Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Menschen, der nichts hat und alle vernünftigen Aus¬
sichten von sich stößt. Nicht ihre Eltern hätten es
gewünscht, die jetzt auch höher hinaus dächten, noch
der Vater des jungen Mannes, der gradezu erklärt,
er werde nie solche Schwiegertochter in sein Haus
lassen. Um zu einer solchen Partie ihr zu verhelfen, hätte
Madame Lupinus das schöne Mädchen auch nicht in ihres
genommen, und nun sei doch ihre Lage gewiß nicht
beneidenswerth: eine Pflegetochter hüten, an die keine
Blutsbande sie fesselten, zu einer Verbindung das
Auge zudrücken, die sie ungern sähe, und noch dazu
die Verantwortung gegen die Eltern des Mädchens
und gegen den alten van Asten, von dem sie noch
obenein einen unhöflichen Brief in die Tasche stecken
müssen. Könne das nicht ein edelgesinntes Gemüth
herunterbringen! -- Wenn noch andre fragten, wa¬
rum setzt sie sich dem aus, warum duldet sie's? so
antworteten noch andre Gutgesinnte: alles drehe und
wende sich jetzt um das kleine Köpfchen, und wenn
die Mamsell gleich ihre Herrschaft geschickt zu verbergen
wisse, so wäre sie es doch, die das Haus regiere.
Das komme davon, wenn man sich in Dinge mische,
die uns nichts angehen, sagten wieder die halb Bos¬
haften, und mehr thun wolle, als wozu uns die
Pflicht für unsre nächsten Angehörigen treibt. Sie
hätte doch Anverwandte, und ihr Mann auch, die es
besser brauchen könnten, als das fremde Mädchen,
und ein Recht dazu hätten. Und wenn sie gar ein Wort
fallen lassen, wie es hieß, daß sie daran gedacht die

1*

Menſchen, der nichts hat und alle vernünftigen Aus¬
ſichten von ſich ſtößt. Nicht ihre Eltern hätten es
gewünſcht, die jetzt auch höher hinaus dächten, noch
der Vater des jungen Mannes, der gradezu erklärt,
er werde nie ſolche Schwiegertochter in ſein Haus
laſſen. Um zu einer ſolchen Partie ihr zu verhelfen, hätte
Madame Lupinus das ſchöne Mädchen auch nicht in ihres
genommen, und nun ſei doch ihre Lage gewiß nicht
beneidenswerth: eine Pflegetochter hüten, an die keine
Blutsbande ſie feſſelten, zu einer Verbindung das
Auge zudrücken, die ſie ungern ſähe, und noch dazu
die Verantwortung gegen die Eltern des Mädchens
und gegen den alten van Aſten, von dem ſie noch
obenein einen unhöflichen Brief in die Taſche ſtecken
müſſen. Könne das nicht ein edelgeſinntes Gemüth
herunterbringen! — Wenn noch andre fragten, wa¬
rum ſetzt ſie ſich dem aus, warum duldet ſie's? ſo
antworteten noch andre Gutgeſinnte: alles drehe und
wende ſich jetzt um das kleine Köpfchen, und wenn
die Mamſell gleich ihre Herrſchaft geſchickt zu verbergen
wiſſe, ſo wäre ſie es doch, die das Haus regiere.
Das komme davon, wenn man ſich in Dinge miſche,
die uns nichts angehen, ſagten wieder die halb Bos¬
haften, und mehr thun wolle, als wozu uns die
Pflicht für unſre nächſten Angehörigen treibt. Sie
hätte doch Anverwandte, und ihr Mann auch, die es
beſſer brauchen könnten, als das fremde Mädchen,
und ein Recht dazu hätten. Und wenn ſie gar ein Wort
fallen laſſen, wie es hieß, daß ſie daran gedacht die

