"Mein Hotel ist so nahe, liebe Geheimräthin, ich würde mir ein Vergnügen machen, selbst sie dahin zu schaffen. Eine Portechaise steht im Flur. Mein Kammerdiener fliegt dahin -- wenn --"
"Wenn Madame Lupinus, fiel der Legationsrath rasch ein, nicht die Hoffnung hegte, daß die junge Dame sich noch erholte, um an ihrer Seite zur Vor¬ stellung zurückkehren zu können. Und die Hoffnung scheint mir begründet."
"Ich würde es mir nie vergeben, dem Kinde ein Vergnügen zu rauben, nach dem ihr Herz sich sehnt."
Der Legationsrath hatte rasch aus seinem Etui ein Fläschchen geholt, welches er der Fürstin über¬ reichte: "Drei Tropfen in den Händen gerieben, und damit in Intervallen über die Schläfe gefahren. Nur der Luftdruck, nicht Berührung!"
Er war ehrerbietig zurückgetreten, ohne auf die Frage: "Warum nicht Sie selbst?" zu antworten.
Die Ouvertüre begann schon.
"Ich begreife Sie nicht," sagte leise die Lupinus, an deren Seite er sich gestellt, während der Geheim¬ rath Bovillard der Fürstin beistand.
"Noch weniger ich den Zusammenhang hier, entgegnete er im selben Tone. Was ging hier vor?"
"Sie sah eben ihren Liebhaber. Sie hatte ihn vor dem Theater erwartet, so glaube ich wenigstens aus ihren Reden in der Extase schließen zu dürfen.
„Mein Hotel iſt ſo nahe, liebe Geheimräthin, ich würde mir ein Vergnügen machen, ſelbſt ſie dahin zu ſchaffen. Eine Portechaiſe ſteht im Flur. Mein Kammerdiener fliegt dahin — wenn —“
„Wenn Madame Lupinus, fiel der Legationsrath raſch ein, nicht die Hoffnung hegte, daß die junge Dame ſich noch erholte, um an ihrer Seite zur Vor¬ ſtellung zurückkehren zu können. Und die Hoffnung ſcheint mir begründet.“
„Ich würde es mir nie vergeben, dem Kinde ein Vergnügen zu rauben, nach dem ihr Herz ſich ſehnt.“
Der Legationsrath hatte raſch aus ſeinem Etui ein Fläſchchen geholt, welches er der Fürſtin über¬ reichte: „Drei Tropfen in den Händen gerieben, und damit in Intervallen über die Schläfe gefahren. Nur der Luftdruck, nicht Berührung!“
Er war ehrerbietig zurückgetreten, ohne auf die Frage: „Warum nicht Sie ſelbſt?“ zu antworten.
Die Ouvertüre begann ſchon.
„Ich begreife Sie nicht,“ ſagte leiſe die Lupinus, an deren Seite er ſich geſtellt, während der Geheim¬ rath Bovillard der Fürſtin beiſtand.
„Noch weniger ich den Zuſammenhang hier, entgegnete er im ſelben Tone. Was ging hier vor?“
„Sie ſah eben ihren Liebhaber. Sie hatte ihn vor dem Theater erwartet, ſo glaube ich wenigſtens aus ihren Reden in der Extaſe ſchließen zu dürfen.
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„Mein Hotel iſt ſo nahe, liebe Geheimräthin, ich
würde mir ein Vergnügen machen, ſelbſt ſie dahin
zu ſchaffen. Eine Portechaiſe ſteht im Flur. Mein
Kammerdiener fliegt dahin — wenn —“
„Wenn Madame Lupinus, fiel der Legationsrath
raſch ein, nicht die Hoffnung hegte, daß die junge
Dame ſich noch erholte, um an ihrer Seite zur Vor¬
ſtellung zurückkehren zu können. Und die Hoffnung
ſcheint mir begründet.“
„Ich würde es mir nie vergeben, dem Kinde
ein Vergnügen zu rauben, nach dem ihr Herz ſich
ſehnt.“
Der Legationsrath hatte raſch aus ſeinem Etui
ein Fläſchchen geholt, welches er der Fürſtin über¬
reichte: „Drei Tropfen in den Händen gerieben, und
damit in Intervallen über die Schläfe gefahren. Nur
der Luftdruck, nicht Berührung!“
Er war ehrerbietig zurückgetreten, ohne auf die
Frage: „Warum nicht Sie ſelbſt?“ zu antworten.
Die Ouvertüre begann ſchon.
„Ich begreife Sie nicht,“ ſagte leiſe die Lupinus,
an deren Seite er ſich geſtellt, während der Geheim¬
rath Bovillard der Fürſtin beiſtand.
„Noch weniger ich den Zuſammenhang hier,
entgegnete er im ſelben Tone. Was ging hier
vor?“
„Sie ſah eben ihren Liebhaber. Sie hatte ihn
vor dem Theater erwartet, ſo glaube ich wenigſtens
aus ihren Reden in der Extaſe ſchließen zu dürfen.
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/262>, abgerufen am 08.07.2024.
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