückt."

"Sie hat ihn wirklich ins Fenster gewinkt?"
fragte der dritte Intimus.

"In den Communs, Sie wissen doch in Pots¬
dam die kleinen holländischen Häuschen neben dem
Marmorpalais." Der Geheimrath sprach es, mit
vorgehaltener Hand, dem Fragenden fast ins Ohr.
Er mußte es aber mit solcher Kunst accentuiren, daß
es auch den beiden Andern nicht entging? "Ja, warum
hat man für Cavaliere und Hofdamen so niedrige
Fenster gebaut, ca ne coaute qu'un pas! Warum duf¬
teten die Linden so süß in der lauen Nacht? Warum
schlugen die Nachtigallen so verführerisch? Warum

„Raus mit der Sprache. Was wiſſen Sie?“

„Sehr viel. Die letzte Aventure wird nur ver¬
tuſcht, aber parole d'honneur, Sie können ſich drauf
verlaſſen, ſie iſt ſo —“

„Sie meinen die mit der Schildwacht — der
Kerl kann doch nicht hier ſein!“

„Iſt eingeſtiegen, Herr Baron, ſo gewiß ich vor
Ihnen ſtehe. Herr Graf verziehn die Miene, in der
Garde hat man ſich das Wort gegeben, nicht davon
zu ſprechen. Nun ich ſchweige in Devotion, wenns
verboten iſt.“

„Was gehts mich an, ſagte der Officier mit
einem nicht zu unterdrückenden Schmunzeln, und wenn
der Grenadier dafür Spießruthen laufen müſſen, ſo
wüßt er doch, wofür.“

„Dazu iſts aber nicht gekommen. Die Disci¬
plin hat aus Galanterie ein Auge zugedrückt.“

„Sie hat ihn wirklich ins Fenſter gewinkt?“
fragte der dritte Intimus.

„In den Communs, Sie wiſſen doch in Pots¬
dam die kleinen holländiſchen Häuschen neben dem
Marmorpalais.“ Der Geheimrath ſprach es, mit
vorgehaltener Hand, dem Fragenden faſt ins Ohr.
Er mußte es aber mit ſolcher Kunſt accentuiren, daß
es auch den beiden Andern nicht entging? „Ja, warum
hat man für Cavaliere und Hofdamen ſo niedrige
Fenſter gebaut, ça ne coûte qu'un pas! Warum duf¬
teten die Linden ſo ſüß in der lauen Nacht? Warum
ſchlugen die Nachtigallen ſo verführeriſch? Warum

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0120" n="110"/>
        <p>&#x201E;Raus mit der Sprache. Was wi&#x017F;&#x017F;en Sie?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sehr viel. Die letzte Aventure wird nur ver¬<lb/>
tu&#x017F;cht, aber <hi rendition="#aq">parole d'honneur</hi>, Sie können &#x017F;ich drauf<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ie i&#x017F;t &#x017F;o &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie meinen die mit der Schildwacht &#x2014; der<lb/>
Kerl kann doch nicht hier &#x017F;ein!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;I&#x017F;t einge&#x017F;tiegen, Herr Baron, &#x017F;o gewiß ich vor<lb/>
Ihnen &#x017F;tehe. Herr Graf verziehn die Miene, in der<lb/>
Garde hat man &#x017F;ich das Wort gegeben, nicht davon<lb/>
zu &#x017F;prechen. Nun ich &#x017F;chweige in Devotion, wenns<lb/>
verboten i&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was gehts mich an, &#x017F;agte der Officier mit<lb/>
einem nicht zu unterdrückenden Schmunzeln, und wenn<lb/>
der Grenadier dafür Spießruthen laufen mü&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o<lb/>
wüßt er doch, wofür.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Dazu i&#x017F;ts aber nicht gekommen. Die Disci¬<lb/>
plin hat aus Galanterie ein Auge zugedrückt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie hat ihn wirklich ins Fen&#x017F;ter gewinkt?&#x201C;<lb/>
fragte der dritte Intimus.</p><lb/>
        <p>&#x201E;In den Communs, Sie wi&#x017F;&#x017F;en doch in Pots¬<lb/>
dam die kleinen holländi&#x017F;chen Häuschen neben dem<lb/>
Marmorpalais.&#x201C; Der Geheimrath &#x017F;prach es, mit<lb/>
vorgehaltener Hand, dem Fragenden fa&#x017F;t ins Ohr.<lb/>
Er mußte es aber mit &#x017F;olcher Kun&#x017F;t accentuiren, daß<lb/>
es auch den beiden Andern nicht entging? &#x201E;Ja, warum<lb/>
hat man für Cavaliere und Hofdamen &#x017F;o niedrige<lb/>
Fen&#x017F;ter gebaut, <hi rendition="#aq">ça ne coûte qu'un pas</hi>! Warum duf¬<lb/>
teten die Linden &#x017F;o &#x017F;üß in der lauen Nacht? Warum<lb/>
&#x017F;chlugen die Nachtigallen &#x017F;o verführeri&#x017F;ch? Warum<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0120] „Raus mit der Sprache. Was wiſſen Sie?“ „Sehr viel. Die letzte Aventure wird nur ver¬ tuſcht, aber parole d'honneur, Sie können ſich drauf verlaſſen, ſie iſt ſo —“ „Sie meinen die mit der Schildwacht — der Kerl kann doch nicht hier ſein!“ „Iſt eingeſtiegen, Herr Baron, ſo gewiß ich vor Ihnen ſtehe. Herr Graf verziehn die Miene, in der Garde hat man ſich das Wort gegeben, nicht davon zu ſprechen. Nun ich ſchweige in Devotion, wenns verboten iſt.“ „Was gehts mich an, ſagte der Officier mit einem nicht zu unterdrückenden Schmunzeln, und wenn der Grenadier dafür Spießruthen laufen müſſen, ſo wüßt er doch, wofür.“ „Dazu iſts aber nicht gekommen. Die Disci¬ plin hat aus Galanterie ein Auge zugedrückt.“ „Sie hat ihn wirklich ins Fenſter gewinkt?“ fragte der dritte Intimus. „In den Communs, Sie wiſſen doch in Pots¬ dam die kleinen holländiſchen Häuschen neben dem Marmorpalais.“ Der Geheimrath ſprach es, mit vorgehaltener Hand, dem Fragenden faſt ins Ohr. Er mußte es aber mit ſolcher Kunſt accentuiren, daß es auch den beiden Andern nicht entging? „Ja, warum hat man für Cavaliere und Hofdamen ſo niedrige Fenſter gebaut, ça ne coûte qu'un pas! Warum duf¬ teten die Linden ſo ſüß in der lauen Nacht? Warum ſchlugen die Nachtigallen ſo verführeriſch? Warum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/120
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/120>, abgerufen am 25.11.2024.