Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

rath war frappirt: "Dieser Mensch weiß Alles." --
"Wenn wir nicht wollen, sagte Eisenhauch, die Lippen
zusammen beißend, so zwingen uns Andre zum Ernst."
Man beobachtete die Fürstin, um auf ihrem Gesicht
die Bestätigung zu lesen. Man konnte nichts lesen;
sie war mit Adelheid beschäftigt, der sie heut ihre
ganze Aufmerksamkeit zu widmen schien.

"Herr von Wandel, Ihre Neuigkeiten sind noch
nicht zu Ende?"

Er war gefällig, und gab eine ganze Liste von
Avancements und Verfügungen zum Besten: "Auch
hat Herr von Bovillard mit seinem Sohne sich aus¬
gesöhnt. Er will ihn wieder für den Staatsdienst
gewinnen. Einstweilen hat der junge Bovillard
Courierstiefel anziehen müssen. Er ist fortgeschickt."

"Da wird doch wenigstens ein Platz in den
Gefängnissen frei," sagte die Geheimräthin mit Bitter¬
keit, und ihr Blick fiel auf Adelheid. Ob zufällig,
oder ob sie eine Veränderung auf ihrem Gesicht
bemerkte?

"Meine holde Adelheid erschrak, sagte die Fürstin,
bei Ihrer Nachricht von der Ankunft unsres Kaisers,
Herr von Wandel. Sie stellt sich unter einem Kaiser
aller Reussen einen orientalischen Despoten vor, einen
Großmogul, vor dem Alles in Ehrfurcht auf den
Boden stürzen muß. Ihr Lehrer wird ihr sagen,
ein wie liebenswürdiger Cavalier Kaiser Alexander
ist. Auch ein Welteroberer, aber -- durch Huld und
Güte gewinnt er die Herzen. -- Doch mich dünkt,

rath war frappirt: „Dieſer Menſch weiß Alles.“ —
„Wenn wir nicht wollen, ſagte Eiſenhauch, die Lippen
zuſammen beißend, ſo zwingen uns Andre zum Ernſt.“
Man beobachtete die Fürſtin, um auf ihrem Geſicht
die Beſtätigung zu leſen. Man konnte nichts leſen;
ſie war mit Adelheid beſchäftigt, der ſie heut ihre
ganze Aufmerkſamkeit zu widmen ſchien.

„Herr von Wandel, Ihre Neuigkeiten ſind noch
nicht zu Ende?“

Er war gefällig, und gab eine ganze Liſte von
Avancements und Verfügungen zum Beſten: „Auch
hat Herr von Bovillard mit ſeinem Sohne ſich aus¬
geſöhnt. Er will ihn wieder für den Staatsdienſt
gewinnen. Einſtweilen hat der junge Bovillard
Courierſtiefel anziehen müſſen. Er iſt fortgeſchickt.“

„Da wird doch wenigſtens ein Platz in den
Gefängniſſen frei,“ ſagte die Geheimräthin mit Bitter¬
keit, und ihr Blick fiel auf Adelheid. Ob zufällig,
oder ob ſie eine Veränderung auf ihrem Geſicht
bemerkte?

