"Es rühmen sich Viele, doch wer kann sagen, daß er sie kennt! Kennt man nur ihren Einfluß auf den Kaiser!"
"Sie hat vieles Blutvergießen verhindert."
"Sagt man. Wer diese on dit's geschickt aus¬ zustreuen weiß, der commandirt über Armeecorps. Und beide, der Kaiser und die Kaiserin, sind darin geschickt, es fragt sich eben nur wie lange beide zu¬ sammen operiren werden?"
"Mein Gott, Sie scheinen auch mit den häus¬ lichen Verhältnissen des Kaiserpaares vertraut."
"Ich lese nur, was jeder lesen kann, der die Augen aufhat. Will er ein Reich gründen, was ihn überlebt, muß er einen Sohn haben, der ihn beerbt. Wer arbeitet mit voller Kraft für einen andern Dritten! Was ist ihm der adoptirte Stiefsohn! Erinnern Sie sich was die sentimentalen Seelen von ihm hofften, nachdem er die Revolution besiegt?"
"Ich habe nie geglaubt, daß Napoleon sich zu einem Monk herabwürdigen könne," sagte die Ge¬ heimräthin.
"Gewiß, wer die Kraft hat ein Egoist zu sein, wird sich nie mit einer Livree begnügen."
"Egoist!"
"Alle großen Männer sind es, eigentlich alle wahren Männer. Wer schaffen will, muß für sich schaffen, und wer ein Weltreich gründen will, für eine Dynastie, die seine ist. Die Kaiserin Josephine ist aber auch eine kluge Frau. Sie sieht das ein;
5 *
„Es rühmen ſich Viele, doch wer kann ſagen, daß er ſie kennt! Kennt man nur ihren Einfluß auf den Kaiſer!“
„Sie hat vieles Blutvergießen verhindert.“
„Sagt man. Wer dieſe on dit's geſchickt aus¬ zuſtreuen weiß, der commandirt über Armeecorps. Und beide, der Kaiſer und die Kaiſerin, ſind darin geſchickt, es fragt ſich eben nur wie lange beide zu¬ ſammen operiren werden?“
„Mein Gott, Sie ſcheinen auch mit den häus¬ lichen Verhältniſſen des Kaiſerpaares vertraut.“
„Ich leſe nur, was jeder leſen kann, der die Augen aufhat. Will er ein Reich gründen, was ihn überlebt, muß er einen Sohn haben, der ihn beerbt. Wer arbeitet mit voller Kraft für einen andern Dritten! Was iſt ihm der adoptirte Stiefſohn! Erinnern Sie ſich was die ſentimentalen Seelen von ihm hofften, nachdem er die Revolution beſiegt?“
„Ich habe nie geglaubt, daß Napoleon ſich zu einem Monk herabwürdigen könne,“ ſagte die Ge¬ heimräthin.
„Gewiß, wer die Kraft hat ein Egoiſt zu ſein, wird ſich nie mit einer Livree begnügen.“
„Egoiſt!“
„Alle großen Männer ſind es, eigentlich alle wahren Männer. Wer ſchaffen will, muß für ſich ſchaffen, und wer ein Weltreich gründen will, für eine Dynaſtie, die ſeine iſt. Die Kaiſerin Joſephine iſt aber auch eine kluge Frau. Sie ſieht das ein;
5 *
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„Es rühmen ſich Viele, doch wer kann ſagen,
daß er ſie kennt! Kennt man nur ihren Einfluß auf
den Kaiſer!“
„Sie hat vieles Blutvergießen verhindert.“
„Sagt man. Wer dieſe on dit's geſchickt aus¬
zuſtreuen weiß, der commandirt über Armeecorps.
Und beide, der Kaiſer und die Kaiſerin, ſind darin
geſchickt, es fragt ſich eben nur wie lange beide zu¬
ſammen operiren werden?“
„Mein Gott, Sie ſcheinen auch mit den häus¬
lichen Verhältniſſen des Kaiſerpaares vertraut.“
„Ich leſe nur, was jeder leſen kann, der die
Augen aufhat. Will er ein Reich gründen, was ihn
überlebt, muß er einen Sohn haben, der ihn beerbt.
Wer arbeitet mit voller Kraft für einen andern Dritten!
Was iſt ihm der adoptirte Stiefſohn! Erinnern Sie
ſich was die ſentimentalen Seelen von ihm hofften,
nachdem er die Revolution beſiegt?“
„Ich habe nie geglaubt, daß Napoleon ſich zu
einem Monk herabwürdigen könne,“ ſagte die Ge¬
heimräthin.
„Gewiß, wer die Kraft hat ein Egoiſt zu ſein,
wird ſich nie mit einer Livree begnügen.“
„Egoiſt!“
„Alle großen Männer ſind es, eigentlich alle
wahren Männer. Wer ſchaffen will, muß für ſich
ſchaffen, und wer ein Weltreich gründen will, für
eine Dynaſtie, die ſeine iſt. Die Kaiſerin Joſephine
iſt aber auch eine kluge Frau. Sie ſieht das ein;
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/77>, abgerufen am 01.08.2024.
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