Sie hatte ihm geschrieben, ihn zu sich geladen. Und statt zu kommen --"
"Sah sie ihn an der Seite eines hübschen Mäd¬ chens, dem er viele Aufmerksamkeit erwies."
"Ist das nicht Grund genug, Herr Legations¬ rath?"
Wandel zuckte die Achseln: "Unter andern Ver¬ hältnissen. Erlauben Sie mir indeß zu glauben, daß es hier kein Grund ist. Doch bin ich beruhigt, und verzeihen Sie, wenn ich es vorhin nicht schien. Das erste Gesetz der Wissenden; meine Freundin, ist, sich zu hüten vor dem Unnöthigen, wo das Nothwendige schon unsere ganze Geisteskraft beansprucht. Wir dür¬ fen nicht spielen mit den Dämonen, wie diese hier thun; sie vertragen es nicht. Sie gehorchen uns nur, wenn wir das eiserne Auge nie von ihnen lassen und mit einem Stahlarm sie pressen -- auf das Noth¬ wendige hin. Von Phantasten und Jongleurs reißen sie sich los, und schlagen sie mit den zerrissenen Fesseln nieder."
Im Theater ward es laut. Ein Theil des Publikums schien durch Summen und Singen die kriegerischen Töne der Ouverture zu accompagniren.
"Mein Gott, -- wenn sie doch jetzt -- wir versäumen etwas!" rief die Lupinus, es war aber nicht das Verlangen, nach dem Theater zurück zu kehren.
"Wie sanft sie athmet!" sagte die Fürstin.
"Debarrassiren Sie sich von ihr. Es ist am Ende
Sie hatte ihm geſchrieben, ihn zu ſich geladen. Und ſtatt zu kommen —“
„Sah ſie ihn an der Seite eines hübſchen Mäd¬ chens, dem er viele Aufmerkſamkeit erwies.“
„Iſt das nicht Grund genug, Herr Legations¬ rath?“
Wandel zuckte die Achſeln: „Unter andern Ver¬ hältniſſen. Erlauben Sie mir indeß zu glauben, daß es hier kein Grund iſt. Doch bin ich beruhigt, und verzeihen Sie, wenn ich es vorhin nicht ſchien. Das erſte Geſetz der Wiſſenden; meine Freundin, iſt, ſich zu hüten vor dem Unnöthigen, wo das Nothwendige ſchon unſere ganze Geiſteskraft beanſprucht. Wir dür¬ fen nicht ſpielen mit den Dämonen, wie dieſe hier thun; ſie vertragen es nicht. Sie gehorchen uns nur, wenn wir das eiſerne Auge nie von ihnen laſſen und mit einem Stahlarm ſie preſſen — auf das Noth¬ wendige hin. Von Phantaſten und Jongleurs reißen ſie ſich los, und ſchlagen ſie mit den zerriſſenen Feſſeln nieder.“
Im Theater ward es laut. Ein Theil des Publikums ſchien durch Summen und Singen die kriegeriſchen Töne der Ouverture zu accompagniren.
„Mein Gott, — wenn ſie doch jetzt — wir verſäumen etwas!“ rief die Lupinus, es war aber nicht das Verlangen, nach dem Theater zurück zu kehren.
„Wie ſanft ſie athmet!“ ſagte die Fürſtin.
„Debarraſſiren Sie ſich von ihr. Es iſt am Ende
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0263"n="253"/>
Sie hatte ihm geſchrieben, ihn zu ſich geladen. Und<lb/>ſtatt zu kommen —“</p><lb/><p>„Sah ſie ihn an der Seite eines hübſchen Mäd¬<lb/>
chens, dem er viele Aufmerkſamkeit erwies.“</p><lb/><p>„Iſt das nicht Grund genug, Herr Legations¬<lb/>
rath?“</p><lb/><p>Wandel zuckte die Achſeln: „Unter andern Ver¬<lb/>
hältniſſen. Erlauben Sie mir indeß zu glauben, daß<lb/>
es hier kein Grund iſt. Doch bin ich beruhigt, und<lb/>
verzeihen Sie, wenn ich es vorhin nicht ſchien. Das<lb/>
erſte Geſetz der Wiſſenden; meine Freundin, iſt, ſich<lb/>
zu hüten vor dem Unnöthigen, wo das Nothwendige<lb/>ſchon unſere ganze Geiſteskraft beanſprucht. Wir dür¬<lb/>
fen nicht ſpielen mit den Dämonen, wie dieſe hier<lb/>
thun; ſie vertragen es nicht. Sie gehorchen uns nur,<lb/>
wenn wir das eiſerne Auge nie von ihnen laſſen und<lb/>
mit einem Stahlarm ſie preſſen — auf das Noth¬<lb/>
wendige hin. Von Phantaſten und Jongleurs reißen<lb/>ſie ſich los, und ſchlagen ſie mit den zerriſſenen<lb/>
Feſſeln nieder.“</p><lb/><p>Im Theater ward es laut. Ein Theil des<lb/>
Publikums ſchien durch Summen und Singen die<lb/>
kriegeriſchen Töne der Ouverture zu accompagniren.</p><lb/><p>„Mein Gott, — wenn ſie doch jetzt — wir<lb/>
verſäumen etwas!“ rief die Lupinus, es war aber<lb/>
nicht das Verlangen, nach dem Theater zurück zu<lb/>
kehren.</p><lb/><p>„Wie ſanft ſie athmet!“ſagte die Fürſtin.</p><lb/><p>„Debarraſſiren Sie ſich von ihr. Es iſt am Ende<lb/></p></div></body></text></TEI>
[253/0263]
Sie hatte ihm geſchrieben, ihn zu ſich geladen. Und
ſtatt zu kommen —“
„Sah ſie ihn an der Seite eines hübſchen Mäd¬
chens, dem er viele Aufmerkſamkeit erwies.“
„Iſt das nicht Grund genug, Herr Legations¬
rath?“
Wandel zuckte die Achſeln: „Unter andern Ver¬
hältniſſen. Erlauben Sie mir indeß zu glauben, daß
es hier kein Grund iſt. Doch bin ich beruhigt, und
verzeihen Sie, wenn ich es vorhin nicht ſchien. Das
erſte Geſetz der Wiſſenden; meine Freundin, iſt, ſich
zu hüten vor dem Unnöthigen, wo das Nothwendige
ſchon unſere ganze Geiſteskraft beanſprucht. Wir dür¬
fen nicht ſpielen mit den Dämonen, wie dieſe hier
thun; ſie vertragen es nicht. Sie gehorchen uns nur,
wenn wir das eiſerne Auge nie von ihnen laſſen und
mit einem Stahlarm ſie preſſen — auf das Noth¬
wendige hin. Von Phantaſten und Jongleurs reißen
ſie ſich los, und ſchlagen ſie mit den zerriſſenen
Feſſeln nieder.“
Im Theater ward es laut. Ein Theil des
Publikums ſchien durch Summen und Singen die
kriegeriſchen Töne der Ouverture zu accompagniren.
„Mein Gott, — wenn ſie doch jetzt — wir
verſäumen etwas!“ rief die Lupinus, es war aber
nicht das Verlangen, nach dem Theater zurück zu
kehren.
„Wie ſanft ſie athmet!“ ſagte die Fürſtin.
„Debarraſſiren Sie ſich von ihr. Es iſt am Ende
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/263>, abgerufen am 08.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.