Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

"Es rühmen sich Viele, doch wer kann sagen,
daß er sie kennt! Kennt man nur ihren Einfluß auf
den Kaiser!"

"Sie hat vieles Blutvergießen verhindert."

"Sagt man. Wer diese on dit's geschickt aus¬
zustreuen weiß, der commandirt über Armeecorps.
Und beide, der Kaiser und die Kaiserin, sind darin
geschickt, es fragt sich eben nur wie lange beide zu¬
sammen operiren werden?"

"Mein Gott, Sie scheinen auch mit den häus¬
lichen Verhältnissen des Kaiserpaares vertraut."

"Ich lese nur, was jeder lesen kann, der die
Augen aufhat. Will er ein Reich gründen, was ihn
überlebt, muß er einen Sohn haben, der ihn beerbt.
Wer arbeitet mit voller Kraft für einen andern Dritten!
Was ist ihm der adoptirte Stiefsohn! Erinnern Sie
sich was die sentimentalen Seelen von ihm hofften,
nachdem er die Revolution besiegt?"

"Ich habe nie geglaubt, daß Napoleon sich zu
einem Monk herabwürdigen könne," sagte die Ge¬
heimräthin.

"Gewiß, wer die Kraft hat ein Egoist zu sein,
wird sich nie mit einer Livree begnügen."

"Egoist!"

"Alle großen Männer sind es, eigentlich alle
wahren Männer. Wer schaffen will, muß für sich
schaffen, und wer ein Weltreich gründen will, für
eine Dynastie, die seine ist. Die Kaiserin Josephine
ist aber auch eine kluge Frau. Sie sieht das ein;

5 *

„Es rühmen ſich Viele, doch wer kann ſagen,
daß er ſie kennt! Kennt man nur ihren Einfluß auf
den Kaiſer!“

„Sie hat vieles Blutvergießen verhindert.“

„Sagt man. Wer dieſe on dit's geſchickt aus¬
zuſtreuen weiß, der commandirt über Armeecorps.
Und beide, der Kaiſer und die Kaiſerin, ſind darin
geſchickt, es fragt ſich eben nur wie lange beide zu¬
ſammen operiren werden?“

„Mein Gott, Sie ſcheinen auch mit den häus¬
lichen Verhältniſſen des Kaiſerpaares vertraut.“

„Ich leſe nur, was jeder leſen kann, der die
Augen aufhat. Will er ein Reich gründen, was ihn
überlebt, muß er einen Sohn haben, der ihn beerbt.
Wer arbeitet mit voller Kraft für einen andern Dritten!
Was iſt ihm der adoptirte Stiefſohn! Erinnern Sie
ſich was die ſentimentalen Seelen von ihm hofften,
nachdem er die Revolution beſiegt?“

„Ich habe nie geglaubt, daß Napoleon ſich zu
einem Monk herabwürdigen könne,“ ſagte die Ge¬
heimräthin.

„Gewiß, wer die Kraft hat ein Egoiſt zu ſein,
wird ſich nie mit einer Livree begnügen.“

„Egoiſt!“

„Alle großen Männer ſind es, eigentlich alle
wahren Männer. Wer ſchaffen will, muß für ſich
ſchaffen, und wer ein Weltreich gründen will, für
eine Dynaſtie, die ſeine iſt. Die Kaiſerin Joſephine
iſt aber auch eine kluge Frau. Sie ſieht das ein;

5 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0077" n="67"/>
&#x201E;Es rühmen &#x017F;ich Viele, doch wer kann &#x017F;agen,<lb/>
daß er &#x017F;ie kennt! Kennt man nur ihren Einfluß auf<lb/>
den Kai&#x017F;er!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie hat vieles Blutvergießen verhindert.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sagt man. Wer die&#x017F;e <hi rendition="#aq">on dit's</hi> ge&#x017F;chickt aus¬<lb/>
zu&#x017F;treuen weiß, der commandirt über Armeecorps.<lb/>
Und beide, der Kai&#x017F;er und die Kai&#x017F;erin, &#x017F;ind darin<lb/>
ge&#x017F;chickt, es fragt &#x017F;ich eben nur wie lange beide zu¬<lb/>
&#x017F;ammen operiren werden?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mein Gott, Sie &#x017F;cheinen auch mit den häus¬<lb/>
lichen Verhältni&#x017F;&#x017F;en des Kai&#x017F;erpaares vertraut.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich le&#x017F;e nur, was jeder le&#x017F;en kann, der die<lb/>
Augen aufhat. Will er ein Reich gründen, was ihn<lb/>
überlebt, muß er einen Sohn haben, der ihn beerbt.<lb/>
Wer arbeitet mit voller Kraft für einen andern Dritten!<lb/>
Was i&#x017F;t ihm der adoptirte Stief&#x017F;ohn! Erinnern Sie<lb/>
&#x017F;ich was die &#x017F;entimentalen Seelen von ihm hofften,<lb/>
nachdem er die Revolution be&#x017F;iegt?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich habe nie geglaubt, daß Napoleon &#x017F;ich zu<lb/>
einem Monk herabwürdigen könne,&#x201C; &#x017F;agte die Ge¬<lb/>
heimräthin.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Gewiß, wer die Kraft hat ein Egoi&#x017F;t zu &#x017F;ein,<lb/>
wird &#x017F;ich nie mit einer Livree begnügen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Egoi&#x017F;t!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Alle großen Männer &#x017F;ind es, eigentlich alle<lb/>
wahren Männer. Wer &#x017F;chaffen will, muß für &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;chaffen, und wer ein Weltreich gründen will, für<lb/>
eine Dyna&#x017F;tie, die &#x017F;eine i&#x017F;t. Die Kai&#x017F;erin Jo&#x017F;ephine<lb/>
i&#x017F;t aber auch eine kluge Frau. Sie &#x017F;ieht das ein;<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">5 *<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0077] „Es rühmen ſich Viele, doch wer kann ſagen, daß er ſie kennt! Kennt man nur ihren Einfluß auf den Kaiſer!“ „Sie hat vieles Blutvergießen verhindert.“ „Sagt man. Wer dieſe on dit's geſchickt aus¬ zuſtreuen weiß, der commandirt über Armeecorps. Und beide, der Kaiſer und die Kaiſerin, ſind darin geſchickt, es fragt ſich eben nur wie lange beide zu¬ ſammen operiren werden?“ „Mein Gott, Sie ſcheinen auch mit den häus¬ lichen Verhältniſſen des Kaiſerpaares vertraut.“ „Ich leſe nur, was jeder leſen kann, der die Augen aufhat. Will er ein Reich gründen, was ihn überlebt, muß er einen Sohn haben, der ihn beerbt. Wer arbeitet mit voller Kraft für einen andern Dritten! Was iſt ihm der adoptirte Stiefſohn! Erinnern Sie ſich was die ſentimentalen Seelen von ihm hofften, nachdem er die Revolution beſiegt?“ „Ich habe nie geglaubt, daß Napoleon ſich zu einem Monk herabwürdigen könne,“ ſagte die Ge¬ heimräthin. „Gewiß, wer die Kraft hat ein Egoiſt zu ſein, wird ſich nie mit einer Livree begnügen.“ „Egoiſt!“ „Alle großen Männer ſind es, eigentlich alle wahren Männer. Wer ſchaffen will, muß für ſich ſchaffen, und wer ein Weltreich gründen will, für eine Dynaſtie, die ſeine iſt. Die Kaiſerin Joſephine iſt aber auch eine kluge Frau. Sie ſieht das ein; 5 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/77
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/77>, abgerufen am 04.05.2024.