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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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ihr rasch seinen Arm, während die Officiere zu einer
Art Kriegsrath zusammengetreten waren.

"Redestehen!" -- "Nimmermehr." -- "Die
Peitsche dem Poltron!"

"Meine Herren, sagte der Obrist im Abgehen,
wenn er den Rock des Königs angefaßt und sich
falvirt hat, ehe er Rede stand, ob er nicht nur einen
Fleck drauf abklopfen wollte, so schickt sichs weder
Satisfaction von ihm zu fordern, noch für Sie den
Bütteldienst zu übernehmen. Das ist nun meines
Erachtens allein Sache der Polizei und der Justiz,
und vor der Hand können Sie's ruhig einem Wacht¬
meister und Sergeanten überlassen. Empfehle mich
Ihnen."

Der Geheimrath Bovillard hatte sich über sei¬
nen kranken Sohn werfen wollen, aber vernünftige
Freunde ihn zurückgehalten, weil es sich mit seiner
Würde nicht vertrage, weil das vor dem Theater-
Publikum eine Scene aufführen hieße, weil sein
Sohn in keiner Lebensgefahr sei, weil jeder Affect
die Lage desselben verschlimmern könne. Der Ge¬
heimrath Bovillard war den vernünftigen Vorstellun¬
gen zugänglich, und für den öffentlichen Anstand hatte
er immer das feinste Gefühl.

Um so besser, als man seinen Sohn bereits auf
demselben Ruhebett, auf welchem bei der Darstellung
des Puls der kranke junge Graf gelegen, fortgetra¬
gen hatte. Dabei mußte sich noch einiges ereignet
haben, was die Umstehenden beschäftigte. Man hatte

ihr raſch ſeinen Arm, während die Officiere zu einer
Art Kriegsrath zuſammengetreten waren.

„Redeſtehen!“ — „Nimmermehr.“ — „Die
Peitſche dem Poltron!“

„Meine Herren, ſagte der Obriſt im Abgehen,
wenn er den Rock des Königs angefaßt und ſich
falvirt hat, ehe er Rede ſtand, ob er nicht nur einen
Fleck drauf abklopfen wollte, ſo ſchickt ſichs weder
Satisfaction von ihm zu fordern, noch für Sie den
Bütteldienſt zu übernehmen. Das iſt nun meines
Erachtens allein Sache der Polizei und der Juſtiz,
und vor der Hand können Sie's ruhig einem Wacht¬
meiſter und Sergeanten überlaſſen. Empfehle mich
Ihnen.“

Der Geheimrath Bovillard hatte ſich über ſei¬
nen kranken Sohn werfen wollen, aber vernünftige
Freunde ihn zurückgehalten, weil es ſich mit ſeiner
Würde nicht vertrage, weil das vor dem Theater-
Publikum eine Scene aufführen hieße, weil ſein
Sohn in keiner Lebensgefahr ſei, weil jeder Affect
die Lage deſſelben verſchlimmern könne. Der Ge¬
heimrath Bovillard war den vernünftigen Vorſtellun¬
gen zugänglich, und für den öffentlichen Anſtand hatte
er immer das feinſte Gefühl.

Um ſo beſſer, als man ſeinen Sohn bereits auf
demſelben Ruhebett, auf welchem bei der Darſtellung
des Puls der kranke junge Graf gelegen, fortgetra¬
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[278/0288] ihr raſch ſeinen Arm, während die Officiere zu einer Art Kriegsrath zuſammengetreten waren. „Redeſtehen!“ — „Nimmermehr.“ — „Die Peitſche dem Poltron!“ „Meine Herren, ſagte der Obriſt im Abgehen, wenn er den Rock des Königs angefaßt und ſich falvirt hat, ehe er Rede ſtand, ob er nicht nur einen Fleck drauf abklopfen wollte, ſo ſchickt ſichs weder Satisfaction von ihm zu fordern, noch für Sie den Bütteldienſt zu übernehmen. Das iſt nun meines Erachtens allein Sache der Polizei und der Juſtiz, und vor der Hand können Sie's ruhig einem Wacht¬ meiſter und Sergeanten überlaſſen. Empfehle mich Ihnen.“ Der Geheimrath Bovillard hatte ſich über ſei¬ nen kranken Sohn werfen wollen, aber vernünftige Freunde ihn zurückgehalten, weil es ſich mit ſeiner Würde nicht vertrage, weil das vor dem Theater- Publikum eine Scene aufführen hieße, weil ſein Sohn in keiner Lebensgefahr ſei, weil jeder Affect die Lage deſſelben verſchlimmern könne. Der Ge¬ heimrath Bovillard war den vernünftigen Vorſtellun¬ gen zugänglich, und für den öffentlichen Anſtand hatte er immer das feinſte Gefühl. Um ſo beſſer, als man ſeinen Sohn bereits auf demſelben Ruhebett, auf welchem bei der Darſtellung des Puls der kranke junge Graf gelegen, fortgetra¬ gen hatte. Dabei mußte ſich noch einiges ereignet haben, was die Umſtehenden beſchäftigte. Man hatte

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/288>, abgerufen am 24.11.2024.