erstarrten Körper, pulsirten. Die Theilnahme war verschieden. Eine Stimme rief aus der Mitte heraus: "Ah c'est pittoresque! C'est vraiment antique et classique!"
"Aber er stirbt ja wirklich!" schrieen Andere.
Der Classicismus mußte in dieser Versammlung noch eingewurzelt sein, denn es fand sich Jemand, der seine Zuhörer an das erhabene Beispiel aus dem Alterthum erinnerte, wo der Bote einer Siegesnach¬ richt im Augenblick, wo er sie überbrachte, aus Er¬ schöpfung zu den Füßen seiner Mutter todt nieder¬ stürzte, und die Mutter ward um deshalb als die glücklichste Frau im ganzen Hellas gepriesen.
Herr Herklotz, der Theaterdichter, man vermuthet, daß er es gewesen, hatte mit Iffland einige Worte geflüstert, und dieser, heute in andauernder Aufre¬ gung, hatte schon den breitkrämpigen Hut gezogen, und war an die Lampen getreten zu einer neuen pa¬ triotischen Ansprache, muthmaßlich aus jener Ver¬ gleichung geschöpft, als Major Eisenhauch ihn sanft am Arm faßte:
"Um Gottes Willen, Herr Director, bedenken Sie, da ist der Vater des Sterbenden."
Der Geheimrath Bovillard, in einem Gespräch mit St. Real begriffen, hatte erst spät seinen Sohn erkannt. "Mais enfin, grand Dieu, c'est donc mon fils!" rief er händeringend zu denen, die ihn abhal¬ ten wollten, sich auf die Bühne zu stürzen, und ar¬ beitete sich durch das Gedränge.
erſtarrten Körper, pulſirten. Die Theilnahme war verſchieden. Eine Stimme rief aus der Mitte heraus: „Ah c'est pittoresque! C'est vraiment antique et classique!“
„Aber er ſtirbt ja wirklich!“ ſchrieen Andere.
Der Claſſicismus mußte in dieſer Verſammlung noch eingewurzelt ſein, denn es fand ſich Jemand, der ſeine Zuhörer an das erhabene Beiſpiel aus dem Alterthum erinnerte, wo der Bote einer Siegesnach¬ richt im Augenblick, wo er ſie überbrachte, aus Er¬ ſchöpfung zu den Füßen ſeiner Mutter todt nieder¬ ſtürzte, und die Mutter ward um deshalb als die glücklichſte Frau im ganzen Hellas geprieſen.
Herr Herklotz, der Theaterdichter, man vermuthet, daß er es geweſen, hatte mit Iffland einige Worte geflüſtert, und dieſer, heute in andauernder Aufre¬ gung, hatte ſchon den breitkrämpigen Hut gezogen, und war an die Lampen getreten zu einer neuen pa¬ triotiſchen Anſprache, muthmaßlich aus jener Ver¬ gleichung geſchöpft, als Major Eiſenhauch ihn ſanft am Arm faßte:
„Um Gottes Willen, Herr Director, bedenken Sie, da iſt der Vater des Sterbenden.“
Der Geheimrath Bovillard, in einem Geſpräch mit St. Real begriffen, hatte erſt ſpät ſeinen Sohn erkannt. „Mais enfin, grand Dieu, c'est donc mon fils!“ rief er händeringend zu denen, die ihn abhal¬ ten wollten, ſich auf die Bühne zu ſtürzen, und ar¬ beitete ſich durch das Gedränge.
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erſtarrten Körper, pulſirten. Die Theilnahme war
verſchieden. Eine Stimme rief aus der Mitte heraus:
„Ah c'est pittoresque! C'est vraiment antique et
classique!“
„Aber er ſtirbt ja wirklich!“ ſchrieen Andere.
Der Claſſicismus mußte in dieſer Verſammlung
noch eingewurzelt ſein, denn es fand ſich Jemand,
der ſeine Zuhörer an das erhabene Beiſpiel aus dem
Alterthum erinnerte, wo der Bote einer Siegesnach¬
richt im Augenblick, wo er ſie überbrachte, aus Er¬
ſchöpfung zu den Füßen ſeiner Mutter todt nieder¬
ſtürzte, und die Mutter ward um deshalb als die
glücklichſte Frau im ganzen Hellas geprieſen.
Herr Herklotz, der Theaterdichter, man vermuthet,
daß er es geweſen, hatte mit Iffland einige Worte
geflüſtert, und dieſer, heute in andauernder Aufre¬
gung, hatte ſchon den breitkrämpigen Hut gezogen,
und war an die Lampen getreten zu einer neuen pa¬
triotiſchen Anſprache, muthmaßlich aus jener Ver¬
gleichung geſchöpft, als Major Eiſenhauch ihn ſanft
am Arm faßte:
„Um Gottes Willen, Herr Director, bedenken Sie,
da iſt der Vater des Sterbenden.“
Der Geheimrath Bovillard, in einem Geſpräch
mit St. Real begriffen, hatte erſt ſpät ſeinen Sohn
erkannt. „Mais enfin, grand Dieu, c'est donc mon
fils!“ rief er händeringend zu denen, die ihn abhal¬
ten wollten, ſich auf die Bühne zu ſtürzen, und ar¬
beitete ſich durch das Gedränge.
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/286>, abgerufen am 08.07.2024.
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