In dem Augenblick knarrte die Thür, der neue Bediente, Christian, trat etwas ungeschickt herein, indem er, um die Thüre zu schließen, den Rücken zeigte. Der Rücken zeigte nur die alte Livree seines Vorgängers.
Die Lupinus stieß einen Schrei aus, sie fuhr zusammen, wankte; vielleicht wäre sie gefallen, wenn ihr Arm nicht die Lehne eines Stuhls erfaßt hätte. -- "Johann! -- ungeschickter Mensch -- wie kann Er mich erschrecken!"
"Aber gnädige Frau, ich komme ja nur, wie Sie befohlen --"
"Er soll nicht hinterrücks hereinschleichen, Chri¬ stian. Meine Nerven vertragen es nicht."
"Aber die Kinder, gnädige Frau, das Mädchen besonders, sie ächzen und piechen -- ich glaube immer, denen hats Einer angethan."
"Lügner! -- Unverschämter Verleumder! --" Mit einem zornfunkelnden Blick schoß sie an ihm vor¬ über nach der Kinderstube.
Der Bediente sah ihr kopfschüttelnd nach, und reckte sich dann in der Livree, die nicht ganz zu sei¬ nem breiten Rücken paßte. Eine Nath riß: "Ich glaube, in dem Hause paßt mirs so wenig als in dem Rocke. Solche Bälger zu bedienen, und eine solche Frau! Ich weiß zwar nicht eigentlich, was Nerven sind, aber ich glaube, meine Nerven vertragen es auch nicht."
Als nach einer Viertelstunde die Geheimräthin
III. 4
In dem Augenblick knarrte die Thür, der neue Bediente, Chriſtian, trat etwas ungeſchickt herein, indem er, um die Thüre zu ſchließen, den Rücken zeigte. Der Rücken zeigte nur die alte Livree ſeines Vorgängers.
Die Lupinus ſtieß einen Schrei aus, ſie fuhr zuſammen, wankte; vielleicht wäre ſie gefallen, wenn ihr Arm nicht die Lehne eines Stuhls erfaßt hätte. — „Johann! — ungeſchickter Menſch — wie kann Er mich erſchrecken!“
„Aber gnädige Frau, ich komme ja nur, wie Sie befohlen —“
„Er ſoll nicht hinterrücks hereinſchleichen, Chri¬ ſtian. Meine Nerven vertragen es nicht.“
„Aber die Kinder, gnädige Frau, das Mädchen beſonders, ſie ächzen und piechen — ich glaube immer, denen hats Einer angethan.“
„Lügner! — Unverſchämter Verleumder! —“ Mit einem zornfunkelnden Blick ſchoß ſie an ihm vor¬ über nach der Kinderſtube.
Der Bediente ſah ihr kopfſchüttelnd nach, und reckte ſich dann in der Livree, die nicht ganz zu ſei¬ nem breiten Rücken paßte. Eine Nath riß: „Ich glaube, in dem Hauſe paßt mirs ſo wenig als in dem Rocke. Solche Bälger zu bedienen, und eine ſolche Frau! Ich weiß zwar nicht eigentlich, was Nerven ſind, aber ich glaube, meine Nerven vertragen es auch nicht.“
Als nach einer Viertelſtunde die Geheimräthin
III. 4
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In dem Augenblick knarrte die Thür, der neue
Bediente, Chriſtian, trat etwas ungeſchickt herein,
indem er, um die Thüre zu ſchließen, den Rücken
zeigte. Der Rücken zeigte nur die alte Livree ſeines
Vorgängers.
Die Lupinus ſtieß einen Schrei aus, ſie fuhr
zuſammen, wankte; vielleicht wäre ſie gefallen, wenn
ihr Arm nicht die Lehne eines Stuhls erfaßt hätte. —
„Johann! — ungeſchickter Menſch — wie kann Er
mich erſchrecken!“
„Aber gnädige Frau, ich komme ja nur, wie Sie
befohlen —“
„Er ſoll nicht hinterrücks hereinſchleichen, Chri¬
ſtian. Meine Nerven vertragen es nicht.“
„Aber die Kinder, gnädige Frau, das Mädchen
beſonders, ſie ächzen und piechen — ich glaube immer,
denen hats Einer angethan.“
„Lügner! — Unverſchämter Verleumder! —“
Mit einem zornfunkelnden Blick ſchoß ſie an ihm vor¬
über nach der Kinderſtube.
Der Bediente ſah ihr kopfſchüttelnd nach, und
reckte ſich dann in der Livree, die nicht ganz zu ſei¬
nem breiten Rücken paßte. Eine Nath riß: „Ich
glaube, in dem Hauſe paßt mirs ſo wenig als in dem
Rocke. Solche Bälger zu bedienen, und eine ſolche
Frau! Ich weiß zwar nicht eigentlich, was Nerven
ſind, aber ich glaube, meine Nerven vertragen es auch
nicht.“
Als nach einer Viertelſtunde die Geheimräthin
III. 4
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/59>, abgerufen am 01.08.2024.
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