sehen;" flüsterte die Fürstin im Fortgehen mit hold¬ seliger Herablassung zur Mutter. Sie glaubte in die Erde versinken zu müssen.
Die Harmonie der Gesellschaft, wenn man die Stille so nennen kann, die vom Eindruck der Nach¬ richt hier noch herrschte, ward durch häßliche Kinder¬ stimmen in der Nebenstube unterbrochen, und als Charlotte plötzlich in ein heulendes Geschrei ausbrach, stürzte die Gesellschaft dahin.
Der Rath und der Major, die nicht für Fa¬ milienangelegenheiten gestimmt waren, ergriffen die Gelegenheit sich zu entfernen. Auf der Treppe sagte Fuchsius: "Der Frömmigkeit der Gargazin wäre es genehm, wenn ganz Deutschland in Brand und Flam¬ men aufginge."
"Damit Rußland es erlösen kann! setzte der Major hinzu. Es fragt sich da eben nur, wo die Scylla und wo die Charybdis ist."
Auch die Fürstin Gargazin mußte heut nicht für Familienscenen gestimmt sein. "Was war denn das mit dem Rittmeister? Springt er ab?" sagte sie zum Legationsrath, der ihr im Vorzimmer den Caschemirshawl umreichte.
"Wir haben Contreordre, Erlaucht. Weil er zu hastig war, hat man ihm eine Spanische Fliege applicirt."
"Ihre Burleske fängt an mich zu langweilen."
"Die schöne Frau verarbeitet sich desto mehr in Liebesweh. Wir überlassen sie ganz Euer Erlaucht."
ſehen;“ flüſterte die Fürſtin im Fortgehen mit hold¬ ſeliger Herablaſſung zur Mutter. Sie glaubte in die Erde verſinken zu müſſen.
Die Harmonie der Geſellſchaft, wenn man die Stille ſo nennen kann, die vom Eindruck der Nach¬ richt hier noch herrſchte, ward durch häßliche Kinder¬ ſtimmen in der Nebenſtube unterbrochen, und als Charlotte plötzlich in ein heulendes Geſchrei ausbrach, ſtürzte die Geſellſchaft dahin.
Der Rath und der Major, die nicht für Fa¬ milienangelegenheiten geſtimmt waren, ergriffen die Gelegenheit ſich zu entfernen. Auf der Treppe ſagte Fuchſius: „Der Frömmigkeit der Gargazin wäre es genehm, wenn ganz Deutſchland in Brand und Flam¬ men aufginge.“
„Damit Rußland es erlöſen kann! ſetzte der Major hinzu. Es fragt ſich da eben nur, wo die Scylla und wo die Charybdis iſt.“
Auch die Fürſtin Gargazin mußte heut nicht für Familienſcenen geſtimmt ſein. „Was war denn das mit dem Rittmeiſter? Springt er ab?“ ſagte ſie zum Legationsrath, der ihr im Vorzimmer den Caſchemirſhawl umreichte.
„Wir haben Contreordre, Erlaucht. Weil er zu haſtig war, hat man ihm eine Spaniſche Fliege applicirt.“
„Ihre Burleske fängt an mich zu langweilen.“
„Die ſchöne Frau verarbeitet ſich deſto mehr in Liebesweh. Wir überlaſſen ſie ganz Euer Erlaucht.“
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ſehen;“ flüſterte die Fürſtin im Fortgehen mit hold¬
ſeliger Herablaſſung zur Mutter. Sie glaubte in die
Erde verſinken zu müſſen.
Die Harmonie der Geſellſchaft, wenn man die
Stille ſo nennen kann, die vom Eindruck der Nach¬
richt hier noch herrſchte, ward durch häßliche Kinder¬
ſtimmen in der Nebenſtube unterbrochen, und als
Charlotte plötzlich in ein heulendes Geſchrei ausbrach,
ſtürzte die Geſellſchaft dahin.
Der Rath und der Major, die nicht für Fa¬
milienangelegenheiten geſtimmt waren, ergriffen die
Gelegenheit ſich zu entfernen. Auf der Treppe ſagte
Fuchſius: „Der Frömmigkeit der Gargazin wäre es
genehm, wenn ganz Deutſchland in Brand und Flam¬
men aufginge.“
„Damit Rußland es erlöſen kann! ſetzte der
Major hinzu. Es fragt ſich da eben nur, wo die
Scylla und wo die Charybdis iſt.“
Auch die Fürſtin Gargazin mußte heut nicht
für Familienſcenen geſtimmt ſein. „Was war denn
das mit dem Rittmeiſter? Springt er ab?“ ſagte
ſie zum Legationsrath, der ihr im Vorzimmer den
Caſchemirſhawl umreichte.
„Wir haben Contreordre, Erlaucht. Weil er zu
haſtig war, hat man ihm eine Spaniſche Fliege
applicirt.“
„Ihre Burleske fängt an mich zu langweilen.“
„Die ſchöne Frau verarbeitet ſich deſto mehr in
Liebesweh. Wir überlaſſen ſie ganz Euer Erlaucht.“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/33>, abgerufen am 08.07.2024.
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