Arme gepackt oder ob er nur seinen Aermel berührt hat, ob der Cornet sich mit ihm schlagen darf oder -- Gott weiß was, ich weiß nur, Herr Regierungsrath, eine Regierung ist glücklich, die Unterthanen von so subtilem Verstande hat, die nach jedem Köder sprin¬ gen, den man ihnen hinwirft. Hannibal vor den Thoren, und sie streiten, ob die Gans in Moll oder Dur gegakkert hat, als Vrennus stürmte!"
"Und das Resultat, Herr Freiherr von Eisenhauch?"
"Daß Deutschland auf den Neumond hoffen mag, auf einen Kometen, auf die Sturmbraut, mei¬ nethalben auf Napoleons Großmuth, auf Alles, nur nicht auf Preußen."
Fuchsius hatte seinen Hut ergriffen: "Wenn eine Epidemie herrscht, lohnt es, dünkt mich, nicht der Mühe, zu untersuchen, wer der Kränkste ist. Leben Sie wohl. Wir sind Alle krank, Major, sehr krank. Preußens Genius verzeihe Ihnen, was Sie spra¬ chen, wenn Sie einen gesündern finden."
Er hörte nicht mehr die Worte, die mit sonorer Stimme durch die offene Thür in das Zimmer schallten:
"Herr Major, eine Beleidigung, dem Staate zugefügt, trifft auch jeden Bürger."
Den Hut auf dem Kopfe, den Stock in der Hand, der krampfhaft auf dem Boden hämmerte, stand der Major Rittgarten auf der Schwelle. Un¬ ter seinen grauen Wimpern schossen die Augen zorn¬ funkelnde Blicke auf Eisenhauch.
Arme gepackt oder ob er nur ſeinen Aermel berührt hat, ob der Cornet ſich mit ihm ſchlagen darf oder — Gott weiß was, ich weiß nur, Herr Regierungsrath, eine Regierung iſt glücklich, die Unterthanen von ſo ſubtilem Verſtande hat, die nach jedem Köder ſprin¬ gen, den man ihnen hinwirft. Hannibal vor den Thoren, und ſie ſtreiten, ob die Gans in Moll oder Dur gegakkert hat, als Vrennus ſtürmte!“
„Und das Reſultat, Herr Freiherr von Eiſenhauch?“
„Daß Deutſchland auf den Neumond hoffen mag, auf einen Kometen, auf die Sturmbraut, mei¬ nethalben auf Napoleons Großmuth, auf Alles, nur nicht auf Preußen.“
Fuchſius hatte ſeinen Hut ergriffen: „Wenn eine Epidemie herrſcht, lohnt es, dünkt mich, nicht der Mühe, zu unterſuchen, wer der Kränkſte iſt. Leben Sie wohl. Wir ſind Alle krank, Major, ſehr krank. Preußens Genius verzeihe Ihnen, was Sie ſpra¬ chen, wenn Sie einen geſündern finden.“
Er hörte nicht mehr die Worte, die mit ſonorer Stimme durch die offene Thür in das Zimmer ſchallten:
„Herr Major, eine Beleidigung, dem Staate zugefügt, trifft auch jeden Bürger.“
Den Hut auf dem Kopfe, den Stock in der Hand, der krampfhaft auf dem Boden hämmerte, ſtand der Major Rittgarten auf der Schwelle. Un¬ ter ſeinen grauen Wimpern ſchoſſen die Augen zorn¬ funkelnde Blicke auf Eiſenhauch.
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Arme gepackt oder ob er nur ſeinen Aermel berührt
hat, ob der Cornet ſich mit ihm ſchlagen darf oder —
Gott weiß was, ich weiß nur, Herr Regierungsrath,
eine Regierung iſt glücklich, die Unterthanen von ſo
ſubtilem Verſtande hat, die nach jedem Köder ſprin¬
gen, den man ihnen hinwirft. Hannibal vor den
Thoren, und ſie ſtreiten, ob die Gans in Moll oder
Dur gegakkert hat, als Vrennus ſtürmte!“
„Und das Reſultat, Herr Freiherr von Eiſenhauch?“
„Daß Deutſchland auf den Neumond hoffen
mag, auf einen Kometen, auf die Sturmbraut, mei¬
nethalben auf Napoleons Großmuth, auf Alles, nur
nicht auf Preußen.“
Fuchſius hatte ſeinen Hut ergriffen: „Wenn eine
Epidemie herrſcht, lohnt es, dünkt mich, nicht der
Mühe, zu unterſuchen, wer der Kränkſte iſt. Leben
Sie wohl. Wir ſind Alle krank, Major, ſehr krank.
Preußens Genius verzeihe Ihnen, was Sie ſpra¬
chen, wenn Sie einen geſündern finden.“
Er hörte nicht mehr die Worte, die mit ſonorer
Stimme durch die offene Thür in das Zimmer
ſchallten:
„Herr Major, eine Beleidigung, dem Staate
zugefügt, trifft auch jeden Bürger.“
Den Hut auf dem Kopfe, den Stock in der
Hand, der krampfhaft auf dem Boden hämmerte,
ſtand der Major Rittgarten auf der Schwelle. Un¬
ter ſeinen grauen Wimpern ſchoſſen die Augen zorn¬
funkelnde Blicke auf Eiſenhauch.
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/311>, abgerufen am 08.07.2024.
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