Der Legationsrath ging, mit gemessenen Schritten unter den Bäumen auf und ab. In der Ferne hinter dem Kieferngebüsch, in welches der hochstämmige Nadelwald auslief, bemerkte man eine leichte Kalesche, vor der zwei muthige Hengste ungeduldig den Sand stampften.
Der Legationsrath sprach ab und zu, wenn er vorüber kam, seinen Secundanten an. Zuweilen schien er in Gedanken versunken ihn zu übersehen.
"Wie weit rechneten Sie die Gränze?"
"Wenn Ihre Pferde in gestrecktem Gallopp auf den Seitenwegen die zweite Station erreichen, sind Sie mit dem Postrelais morgen früh auf sächsischem Grund und Boden. Es ist nur der fatale Sand."
Der Fragende schien, während er die Antwort hörte, den Gegenstand schon vergessen zu haben: "Wenn die Sonne hinter den Hochwald sinkt, wer¬ den Sie die Position ändern müssen, Vicomte."
"Sein Sie unbesorgt. Die Sonne wird getheilt."
Der Spaziergänger war nach einer weitern Pro¬ menade wieder zurückgekehrt. Die Falten aus seinem Gesicht waren verschwunden, er schien sogar zu lächeln, als er an der schweren goldenen Kette die Uhr aus der Hosentasche zog: "Die Uhren können differiren. Ich vergaß meine nach der Academie zu stellen."
"Auch ist der Rittmeister ein pünktlicher Mann, sagte der Vicomte. Nur empfahl er Vorsicht. Lieber Verspätung, als was Verdacht erregen kann."
"Ich hoffe doch nicht, sagte Wandel, und sein
Der Legationsrath ging, mit gemeſſenen Schritten unter den Bäumen auf und ab. In der Ferne hinter dem Kieferngebüſch, in welches der hochſtämmige Nadelwald auslief, bemerkte man eine leichte Kaleſche, vor der zwei muthige Hengſte ungeduldig den Sand ſtampften.
Der Legationsrath ſprach ab und zu, wenn er vorüber kam, ſeinen Secundanten an. Zuweilen ſchien er in Gedanken verſunken ihn zu überſehen.
„Wie weit rechneten Sie die Gränze?“
„Wenn Ihre Pferde in geſtrecktem Gallopp auf den Seitenwegen die zweite Station erreichen, ſind Sie mit dem Poſtrelais morgen früh auf ſächſiſchem Grund und Boden. Es iſt nur der fatale Sand.“
Der Fragende ſchien, während er die Antwort hörte, den Gegenſtand ſchon vergeſſen zu haben: „Wenn die Sonne hinter den Hochwald ſinkt, wer¬ den Sie die Poſition ändern müſſen, Vicomte.“
„Sein Sie unbeſorgt. Die Sonne wird getheilt.“
Der Spaziergänger war nach einer weitern Pro¬ menade wieder zurückgekehrt. Die Falten aus ſeinem Geſicht waren verſchwunden, er ſchien ſogar zu lächeln, als er an der ſchweren goldenen Kette die Uhr aus der Hoſentaſche zog: „Die Uhren können differiren. Ich vergaß meine nach der Academie zu ſtellen.“
„Auch iſt der Rittmeiſter ein pünktlicher Mann, ſagte der Vicomte. Nur empfahl er Vorſicht. Lieber Verſpätung, als was Verdacht erregen kann.“
„Ich hoffe doch nicht, ſagte Wandel, und ſein
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Der Legationsrath ging, mit gemeſſenen Schritten
unter den Bäumen auf und ab. In der Ferne hinter
dem Kieferngebüſch, in welches der hochſtämmige
Nadelwald auslief, bemerkte man eine leichte Kaleſche,
vor der zwei muthige Hengſte ungeduldig den Sand
ſtampften.
Der Legationsrath ſprach ab und zu, wenn er
vorüber kam, ſeinen Secundanten an. Zuweilen ſchien
er in Gedanken verſunken ihn zu überſehen.
„Wie weit rechneten Sie die Gränze?“
„Wenn Ihre Pferde in geſtrecktem Gallopp auf
den Seitenwegen die zweite Station erreichen, ſind
Sie mit dem Poſtrelais morgen früh auf ſächſiſchem
Grund und Boden. Es iſt nur der fatale Sand.“
Der Fragende ſchien, während er die Antwort
hörte, den Gegenſtand ſchon vergeſſen zu haben:
„Wenn die Sonne hinter den Hochwald ſinkt, wer¬
den Sie die Poſition ändern müſſen, Vicomte.“
„Sein Sie unbeſorgt. Die Sonne wird getheilt.“
Der Spaziergänger war nach einer weitern Pro¬
menade wieder zurückgekehrt. Die Falten aus ſeinem
Geſicht waren verſchwunden, er ſchien ſogar zu lächeln,
als er an der ſchweren goldenen Kette die Uhr aus
der Hoſentaſche zog: „Die Uhren können differiren.
Ich vergaß meine nach der Academie zu ſtellen.“
„Auch iſt der Rittmeiſter ein pünktlicher Mann,
ſagte der Vicomte. Nur empfahl er Vorſicht. Lieber
Verſpätung, als was Verdacht erregen kann.“
„Ich hoffe doch nicht, ſagte Wandel, und ſein
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/263>, abgerufen am 08.07.2024.
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