hatte, sah die Absicht. Man wollte sie aber auch nicht verbergen, nur einen luftigen Schleier darüber werfen. Volksschauspiele zu arrangiren war die Zeit in Preußen noch nicht gekommen.
Auf dem Komödienzettel stand aber hinter dem Baboschen Puls: "Auf vieles Begehren Wallensteins Lager von Friedrich Schiller."
"Hatte man denn kein patriotischeres Stück?" schien der Sinn der Frage, die Jemand im Parterre sei¬ nem Nachbar zuflüsterte, der zu den Eingeweihten in Beziehung stehen mußte. "Es ist weder preußisch¬ noch deutschpatriotisch." -- "Aber militairisch", antwor¬ tete ein Dritter. -- "Es wäre doch schlimm, meinte jener, wenn wir den Franzoson nichts entgegen zu setzen hätten" -- "Als soldatesken Stolz! ergänzte der Dritte. Ein Schelm giebt mehr als er hat!"
Babos Puls ward mit mehr Aufmerksamkeit gegeben, als gehört. Die Pulsschläge im Parterre waren zu heftig, um den sanften auf den Brettern folgen zu können. Es blieb still trotz des Meister¬ spiels der Darstellenden. Aber doch schlugen nicht alle Pulse auf ein Ziel. Es war so viel zu sehen, viele sahen sich, die sich niemals hier getroffen. Woran sollten die Soldaten denken, die in diesen Räumen zum ersten Mal standen, kerzengrad, auf Commando und des neuen Commando gewärtig. Das Spiel da oben war für sie ein Schattenspiel an der Wand in unverständlichen, gleichgültigen Hie¬
hatte, ſah die Abſicht. Man wollte ſie aber auch nicht verbergen, nur einen luftigen Schleier darüber werfen. Volksſchauſpiele zu arrangiren war die Zeit in Preußen noch nicht gekommen.
Auf dem Komödienzettel ſtand aber hinter dem Baboſchen Puls: „Auf vieles Begehren Wallenſteins Lager von Friedrich Schiller.“
„Hatte man denn kein patriotiſcheres Stück?“ ſchien der Sinn der Frage, die Jemand im Parterre ſei¬ nem Nachbar zuflüſterte, der zu den Eingeweihten in Beziehung ſtehen mußte. „Es iſt weder preußiſch¬ noch deutſchpatriotiſch.“ — „Aber militairiſch“, antwor¬ tete ein Dritter. — „Es wäre doch ſchlimm, meinte jener, wenn wir den Franzoſon nichts entgegen zu ſetzen hätten“ — „Als ſoldatesken Stolz! ergänzte der Dritte. Ein Schelm giebt mehr als er hat!“
Babos Puls ward mit mehr Aufmerkſamkeit gegeben, als gehört. Die Pulsſchläge im Parterre waren zu heftig, um den ſanften auf den Brettern folgen zu können. Es blieb ſtill trotz des Meiſter¬ ſpiels der Darſtellenden. Aber doch ſchlugen nicht alle Pulſe auf ein Ziel. Es war ſo viel zu ſehen, viele ſahen ſich, die ſich niemals hier getroffen. Woran ſollten die Soldaten denken, die in dieſen Räumen zum erſten Mal ſtanden, kerzengrad, auf Commando und des neuen Commando gewärtig. Das Spiel da oben war für ſie ein Schattenſpiel an der Wand in unverſtändlichen, gleichgültigen Hie¬
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hatte, ſah die Abſicht. Man wollte ſie aber auch
nicht verbergen, nur einen luftigen Schleier darüber
werfen. Volksſchauſpiele zu arrangiren war die Zeit
in Preußen noch nicht gekommen.
Auf dem Komödienzettel ſtand aber hinter dem
Baboſchen Puls: „Auf vieles Begehren Wallenſteins
Lager von Friedrich Schiller.“
„Hatte man denn kein patriotiſcheres Stück?“ ſchien
der Sinn der Frage, die Jemand im Parterre ſei¬
nem Nachbar zuflüſterte, der zu den Eingeweihten in
Beziehung ſtehen mußte. „Es iſt weder preußiſch¬
noch deutſchpatriotiſch.“ — „Aber militairiſch“, antwor¬
tete ein Dritter. — „Es wäre doch ſchlimm, meinte
jener, wenn wir den Franzoſon nichts entgegen zu
ſetzen hätten“ — „Als ſoldatesken Stolz! ergänzte der
Dritte. Ein Schelm giebt mehr als er hat!“
Babos Puls ward mit mehr Aufmerkſamkeit
gegeben, als gehört. Die Pulsſchläge im Parterre
waren zu heftig, um den ſanften auf den Brettern
folgen zu können. Es blieb ſtill trotz des Meiſter¬
ſpiels der Darſtellenden. Aber doch ſchlugen nicht
alle Pulſe auf ein Ziel. Es war ſo viel zu ſehen,
viele ſahen ſich, die ſich niemals hier getroffen.
Woran ſollten die Soldaten denken, die in dieſen
Räumen zum erſten Mal ſtanden, kerzengrad, auf
Commando und des neuen Commando gewärtig.
Das Spiel da oben war für ſie ein Schattenſpiel
an der Wand in unverſtändlichen, gleichgültigen Hie¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/252>, abgerufen am 06.05.2024.
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