"Sie sollen darüber richten, sprach der Rittmeister plötzlich stehen bleibend. Grade Sie, Gott weiß woher, ich traue Ihnen, obgleich -- verteufelter Gedanke, wenn man mich wieder in den April geschickt!"
"Sie spielen alle Komödie! rief Bovillard in die Wolkenzüge am Himmel blickend. Das ist ihre Bestimmung. Warum träufte die Natur diesen Reiz in unser Blut, diese Mottenlust in unser Hirn! Aber so wollen sie uns vielleicht! Daß unser Auge schwimmt, unser Mark weich wird, unsre Spannkraft erschlafft, das Hirn unfähig einen Gedanken festzu¬ halten, der Geist zittert vor dem Entschluß, der Arm vor dem Schlag. Diesen goldenen Semeleregen sehn sie mit stillem Vergnügen auf das Geschlecht rieseln, damit die Titanenenkel ausgehn sollen aus dem lebendigen Geschlecht. -- Rittmeister! rief er. Soldat des Königs! Wenn die Welt in Brand steht, ist's dann Zeit wie Schmetterlinge um die Flammen wir¬ beln! Wollen Sie das Haus stürmen, auf einer Leiter durchs Fenster brechen. Mein Wort, da helf ich Ihnen. Kommen Sie, fordern Sie Wahrheit! Wollen Sie ein schönes Weib entführen, das Sie genarrt, erzürnt hat, ich bin dabei. Gewalt, Gewalt! Das ist noch ein Wort, ein Sturmglockenlaut, der in den Himmel dröhnt. Wollen Sie? Auf der Stelle -- nur nicht Seufzer, nur nicht Liebesblicke, kein Buh¬ len um Gunst, keine Küsse. Ja -- ein Weib, was mich haßte, mit einem Fußtritt mich von sich stieße --"
II. 21
„Sie ſollen darüber richten, ſprach der Rittmeiſter plötzlich ſtehen bleibend. Grade Sie, Gott weiß woher, ich traue Ihnen, obgleich — verteufelter Gedanke, wenn man mich wieder in den April geſchickt!“
„Sie ſpielen alle Komödie! rief Bovillard in die Wolkenzüge am Himmel blickend. Das iſt ihre Beſtimmung. Warum träufte die Natur dieſen Reiz in unſer Blut, dieſe Mottenluſt in unſer Hirn! Aber ſo wollen ſie uns vielleicht! Daß unſer Auge ſchwimmt, unſer Mark weich wird, unſre Spannkraft erſchlafft, das Hirn unfähig einen Gedanken feſtzu¬ halten, der Geiſt zittert vor dem Entſchluß, der Arm vor dem Schlag. Dieſen goldenen Semeleregen ſehn ſie mit ſtillem Vergnügen auf das Geſchlecht rieſeln, damit die Titanenenkel ausgehn ſollen aus dem lebendigen Geſchlecht. — Rittmeiſter! rief er. Soldat des Königs! Wenn die Welt in Brand ſteht, iſt's dann Zeit wie Schmetterlinge um die Flammen wir¬ beln! Wollen Sie das Haus ſtürmen, auf einer Leiter durchs Fenſter brechen. Mein Wort, da helf ich Ihnen. Kommen Sie, fordern Sie Wahrheit! Wollen Sie ein ſchönes Weib entführen, das Sie genarrt, erzürnt hat, ich bin dabei. Gewalt, Gewalt! Das iſt noch ein Wort, ein Sturmglockenlaut, der in den Himmel dröhnt. Wollen Sie? Auf der Stelle — nur nicht Seufzer, nur nicht Liebesblicke, kein Buh¬ len um Gunſt, keine Küſſe. Ja — ein Weib, was mich haßte, mit einem Fußtritt mich von ſich ſtieße —“
II. 21
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„Sie ſollen darüber richten, ſprach der Rittmeiſter
plötzlich ſtehen bleibend. Grade Sie, Gott weiß woher,
ich traue Ihnen, obgleich — verteufelter Gedanke,
wenn man mich wieder in den April geſchickt!“
„Sie ſpielen alle Komödie! rief Bovillard in
die Wolkenzüge am Himmel blickend. Das iſt ihre
Beſtimmung. Warum träufte die Natur dieſen
Reiz in unſer Blut, dieſe Mottenluſt in unſer Hirn!
Aber ſo wollen ſie uns vielleicht! Daß unſer Auge
ſchwimmt, unſer Mark weich wird, unſre Spannkraft
erſchlafft, das Hirn unfähig einen Gedanken feſtzu¬
halten, der Geiſt zittert vor dem Entſchluß, der Arm
vor dem Schlag. Dieſen goldenen Semeleregen ſehn
ſie mit ſtillem Vergnügen auf das Geſchlecht rieſeln,
damit die Titanenenkel ausgehn ſollen aus dem
lebendigen Geſchlecht. — Rittmeiſter! rief er. Soldat
des Königs! Wenn die Welt in Brand ſteht, iſt's
dann Zeit wie Schmetterlinge um die Flammen wir¬
beln! Wollen Sie das Haus ſtürmen, auf einer Leiter
durchs Fenſter brechen. Mein Wort, da helf ich
Ihnen. Kommen Sie, fordern Sie Wahrheit! Wollen
Sie ein ſchönes Weib entführen, das Sie genarrt,
erzürnt hat, ich bin dabei. Gewalt, Gewalt! Das
iſt noch ein Wort, ein Sturmglockenlaut, der in den
Himmel dröhnt. Wollen Sie? Auf der Stelle —
nur nicht Seufzer, nur nicht Liebesblicke, kein Buh¬
len um Gunſt, keine Küſſe. Ja — ein Weib,
was mich haßte, mit einem Fußtritt mich von ſich
ſtieße —“
II. 21
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/331>, abgerufen am 30.11.2024.
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