Goliath niederwarf, wo diese Rettungen aus Zerwürfniß und Elend recht eigentlich die Quintessenz unserer Geschichte sind, warum da glauben, daß sie jetzt zu Ende sind? Warum nicht festhalten an dem, daß zur rechten Zeit der rechte Mann sich wieder einfindet. Wir sind jetzt erniedrigt, ja, dupirt vor aller Welt, vor uns selbst am meisten, ein Sumpf von Fäulniß, überdeckt mit einem Flimmer von Eitelkeit und Hoch¬ muth -- aber es gab noch verwüstetere Geschlechter vor uns, und Gott gebe, daß nicht noch verwüstetere nach uns kommen."
Eisenhauch sah, einen Schritt zurücktretend, dem alten Mann feierlich in's Gesicht:
"Sie fordern von mir Genugthuung?"
"Und mitleidig blicken Sie auf meinen schwa¬ chen Arm. Wenn er den Degen nicht mehr führen kann, ist er doch noch stark, um die Pistole zu heben, und stark genug ist der Greis, mein Herr, der Mün¬ dung Ihres Feuerrohrs in's Auge zu sehen."
Eisenhauch hatte ein Pistolenpaar in der Hand, aber er warf sie in den Kasten:
"Ich nehme Ihre Forderung an, aber -- für später. Jetzt haben andere Missionen das Vorrecht. Mein Herr, ein großes Schlachtfeld breitet sich vor uns aus. Ob morgen, ob nach Monaten, ob nach Jahren die Hunderttausende, zum Morden bereit, sich gegenüber stehen, darauf kommt es nicht an. Aber es muß kommen. Geblutet muß werden, ge¬ brannt, vertilgt, und der Sturm muß fegen durch
Goliath niederwarf, wo dieſe Rettungen aus Zerwürfniß und Elend recht eigentlich die Quinteſſenz unſerer Geſchichte ſind, warum da glauben, daß ſie jetzt zu Ende ſind? Warum nicht feſthalten an dem, daß zur rechten Zeit der rechte Mann ſich wieder einfindet. Wir ſind jetzt erniedrigt, ja, dupirt vor aller Welt, vor uns ſelbſt am meiſten, ein Sumpf von Fäulniß, überdeckt mit einem Flimmer von Eitelkeit und Hoch¬ muth — aber es gab noch verwüſtetere Geſchlechter vor uns, und Gott gebe, daß nicht noch verwüſtetere nach uns kommen.“
Eiſenhauch ſah, einen Schritt zurücktretend, dem alten Mann feierlich in's Geſicht:
„Sie fordern von mir Genugthuung?“
„Und mitleidig blicken Sie auf meinen ſchwa¬ chen Arm. Wenn er den Degen nicht mehr führen kann, iſt er doch noch ſtark, um die Piſtole zu heben, und ſtark genug iſt der Greis, mein Herr, der Mün¬ dung Ihres Feuerrohrs in's Auge zu ſehen.“
Eiſenhauch hatte ein Piſtolenpaar in der Hand, aber er warf ſie in den Kaſten:
„Ich nehme Ihre Forderung an, aber — für ſpäter. Jetzt haben andere Miſſionen das Vorrecht. Mein Herr, ein großes Schlachtfeld breitet ſich vor uns aus. Ob morgen, ob nach Monaten, ob nach Jahren die Hunderttauſende, zum Morden bereit, ſich gegenüber ſtehen, darauf kommt es nicht an. Aber es muß kommen. Geblutet muß werden, ge¬ brannt, vertilgt, und der Sturm muß fegen durch
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Goliath niederwarf, wo dieſe Rettungen aus Zerwürfniß
und Elend recht eigentlich die Quinteſſenz unſerer
Geſchichte ſind, warum da glauben, daß ſie jetzt zu
Ende ſind? Warum nicht feſthalten an dem, daß zur
rechten Zeit der rechte Mann ſich wieder einfindet.
Wir ſind jetzt erniedrigt, ja, dupirt vor aller Welt,
vor uns ſelbſt am meiſten, ein Sumpf von Fäulniß,
überdeckt mit einem Flimmer von Eitelkeit und Hoch¬
muth — aber es gab noch verwüſtetere Geſchlechter
vor uns, und Gott gebe, daß nicht noch verwüſtetere
nach uns kommen.“
Eiſenhauch ſah, einen Schritt zurücktretend, dem
alten Mann feierlich in's Geſicht:
„Sie fordern von mir Genugthuung?“
„Und mitleidig blicken Sie auf meinen ſchwa¬
chen Arm. Wenn er den Degen nicht mehr führen
kann, iſt er doch noch ſtark, um die Piſtole zu heben,
und ſtark genug iſt der Greis, mein Herr, der Mün¬
dung Ihres Feuerrohrs in's Auge zu ſehen.“
Eiſenhauch hatte ein Piſtolenpaar in der Hand,
aber er warf ſie in den Kaſten:
„Ich nehme Ihre Forderung an, aber — für
ſpäter. Jetzt haben andere Miſſionen das Vorrecht.
Mein Herr, ein großes Schlachtfeld breitet ſich vor
uns aus. Ob morgen, ob nach Monaten, ob nach
Jahren die Hunderttauſende, zum Morden bereit,
ſich gegenüber ſtehen, darauf kommt es nicht an.
Aber es muß kommen. Geblutet muß werden, ge¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/316>, abgerufen am 08.07.2024.
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