„Meine holde Adelheid erſchrak, ſagte die Fürſtin,
bei Ihrer Nachricht von der Ankunft unſres Kaiſers,
Herr von Wandel. Sie ſtellt ſich unter einem Kaiſer
aller Reuſſen einen orientaliſchen Despoten vor, einen
Großmogul, vor dem Alles in Ehrfurcht auf den
Boden ſtürzen muß. Ihr Lehrer wird ihr ſagen,
ein wie liebenswürdiger Cavalier Kaiſer Alexander
iſt. Auch ein Welteroberer, aber — durch Huld und
Güte gewinnt er die Herzen. — Doch mich dünkt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0030" n="20"/>
rath war frappirt: &#x201E;Die&#x017F;er Men&#x017F;ch weiß Alles.&#x201C; &#x2014;<lb/>
&#x201E;Wenn <hi rendition="#g">wir</hi> nicht wollen, &#x017F;agte Ei&#x017F;enhauch, die Lippen<lb/>
zu&#x017F;ammen beißend, &#x017F;o zwingen uns Andre zum Ern&#x017F;t.&#x201C;<lb/>
Man beobachtete die Für&#x017F;tin, um auf ihrem Ge&#x017F;icht<lb/>
die Be&#x017F;tätigung zu le&#x017F;en. Man konnte nichts le&#x017F;en;<lb/>
&#x017F;ie war mit Adelheid be&#x017F;chäftigt, der &#x017F;ie heut ihre<lb/>
ganze Aufmerk&#x017F;amkeit zu widmen &#x017F;chien.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Herr von Wandel, Ihre Neuigkeiten &#x017F;ind noch<lb/>
nicht zu Ende?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er war gefällig, und gab eine ganze Li&#x017F;te von<lb/>
Avancements und Verfügungen zum Be&#x017F;ten: &#x201E;Auch<lb/>
hat Herr von Bovillard mit &#x017F;einem Sohne &#x017F;ich aus¬<lb/>
ge&#x017F;öhnt. Er will ihn wieder für den Staatsdien&#x017F;t<lb/>
gewinnen. Ein&#x017F;tweilen hat der junge Bovillard<lb/>
Courier&#x017F;tiefel anziehen mü&#x017F;&#x017F;en. Er i&#x017F;t fortge&#x017F;chickt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Da wird doch wenig&#x017F;tens ein Platz in den<lb/>
Gefängni&#x017F;&#x017F;en frei,&#x201C; &#x017F;agte die Geheimräthin mit Bitter¬<lb/>
keit, und ihr Blick fiel auf Adelheid. Ob zufällig,<lb/>
oder ob &#x017F;ie eine Veränderung auf ihrem Ge&#x017F;icht<lb/>
bemerkte?</p><lb/>
        <p>&#x201E;Meine holde Adelheid er&#x017F;chrak, &#x017F;agte die Für&#x017F;tin,<lb/>
bei Ihrer Nachricht von der Ankunft un&#x017F;res Kai&#x017F;ers,<lb/>
Herr von Wandel. Sie &#x017F;tellt &#x017F;ich unter einem Kai&#x017F;er<lb/>
aller Reu&#x017F;&#x017F;en einen orientali&#x017F;chen Despoten vor, einen<lb/>
Großmogul, vor dem Alles in Ehrfurcht auf den<lb/>
Boden &#x017F;türzen muß. Ihr Lehrer wird ihr &#x017F;agen,<lb/>
ein wie liebenswürdiger Cavalier Kai&#x017F;er Alexander<lb/>
i&#x017F;t. Auch ein Welteroberer, aber &#x2014; durch Huld und<lb/>
Güte gewinnt er die Herzen. &#x2014; Doch mich dünkt,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0030] rath war frappirt: „Dieſer Menſch weiß Alles.“ — „Wenn wir nicht wollen, ſagte Eiſenhauch, die Lippen zuſammen beißend, ſo zwingen uns Andre zum Ernſt.“ Man beobachtete die Fürſtin, um auf ihrem Geſicht die Beſtätigung zu leſen. Man konnte nichts leſen; ſie war mit Adelheid beſchäftigt, der ſie heut ihre ganze Aufmerkſamkeit zu widmen ſchien. „Herr von Wandel, Ihre Neuigkeiten ſind noch nicht zu Ende?“ Er war gefällig, und gab eine ganze Liſte von Avancements und Verfügungen zum Beſten: „Auch hat Herr von Bovillard mit ſeinem Sohne ſich aus¬ geſöhnt. Er will ihn wieder für den Staatsdienſt gewinnen. Einſtweilen hat der junge Bovillard Courierſtiefel anziehen müſſen. Er iſt fortgeſchickt.“ „Da wird doch wenigſtens ein Platz in den Gefängniſſen frei,“ ſagte die Geheimräthin mit Bitter¬ keit, und ihr Blick fiel auf Adelheid. Ob zufällig, oder ob ſie eine Veränderung auf ihrem Geſicht bemerkte? „Meine holde Adelheid erſchrak, ſagte die Fürſtin, bei Ihrer Nachricht von der Ankunft unſres Kaiſers, Herr von Wandel. Sie ſtellt ſich unter einem Kaiſer aller Reuſſen einen orientaliſchen Despoten vor, einen Großmogul, vor dem Alles in Ehrfurcht auf den Boden ſtürzen muß. Ihr Lehrer wird ihr ſagen, ein wie liebenswürdiger Cavalier Kaiſer Alexander iſt. Auch ein Welteroberer, aber — durch Huld und Güte gewinnt er die Herzen. — Doch mich dünkt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/30
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/30>, abgerufen am 24.11.2024.