Wege. Neugier und Eitelkeit operiren wunderbar in der Psyche des Weibes. Die gespannte Erwar¬ tung entzündet die Phantasie. Um zu erfahren, ob es so sei, wie ich angab, gab sie sich alle Mühe, den Amandus zn beobachten, und entdeckte nun mit weib¬ lichem Scharfsinn weit mehr, als ein Mann mit seiner roheren Wahrnehmungsgabe nur erfinden kann."
"Und die Uhr geht fort?"
"Eine schlechte, die man jede Stunde anstoßen muß. Sie geht so normal, daß ich alle Intermezzos und gewaltsame oder nur freundliche Hülfe von draußen wegwünsche."
Bovillard wiegte sich, beide Hände in den Seiten¬ taschen, behaglich im Stuhl, und fixirte schlau den Redner:
"Wenn der Schalk ihm nicht im Nacken säße! Allen Respect für seine Intuitionen in die Psyche des Weibes, aber er weiß eben so gut, wie man Weiber durch Weiber behandelt, und uns möchte er doch einbilden, daß wir seine Agentinnen nicht kennen. In der Jägerstraße hängt freilich ihr Agenturschild nicht heraus, aber die Zwirnsfäden sieht man doch, mit denen Sie Ihre Mirakel weben. Ueberhaupt, cher ami, wozu denn diese Mysteres! Ist gar nicht Ihr Profit, Legationsrath. An Talismänner und Wün¬ schelruthen glauben wir hier nicht, aber je mehr zweibei¬ nige Maschinen Einer für sich in Bewegung zu setzen ver¬ steht, ein um so größerer Wunderthäter wird er für uns."
Auf Wandels Stirn lagerte sich eine officiöse Falte und die Augenbraunen drückten sich zusammen:
Wege. Neugier und Eitelkeit operiren wunderbar in der Pſyche des Weibes. Die geſpannte Erwar¬ tung entzündet die Phantaſie. Um zu erfahren, ob es ſo ſei, wie ich angab, gab ſie ſich alle Mühe, den Amandus zn beobachten, und entdeckte nun mit weib¬ lichem Scharfſinn weit mehr, als ein Mann mit ſeiner roheren Wahrnehmungsgabe nur erfinden kann.“
„Und die Uhr geht fort?“
„Eine ſchlechte, die man jede Stunde anſtoßen muß. Sie geht ſo normal, daß ich alle Intermezzos und gewaltſame oder nur freundliche Hülfe von draußen wegwünſche.“
Bovillard wiegte ſich, beide Hände in den Seiten¬ taſchen, behaglich im Stuhl, und fixirte ſchlau den Redner:
„Wenn der Schalk ihm nicht im Nacken ſäße! Allen Reſpect für ſeine Intuitionen in die Pſyche des Weibes, aber er weiß eben ſo gut, wie man Weiber durch Weiber behandelt, und uns möchte er doch einbilden, daß wir ſeine Agentinnen nicht kennen. In der Jägerſtraße hängt freilich ihr Agenturſchild nicht heraus, aber die Zwirnsfäden ſieht man doch, mit denen Sie Ihre Mirakel weben. Ueberhaupt, cher ami, wozu denn dieſe Myſtères! Iſt gar nicht Ihr Profit, Legationsrath. An Talismänner und Wün¬ ſchelruthen glauben wir hier nicht, aber je mehr zweibei¬ nige Maſchinen Einer für ſich in Bewegung zu ſetzen ver¬ ſteht, ein um ſo größerer Wunderthäter wird er für uns.“
Auf Wandels Stirn lagerte ſich eine officiöſe Falte und die Augenbraunen drückten ſich zuſammen:
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Wege. Neugier und Eitelkeit operiren wunderbar
in der Pſyche des Weibes. Die geſpannte Erwar¬
tung entzündet die Phantaſie. Um zu erfahren, ob
es ſo ſei, wie ich angab, gab ſie ſich alle Mühe, den
Amandus zn beobachten, und entdeckte nun mit weib¬
lichem Scharfſinn weit mehr, als ein Mann mit
ſeiner roheren Wahrnehmungsgabe nur erfinden kann.“
„Und die Uhr geht fort?“
„Eine ſchlechte, die man jede Stunde anſtoßen
muß. Sie geht ſo normal, daß ich alle Intermezzos
und gewaltſame oder nur freundliche Hülfe von draußen
wegwünſche.“
Bovillard wiegte ſich, beide Hände in den Seiten¬
taſchen, behaglich im Stuhl, und fixirte ſchlau den Redner:
„Wenn der Schalk ihm nicht im Nacken ſäße!
Allen Reſpect für ſeine Intuitionen in die Pſyche
des Weibes, aber er weiß eben ſo gut, wie man
Weiber durch Weiber behandelt, und uns möchte er
doch einbilden, daß wir ſeine Agentinnen nicht kennen.
In der Jägerſtraße hängt freilich ihr Agenturſchild
nicht heraus, aber die Zwirnsfäden ſieht man doch,
mit denen Sie Ihre Mirakel weben. Ueberhaupt,
cher ami, wozu denn dieſe Myſtères! Iſt gar nicht
Ihr Profit, Legationsrath. An Talismänner und Wün¬
ſchelruthen glauben wir hier nicht, aber je mehr zweibei¬
nige Maſchinen Einer für ſich in Bewegung zu ſetzen ver¬
ſteht, ein um ſo größerer Wunderthäter wird er für uns.“
Auf Wandels Stirn lagerte ſich eine officiöſe
Falte und die Augenbraunen drückten ſich zuſammen:
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/308>, abgerufen am 16.07.2024.
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