sonst. Wie er mit der Rechten den Puls des Patien¬ ten fühlte, zählte er mit den Fingern der Linken auf dem Rücken die Schläge. Das werden Wenige be¬ merkt haben. Er that es auch nicht für's Publikum, für sich, um sich selbst zu genügen. Diese Ruhe, diese Herrschaft über Leidenschaft und Welt, ist es, was den Künstler macht. Ich hätte nur einen Wunsch jetzt --"
"Doch nicht, daß Iffland selbst ins Feld ziehen soll!"
"Nein, ich möchte ihn Talma gegenüber sehen. Jeder, bin ich überzeugt, würde den andern bewun¬ dern, jeder vom andern lernen wollen."
"Französisches Feuer und ein Classiker im Blute!" bemerkte ein Dritter. "Von der Colonie! sagte der Andre. Die besten Preußen und gute Deutsche, und doch alle ein tendre für Bonaparte."
Ein Jubel und Hallo kündigte hier an, daß der Courier ins Theater gezogen war. Noch sahen ihn die Wenigsten, aber Stimmen schrieen schon: "Vic¬ toria! Ein Sieg, ein ungeheurer Sieg! Hoch lebe der König! hoch Preußen!"
Umsonst sträubte sich der junge staubbedeckte Mann, dem man die äußerste Erschöpfung von einem ange¬ strengten Ritte ansah. Sein Gesicht war blaß, nur zuweilen von einer flammenden Röthe überflogen. Er sprach lebhaft, aber mit Anstrengung zu den um ihn Stehenden.
"Meine Herren, es ist ein Irrthum, ich bin nicht
ſonſt. Wie er mit der Rechten den Puls des Patien¬ ten fühlte, zählte er mit den Fingern der Linken auf dem Rücken die Schläge. Das werden Wenige be¬ merkt haben. Er that es auch nicht für's Publikum, für ſich, um ſich ſelbſt zu genügen. Dieſe Ruhe, dieſe Herrſchaft über Leidenſchaft und Welt, iſt es, was den Künſtler macht. Ich hätte nur einen Wunſch jetzt —“
„Doch nicht, daß Iffland ſelbſt ins Feld ziehen ſoll!“
„Nein, ich möchte ihn Talma gegenüber ſehen. Jeder, bin ich überzeugt, würde den andern bewun¬ dern, jeder vom andern lernen wollen.“
„Franzöſiſches Feuer und ein Claſſiker im Blute!“ bemerkte ein Dritter. „Von der Colonie! ſagte der Andre. Die beſten Preußen und gute Deutſche, und doch alle ein tendre für Bonaparte.“
Ein Jubel und Hallo kündigte hier an, daß der Courier ins Theater gezogen war. Noch ſahen ihn die Wenigſten, aber Stimmen ſchrieen ſchon: „Vic¬ toria! Ein Sieg, ein ungeheurer Sieg! Hoch lebe der König! hoch Preußen!“
Umſonſt ſträubte ſich der junge ſtaubbedeckte Mann, dem man die äußerſte Erſchöpfung von einem ange¬ ſtrengten Ritte anſah. Sein Geſicht war blaß, nur zuweilen von einer flammenden Röthe überflogen. Er ſprach lebhaft, aber mit Anſtrengung zu den um ihn Stehenden.
„Meine Herren, es iſt ein Irrthum, ich bin nicht
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ſonſt. Wie er mit der Rechten den Puls des Patien¬
ten fühlte, zählte er mit den Fingern der Linken auf
dem Rücken die Schläge. Das werden Wenige be¬
merkt haben. Er that es auch nicht für's Publikum,
für ſich, um ſich ſelbſt zu genügen. Dieſe Ruhe,
dieſe Herrſchaft über Leidenſchaft und Welt, iſt es,
was den Künſtler macht. Ich hätte nur einen Wunſch
jetzt —“
„Doch nicht, daß Iffland ſelbſt ins Feld ziehen
ſoll!“
„Nein, ich möchte ihn Talma gegenüber ſehen.
Jeder, bin ich überzeugt, würde den andern bewun¬
dern, jeder vom andern lernen wollen.“
„Franzöſiſches Feuer und ein Claſſiker im Blute!“
bemerkte ein Dritter. „Von der Colonie! ſagte der
Andre. Die beſten Preußen und gute Deutſche, und
doch alle ein tendre für Bonaparte.“
Ein Jubel und Hallo kündigte hier an, daß der
Courier ins Theater gezogen war. Noch ſahen ihn
die Wenigſten, aber Stimmen ſchrieen ſchon: „Vic¬
toria! Ein Sieg, ein ungeheurer Sieg! Hoch lebe
der König! hoch Preußen!“
Umſonſt ſträubte ſich der junge ſtaubbedeckte Mann,
dem man die äußerſte Erſchöpfung von einem ange¬
ſtrengten Ritte anſah. Sein Geſicht war blaß, nur
zuweilen von einer flammenden Röthe überflogen.
Er ſprach lebhaft, aber mit Anſtrengung zu den um
ihn Stehenden.
„Meine Herren, es iſt ein Irrthum, ich bin nicht
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/278>, abgerufen am 08.07.2024.
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