1*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0013" n="3"/>
Men&#x017F;chen, der nichts hat und alle vernünftigen Aus¬<lb/>
&#x017F;ichten von &#x017F;ich &#x017F;tößt. Nicht ihre Eltern hätten es<lb/>
gewün&#x017F;cht, die jetzt auch höher hinaus dächten, noch<lb/>
der Vater des jungen Mannes, der gradezu erklärt,<lb/>
er werde nie &#x017F;olche Schwiegertochter in &#x017F;ein Haus<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Um zu einer &#x017F;olchen Partie ihr zu verhelfen, hätte<lb/>
Madame Lupinus das &#x017F;chöne Mädchen auch nicht in ihres<lb/>
genommen, und nun &#x017F;ei doch ihre Lage gewiß nicht<lb/>
beneidenswerth: eine Pflegetochter hüten, an die keine<lb/>
Blutsbande &#x017F;ie fe&#x017F;&#x017F;elten, zu einer Verbindung das<lb/>
Auge zudrücken, die &#x017F;ie ungern &#x017F;ähe, und noch dazu<lb/>
die Verantwortung gegen die Eltern des Mädchens<lb/>
und gegen den alten van A&#x017F;ten, von dem &#x017F;ie noch<lb/>
obenein einen unhöflichen Brief in die Ta&#x017F;che &#x017F;tecken<lb/>&#x017F;&#x017F;en. Könne das nicht ein edelge&#x017F;inntes Gemüth<lb/>
herunterbringen! &#x2014; Wenn noch andre fragten, wa¬<lb/>
rum &#x017F;etzt &#x017F;ie &#x017F;ich dem aus, warum duldet &#x017F;ie's? &#x017F;o<lb/>
antworteten noch andre Gutge&#x017F;innte: alles drehe und<lb/>
wende &#x017F;ich jetzt um das kleine Köpfchen, und wenn<lb/>
die Mam&#x017F;ell gleich ihre Herr&#x017F;chaft ge&#x017F;chickt zu verbergen<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;o wäre &#x017F;ie es doch, die das Haus regiere.<lb/>
Das komme davon, wenn man &#x017F;ich in Dinge mi&#x017F;che,<lb/>
die uns nichts angehen, &#x017F;agten wieder die halb Bos¬<lb/>
haften, und mehr thun wolle, als wozu uns die<lb/>
Pflicht für un&#x017F;re näch&#x017F;ten Angehörigen treibt. Sie<lb/>
hätte doch Anverwandte, und ihr Mann auch, die es<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er brauchen könnten, als das fremde Mädchen,<lb/>
und ein Recht dazu hätten. Und wenn &#x017F;ie gar ein Wort<lb/>
fallen la&#x017F;&#x017F;en, wie es hieß, daß &#x017F;ie daran gedacht die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">1*<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[3/0013] Menſchen, der nichts hat und alle vernünftigen Aus¬ ſichten von ſich ſtößt. Nicht ihre Eltern hätten es gewünſcht, die jetzt auch höher hinaus dächten, noch der Vater des jungen Mannes, der gradezu erklärt, er werde nie ſolche Schwiegertochter in ſein Haus laſſen. Um zu einer ſolchen Partie ihr zu verhelfen, hätte Madame Lupinus das ſchöne Mädchen auch nicht in ihres genommen, und nun ſei doch ihre Lage gewiß nicht beneidenswerth: eine Pflegetochter hüten, an die keine Blutsbande ſie feſſelten, zu einer Verbindung das Auge zudrücken, die ſie ungern ſähe, und noch dazu die Verantwortung gegen die Eltern des Mädchens und gegen den alten van Aſten, von dem ſie noch obenein einen unhöflichen Brief in die Taſche ſtecken müſſen. Könne das nicht ein edelgeſinntes Gemüth herunterbringen! — Wenn noch andre fragten, wa¬ rum ſetzt ſie ſich dem aus, warum duldet ſie's? ſo antworteten noch andre Gutgeſinnte: alles drehe und wende ſich jetzt um das kleine Köpfchen, und wenn die Mamſell gleich ihre Herrſchaft geſchickt zu verbergen wiſſe, ſo wäre ſie es doch, die das Haus regiere. Das komme davon, wenn man ſich in Dinge miſche, die uns nichts angehen, ſagten wieder die halb Bos¬ haften, und mehr thun wolle, als wozu uns die Pflicht für unſre nächſten Angehörigen treibt. Sie hätte doch Anverwandte, und ihr Mann auch, die es beſſer brauchen könnten, als das fremde Mädchen, und ein Recht dazu hätten. Und wenn ſie gar ein Wort fallen laſſen, wie es hieß, daß ſie daran gedacht die 1*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/13
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/13>, abgerufen am 27.11.2024.