rath war frappirt: "Dieser Mensch weiß Alles." -- "Wenn wir nicht wollen, sagte Eisenhauch, die Lippen zusammen beißend, so zwingen uns Andre zum Ernst." Man beobachtete die Fürstin, um auf ihrem Gesicht die Bestätigung zu lesen. Man konnte nichts lesen; sie war mit Adelheid beschäftigt, der sie heut ihre ganze Aufmerksamkeit zu widmen schien.
"Herr von Wandel, Ihre Neuigkeiten sind noch nicht zu Ende?"
Er war gefällig, und gab eine ganze Liste von Avancements und Verfügungen zum Besten: "Auch hat Herr von Bovillard mit seinem Sohne sich aus¬ gesöhnt. Er will ihn wieder für den Staatsdienst gewinnen. Einstweilen hat der junge Bovillard Courierstiefel anziehen müssen. Er ist fortgeschickt."
"Da wird doch wenigstens ein Platz in den Gefängnissen frei," sagte die Geheimräthin mit Bitter¬ keit, und ihr Blick fiel auf Adelheid. Ob zufällig, oder ob sie eine Veränderung auf ihrem Gesicht bemerkte?
"Meine holde Adelheid erschrak, sagte die Fürstin, bei Ihrer Nachricht von der Ankunft unsres Kaisers, Herr von Wandel. Sie stellt sich unter einem Kaiser aller Reussen einen orientalischen Despoten vor, einen Großmogul, vor dem Alles in Ehrfurcht auf den Boden stürzen muß. Ihr Lehrer wird ihr sagen, ein wie liebenswürdiger Cavalier Kaiser Alexander ist. Auch ein Welteroberer, aber -- durch Huld und Güte gewinnt er die Herzen. -- Doch mich dünkt,
rath war frappirt: „Dieſer Menſch weiß Alles.“ — „Wenn wir nicht wollen, ſagte Eiſenhauch, die Lippen zuſammen beißend, ſo zwingen uns Andre zum Ernſt.“ Man beobachtete die Fürſtin, um auf ihrem Geſicht die Beſtätigung zu leſen. Man konnte nichts leſen; ſie war mit Adelheid beſchäftigt, der ſie heut ihre ganze Aufmerkſamkeit zu widmen ſchien.
„Herr von Wandel, Ihre Neuigkeiten ſind noch nicht zu Ende?“
Er war gefällig, und gab eine ganze Liſte von Avancements und Verfügungen zum Beſten: „Auch hat Herr von Bovillard mit ſeinem Sohne ſich aus¬ geſöhnt. Er will ihn wieder für den Staatsdienſt gewinnen. Einſtweilen hat der junge Bovillard Courierſtiefel anziehen müſſen. Er iſt fortgeſchickt.“
„Da wird doch wenigſtens ein Platz in den Gefängniſſen frei,“ ſagte die Geheimräthin mit Bitter¬ keit, und ihr Blick fiel auf Adelheid. Ob zufällig, oder ob ſie eine Veränderung auf ihrem Geſicht bemerkte?
