"Rüchel ist außer sich. Er kneift den armen Köckeritz ordentlich in den Arm."
"O weh, seine Nachrichten müssen schlimm lauten."
Aber man sprach sich Trost zu. Es sei gut, daß man die Hitzigen aus der nächsten Umgebung zu entfernen gewußt. Die Radziwill und ihr Bruder hätten durch ein Wort alles verderben können. Die Königin operire verständig und im Einverständniß mit dem Kaiser. Sie leiteten klugerweise das Ge¬ spräch auf gleichgültige, aber dem Könige angenehme Dinge, um in der Gunst der Stunde auf die Sache einzulenken. Dann lasse sich oft das Schwierigste in einem Augenblicke abthun.
"Und wer kann sich rühmen, daß er der Liebens¬ würdigkeit eines Alexander auf die Länge widerstan¬ den hat!" bemerkte ein Begleiter der Fürstin, mit einem feinen Seitenblick, der trotz der Aufregung verstanden ward.
"Wenn die Stunde nur nicht so kurz wäre, und der Boden nicht unter unsern Sohlen brennte!" seufzte sie.
Es hatte sich noch Jemand in der Gesellschaft eingefunden, entweder jetzt erst, oder er befand sich schon eine Weile unbemerkt im Zimmer, das einer gemeinschaftlichen Schauloge ähnlich schien. Vom letzten Fenster wandte sich der Legationsrath von Wandel zu den Sprechenden um:
"Wir dürften uns die klugen Leiter dieses Tages zum Beispiel nehmen und wie sie, die Ungeduldigen,
„Rüchel iſt außer ſich. Er kneift den armen Köckeritz ordentlich in den Arm.“
„O weh, ſeine Nachrichten müſſen ſchlimm lauten.“
Aber man ſprach ſich Troſt zu. Es ſei gut, daß man die Hitzigen aus der nächſten Umgebung zu entfernen gewußt. Die Radziwill und ihr Bruder hätten durch ein Wort alles verderben können. Die Königin operire verſtändig und im Einverſtändniß mit dem Kaiſer. Sie leiteten klugerweiſe das Ge¬ ſpräch auf gleichgültige, aber dem Könige angenehme Dinge, um in der Gunſt der Stunde auf die Sache einzulenken. Dann laſſe ſich oft das Schwierigſte in einem Augenblicke abthun.
„Und wer kann ſich rühmen, daß er der Liebens¬ würdigkeit eines Alexander auf die Länge widerſtan¬ den hat!“ bemerkte ein Begleiter der Fürſtin, mit einem feinen Seitenblick, der trotz der Aufregung verſtanden ward.
„Wenn die Stunde nur nicht ſo kurz wäre, und der Boden nicht unter unſern Sohlen brennte!“ ſeufzte ſie.
Es hatte ſich noch Jemand in der Geſellſchaft eingefunden, entweder jetzt erſt, oder er befand ſich ſchon eine Weile unbemerkt im Zimmer, das einer gemeinſchaftlichen Schauloge ähnlich ſchien. Vom letzten Fenſter wandte ſich der Legationsrath von Wandel zu den Sprechenden um:
„Wir dürften uns die klugen Leiter dieſes Tages zum Beiſpiel nehmen und wie ſie, die Ungeduldigen,
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„Rüchel iſt außer ſich. Er kneift den armen
Köckeritz ordentlich in den Arm.“
„O weh, ſeine Nachrichten müſſen ſchlimm lauten.“
Aber man ſprach ſich Troſt zu. Es ſei gut, daß
man die Hitzigen aus der nächſten Umgebung zu
entfernen gewußt. Die Radziwill und ihr Bruder
hätten durch ein Wort alles verderben können. Die
Königin operire verſtändig und im Einverſtändniß
mit dem Kaiſer. Sie leiteten klugerweiſe das Ge¬
ſpräch auf gleichgültige, aber dem Könige angenehme
Dinge, um in der Gunſt der Stunde auf die Sache
einzulenken. Dann laſſe ſich oft das Schwierigſte in
einem Augenblicke abthun.
„Und wer kann ſich rühmen, daß er der Liebens¬
würdigkeit eines Alexander auf die Länge widerſtan¬
den hat!“ bemerkte ein Begleiter der Fürſtin, mit
einem feinen Seitenblick, der trotz der Aufregung
verſtanden ward.
„Wenn die Stunde nur nicht ſo kurz wäre, und
der Boden nicht unter unſern Sohlen brennte!“
ſeufzte ſie.
Es hatte ſich noch Jemand in der Geſellſchaft
eingefunden, entweder jetzt erſt, oder er befand ſich
ſchon eine Weile unbemerkt im Zimmer, das einer
gemeinſchaftlichen Schauloge ähnlich ſchien. Vom
letzten Fenſter wandte ſich der Legationsrath von
Wandel zu den Sprechenden um:
„Wir dürften uns die klugen Leiter dieſes Tages
zum Beiſpiel nehmen und wie ſie, die Ungeduldigen,
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/112>, abgerufen am 10.07.2024.
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