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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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keit wieder auf den allgemeinen Gegenstand der Theil¬
nahme gelenkt. Wie wenn ein Vorhang zu beiden
Seiten aufrollte, hatten sich die Personen, welche um
den Courier gestanden, nach beiden Seiten vertheilt,
um der stürmischen Forderung des übrigen Publikums
zu genügen. Bovillard lag auf dem Boden, das
umkränzte Haupt vom Theaterarzt gestützt, während
seine ausgestreckte Rechte die Hand des jungen Mäd¬
chens noch immer gefaßt hielt, welche den Kranz ihm
aufgedrückt. Diese kniete, entweder durch ihre Lage
dazu genöthigt oder aus eigener Bewegung, daneben.
Von der Fieberröthe fluthete nichts mehr auf ihrem
Gesicht; es war todtenblaß, nur die großen schönen
Augen starrten auf den Jüngling zu ihren Füßen.
Sie selbst schien der Hülfe zu bedürfen, denn die
Fürstin hielt sie umfaßt. Die Wallensteinschen Krie¬
ger, auf ihre langen Degen gestützt, standen im Halb¬
kreis wie eine Wache. Es war nicht Arrangement,
es hatte sich von selbst so gemacht. Wer den Rest
Spiritus auf dem Altar entzündet, dessen blaue
Flammen spärlich durch das Halbdunkel der verlöschen¬
den Oellampen in die Höhe leckten, ist nie ermittelt.

Der Anblick war überraschend, das erste Schwei¬
gen des Publikums verrieth, daß es den Sinn und
Zusammenhang nicht begriff. Es wußte nicht, ob es
noch jubeln dürfe, ob trauern solle? Eigentlich
wußte es Niemand; was seit letzt geschehen, ging
über alles Arrangement hinaus, bis die Gefühle
der Einzelnen, wie kleine Blutadern in einem großen

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keit wieder auf den allgemeinen Gegenſtand der Theil¬
nahme gelenkt. Wie wenn ein Vorhang zu beiden
Seiten aufrollte, hatten ſich die Perſonen, welche um
den Courier geſtanden, nach beiden Seiten vertheilt,
um der ſtürmiſchen Forderung des übrigen Publikums
zu genügen. Bovillard lag auf dem Boden, das
umkränzte Haupt vom Theaterarzt geſtützt, während
ſeine ausgeſtreckte Rechte die Hand des jungen Mäd¬
chens noch immer gefaßt hielt, welche den Kranz ihm
aufgedrückt. Dieſe kniete, entweder durch ihre Lage
dazu genöthigt oder aus eigener Bewegung, daneben.
Von der Fieberröthe fluthete nichts mehr auf ihrem
Geſicht; es war todtenblaß, nur die großen ſchönen
Augen ſtarrten auf den Jüngling zu ihren Füßen.
Sie ſelbſt ſchien der Hülfe zu bedürfen, denn die
Fürſtin hielt ſie umfaßt. Die Wallenſteinſchen Krie¬
ger, auf ihre langen Degen geſtützt, ſtanden im Halb¬
kreis wie eine Wache. Es war nicht Arrangement,
es hatte ſich von ſelbſt ſo gemacht. Wer den Reſt
Spiritus auf dem Altar entzündet, deſſen blaue
Flammen ſpärlich durch das Halbdunkel der verlöſchen¬
den Oellampen in die Höhe leckten, iſt nie ermittelt.

Der Anblick war überraſchend, das erſte Schwei¬
gen des Publikums verrieth, daß es den Sinn und
Zuſammenhang nicht begriff. Es wußte nicht, ob es
noch jubeln dürfe, ob trauern ſolle? Eigentlich
wußte es Niemand; was ſeit letzt geſchehen, ging
über alles Arrangement hinaus, bis die Gefühle
der Einzelnen, wie kleine Blutadern in einem großen

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[275/0285] keit wieder auf den allgemeinen Gegenſtand der Theil¬ nahme gelenkt. Wie wenn ein Vorhang zu beiden Seiten aufrollte, hatten ſich die Perſonen, welche um den Courier geſtanden, nach beiden Seiten vertheilt, um der ſtürmiſchen Forderung des übrigen Publikums zu genügen. Bovillard lag auf dem Boden, das umkränzte Haupt vom Theaterarzt geſtützt, während ſeine ausgeſtreckte Rechte die Hand des jungen Mäd¬ chens noch immer gefaßt hielt, welche den Kranz ihm aufgedrückt. Dieſe kniete, entweder durch ihre Lage dazu genöthigt oder aus eigener Bewegung, daneben. Von der Fieberröthe fluthete nichts mehr auf ihrem Geſicht; es war todtenblaß, nur die großen ſchönen Augen ſtarrten auf den Jüngling zu ihren Füßen. Sie ſelbſt ſchien der Hülfe zu bedürfen, denn die Fürſtin hielt ſie umfaßt. Die Wallenſteinſchen Krie¬ ger, auf ihre langen Degen geſtützt, ſtanden im Halb¬ kreis wie eine Wache. Es war nicht Arrangement, es hatte ſich von ſelbſt ſo gemacht. Wer den Reſt Spiritus auf dem Altar entzündet, deſſen blaue Flammen ſpärlich durch das Halbdunkel der verlöſchen¬ den Oellampen in die Höhe leckten, iſt nie ermittelt. Der Anblick war überraſchend, das erſte Schwei¬ gen des Publikums verrieth, daß es den Sinn und Zuſammenhang nicht begriff. Es wußte nicht, ob es noch jubeln dürfe, ob trauern ſolle? Eigentlich wußte es Niemand; was ſeit letzt geſchehen, ging über alles Arrangement hinaus, bis die Gefühle der Einzelnen, wie kleine Blutadern in einem großen 18 *

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/285>, abgerufen am 24.11.2024.