„Meine holde Adelheid erſchrak, ſagte die Fürſtin, bei Ihrer Nachricht von der Ankunft unſres Kaiſers, Herr von Wandel. Sie ſtellt ſich unter einem Kaiſer aller Reuſſen einen orientaliſchen Despoten vor, einen Großmogul, vor dem Alles in Ehrfurcht auf den Boden ſtürzen muß. Ihr Lehrer wird ihr ſagen, ein wie liebenswürdiger Cavalier Kaiſer Alexander iſt. Auch ein Welteroberer, aber — durch Huld und Güte gewinnt er die Herzen. — Doch mich dünkt,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0030"n="20"/>
rath war frappirt: „Dieſer Menſch weiß Alles.“—<lb/>„Wenn <hirendition="#g">wir</hi> nicht wollen, ſagte Eiſenhauch, die Lippen<lb/>
zuſammen beißend, ſo zwingen uns Andre zum Ernſt.“<lb/>
Man beobachtete die Fürſtin, um auf ihrem Geſicht<lb/>
die Beſtätigung zu leſen. Man konnte nichts leſen;<lb/>ſie war mit Adelheid beſchäftigt, der ſie heut ihre<lb/>
ganze Aufmerkſamkeit zu widmen ſchien.</p><lb/><p>„Herr von Wandel, Ihre Neuigkeiten ſind noch<lb/>
nicht zu Ende?“</p><lb/><p>Er war gefällig, und gab eine ganze Liſte von<lb/>
Avancements und Verfügungen zum Beſten: „Auch<lb/>
hat Herr von Bovillard mit ſeinem Sohne ſich aus¬<lb/>
geſöhnt. Er will ihn wieder für den Staatsdienſt<lb/>
gewinnen. Einſtweilen hat der junge Bovillard<lb/>
Courierſtiefel anziehen müſſen. Er iſt fortgeſchickt.“</p><lb/><p>„Da wird doch wenigſtens ein Platz in den<lb/>
Gefängniſſen frei,“ſagte die Geheimräthin mit Bitter¬<lb/>
keit, und ihr Blick fiel auf Adelheid. Ob zufällig,<lb/>
oder ob ſie eine Veränderung auf ihrem Geſicht<lb/>
bemerkte?</p><lb/><p>„Meine holde Adelheid erſchrak, ſagte die Fürſtin,<lb/>
bei Ihrer Nachricht von der Ankunft unſres Kaiſers,<lb/>
Herr von Wandel. Sie ſtellt ſich unter einem Kaiſer<lb/>
aller Reuſſen einen orientaliſchen Despoten vor, einen<lb/>
Großmogul, vor dem Alles in Ehrfurcht auf den<lb/>
Boden ſtürzen muß. Ihr Lehrer wird ihr ſagen,<lb/>
ein wie liebenswürdiger Cavalier Kaiſer Alexander<lb/>
iſt. Auch ein Welteroberer, aber — durch Huld und<lb/>
Güte gewinnt er die Herzen. — Doch mich dünkt,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[20/0030]
rath war frappirt: „Dieſer Menſch weiß Alles.“ —
„Wenn wir nicht wollen, ſagte Eiſenhauch, die Lippen
zuſammen beißend, ſo zwingen uns Andre zum Ernſt.“
Man beobachtete die Fürſtin, um auf ihrem Geſicht
die Beſtätigung zu leſen. Man konnte nichts leſen;
ſie war mit Adelheid beſchäftigt, der ſie heut ihre
ganze Aufmerkſamkeit zu widmen ſchien.
„Herr von Wandel, Ihre Neuigkeiten ſind noch
nicht zu Ende?“
Er war gefällig, und gab eine ganze Liſte von
Avancements und Verfügungen zum Beſten: „Auch
hat Herr von Bovillard mit ſeinem Sohne ſich aus¬
geſöhnt. Er will ihn wieder für den Staatsdienſt
gewinnen. Einſtweilen hat der junge Bovillard
Courierſtiefel anziehen müſſen. Er iſt fortgeſchickt.“
„Da wird doch wenigſtens ein Platz in den
Gefängniſſen frei,“ ſagte die Geheimräthin mit Bitter¬
keit, und ihr Blick fiel auf Adelheid. Ob zufällig,
oder ob ſie eine Veränderung auf ihrem Geſicht
bemerkte?
„Meine holde Adelheid erſchrak, ſagte die Fürſtin,
bei Ihrer Nachricht von der Ankunft unſres Kaiſers,
Herr von Wandel. Sie ſtellt ſich unter einem Kaiſer
aller Reuſſen einen orientaliſchen Despoten vor, einen
Großmogul, vor dem Alles in Ehrfurcht auf den
Boden ſtürzen muß. Ihr Lehrer wird ihr ſagen,
ein wie liebenswürdiger Cavalier Kaiſer Alexander
iſt. Auch ein Welteroberer, aber — durch Huld und
Güte gewinnt er die Herzen. — Doch mich dünkt,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/30>, abgerufen am 08.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.