"Caput werden heißt ja wohl den Kopf ver¬ lieren?"
"Halten Sie Ihren fest."
"Mancher hält's für ein groß Unglück, Herr Baron."
"Das will ich meinen!"
"Mancher aber meint, man könnte auch ohne Kopf leben."
"Sie Bonmotiseur, Sie! Warum lachen Sie denn aber nur innerlich? Meine Frau sagt, man kann äußerlich lachen, und weint innerlich. Das begreife ich. Ein ästhetisches Gemüth ist immer sen¬ timental. Das bin ich nicht, Sie sind's auch nicht, van Asten -- Aber, wissen Sie, was mir ent¬ gangen ist?"
"Ihre Operntänzerin? Davongelaufen?"
"Nein, keine Plaisanterie! Haben Sie nichts davon gehört? Sie habens im Kriegsministerium ausspintisirt, daß der Infanterist im Winter auch friert. Mäntel sollten sie kriegen -- wenn's zum Krieg ge¬ kommen wäre, nämlich -- Na nu, was sagen Sie? Ich hatte schon ein Dutzend neue Stühle eingerichtet. Soll ich nun für die Kalmucken weben lassen?"
"Für die Franzosen, Herr Baron, die nehmen das Tuch auch ungeschoren."
"Ohne Spaß, van Asten; ich hätte 'nen guten Schnitt bei gemacht."
"Liebster Baron, Sie sind ein excellenter Fabri¬ kant und guter Kaufmann, aber erlauben Sie mir,
„Caput werden heißt ja wohl den Kopf ver¬ lieren?“
„Halten Sie Ihren feſt.“
„Mancher hält's für ein groß Unglück, Herr Baron.“
„Das will ich meinen!“
„Mancher aber meint, man könnte auch ohne Kopf leben.“
„Sie Bonmotiſeur, Sie! Warum lachen Sie denn aber nur innerlich? Meine Frau ſagt, man kann äußerlich lachen, und weint innerlich. Das begreife ich. Ein äſthetiſches Gemüth iſt immer ſen¬ timental. Das bin ich nicht, Sie ſind's auch nicht, van Aſten — Aber, wiſſen Sie, was mir ent¬ gangen iſt?“
„Ihre Operntänzerin? Davongelaufen?“
„Nein, keine Plaiſanterie! Haben Sie nichts davon gehört? Sie habens im Kriegsminiſterium ausſpintiſirt, daß der Infanteriſt im Winter auch friert. Mäntel ſollten ſie kriegen — wenn's zum Krieg ge¬ kommen wäre, nämlich — Na nu, was ſagen Sie? Ich hatte ſchon ein Dutzend neue Stühle eingerichtet. Soll ich nun für die Kalmucken weben laſſen?“
„Für die Franzoſen, Herr Baron, die nehmen das Tuch auch ungeſchoren.“
„Ohne Spaß, van Aſten; ich hätte 'nen guten Schnitt bei gemacht.“
„Liebſter Baron, Sie ſind ein excellenter Fabri¬ kant und guter Kaufmann, aber erlauben Sie mir,
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„Caput werden heißt ja wohl den Kopf ver¬
lieren?“
„Halten Sie Ihren feſt.“
„Mancher hält's für ein groß Unglück, Herr
Baron.“
„Das will ich meinen!“
„Mancher aber meint, man könnte auch ohne
Kopf leben.“
„Sie Bonmotiſeur, Sie! Warum lachen Sie
denn aber nur innerlich? Meine Frau ſagt, man
kann äußerlich lachen, und weint innerlich. Das
begreife ich. Ein äſthetiſches Gemüth iſt immer ſen¬
timental. Das bin ich nicht, Sie ſind's auch nicht,
van Aſten — Aber, wiſſen Sie, was mir ent¬
gangen iſt?“
„Ihre Operntänzerin? Davongelaufen?“
„Nein, keine Plaiſanterie! Haben Sie nichts
davon gehört? Sie habens im Kriegsminiſterium
ausſpintiſirt, daß der Infanteriſt im Winter auch friert.
Mäntel ſollten ſie kriegen — wenn's zum Krieg ge¬
kommen wäre, nämlich — Na nu, was ſagen Sie?
Ich hatte ſchon ein Dutzend neue Stühle eingerichtet.
Soll ich nun für die Kalmucken weben laſſen?“
„Für die Franzoſen, Herr Baron, die nehmen
das Tuch auch ungeſchoren.“
„Ohne Spaß, van Aſten; ich hätte 'nen guten
Schnitt bei gemacht.“
„Liebſter Baron, Sie ſind ein excellenter Fabri¬
kant und guter Kaufmann, aber erlauben Sie mir,
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/320>, abgerufen am 08.07.2024.
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