"Was brennt denn?" fragte Bovillard, als sie ihre Schritte mäßigten, um Athem zu schöpfen.
"Ich habe keinen Grund, sagte der Courier, ge¬ heim zu halten, was mir auf dem Fuße nachkommen muß. Ja, ich wundre mich, daß das Gerücht mir nicht voraufgeeilt ist, weil ein ähnlicher Unfall mich unterwegs aufhielt. Ich glaubte Berlin selbst in Aufruhr, und finde eine Kirchhofsruhe. Am Thor wußte man noch nichts."
"Was ist's?"
"Die Franzosen sind eingebrochen."
"Wo?" fragte es mit einem Munde.
"Wie ein Platzregen in's Anspachsche -- Ber¬ nadotte -- mit neunzig Tausend Mann wenigstens wälzt er in Sturmmärschen durch -- die Baiern hau¬ sen wie in Feindes Land --"
"Krieg!" jauchzte der Rittmeister.
"Und die preußischen Truppen?"
"Was dastand machte Platz oder nicht, wie es kam. -- Sie wissen nicht, vor Ordre und Contreordre, was zu thun --"
Sie waren am Hotel angelangt, und rissen an der Schelle. Der Courier lehnte sich erschöpft am Pfeiler:
"Er wird doch fester halten als der, sagte er. Meine Herren, wer das mit ansehn mußte! -- Sie spuckten auf unsre Gränzpfähle; ich sah einen um¬ gerissen -- aus purem Uebermuth --"
"Wer?" rief der Rittmeister.
"Franzosen oder Baiern, gleichviel. Der preu¬
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„Was brennt denn?“ fragte Bovillard, als ſie ihre Schritte mäßigten, um Athem zu ſchöpfen.
„Ich habe keinen Grund, ſagte der Courier, ge¬ heim zu halten, was mir auf dem Fuße nachkommen muß. Ja, ich wundre mich, daß das Gerücht mir nicht voraufgeeilt iſt, weil ein ähnlicher Unfall mich unterwegs aufhielt. Ich glaubte Berlin ſelbſt in Aufruhr, und finde eine Kirchhofsruhe. Am Thor wußte man noch nichts.“
„Was iſt's?“
„Die Franzoſen ſind eingebrochen.“
„Wo?“ fragte es mit einem Munde.
„Wie ein Platzregen in's Anſpachſche — Ber¬ nadotte — mit neunzig Tauſend Mann wenigſtens wälzt er in Sturmmärſchen durch — die Baiern hau¬ ſen wie in Feindes Land —“
„Krieg!“ jauchzte der Rittmeiſter.
„Und die preußiſchen Truppen?“
„Was daſtand machte Platz oder nicht, wie es kam. — Sie wiſſen nicht, vor Ordre und Contreordre, was zu thun —“
Sie waren am Hotel angelangt, und riſſen an der Schelle. Der Courier lehnte ſich erſchöpft am Pfeiler:
„Er wird doch feſter halten als der, ſagte er. Meine Herren, wer das mit anſehn mußte! — Sie ſpuckten auf unſre Gränzpfähle; ich ſah einen um¬ geriſſen — aus purem Uebermuth —“
„Wer?“ rief der Rittmeiſter.
„Franzoſen oder Baiern, gleichviel. Der preu¬
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„Was brennt denn?“ fragte Bovillard, als ſie
ihre Schritte mäßigten, um Athem zu ſchöpfen.
„Ich habe keinen Grund, ſagte der Courier, ge¬
heim zu halten, was mir auf dem Fuße nachkommen
muß. Ja, ich wundre mich, daß das Gerücht mir
nicht voraufgeeilt iſt, weil ein ähnlicher Unfall mich
unterwegs aufhielt. Ich glaubte Berlin ſelbſt in
Aufruhr, und finde eine Kirchhofsruhe. Am Thor
wußte man noch nichts.“
„Was iſt's?“
„Die Franzoſen ſind eingebrochen.“
„Wo?“ fragte es mit einem Munde.
„Wie ein Platzregen in's Anſpachſche — Ber¬
nadotte — mit neunzig Tauſend Mann wenigſtens
wälzt er in Sturmmärſchen durch — die Baiern hau¬
ſen wie in Feindes Land —“
„Krieg!“ jauchzte der Rittmeiſter.
„Und die preußiſchen Truppen?“
„Was daſtand machte Platz oder nicht, wie es
kam. — Sie wiſſen nicht, vor Ordre und Contreordre,
was zu thun —“
Sie waren am Hotel angelangt, und riſſen an der
Schelle. Der Courier lehnte ſich erſchöpft am Pfeiler:
„Er wird doch feſter halten als der, ſagte er.
Meine Herren, wer das mit anſehn mußte! — Sie
ſpuckten auf unſre Gränzpfähle; ich ſah einen um¬
geriſſen — aus purem Uebermuth —“
„Wer?“ rief der Rittmeiſter.
„Franzoſen oder Baiern, gleichviel. Der preu¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/333>, abgerufen am 16.07.2024.
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