"Außer sehr Vielen Adelheids Eltern, und sehr ernstlich."
"Impertinent! Am Ende wünschen sie, daß ich noch bei meinen Lebzeiten meines Vermögens mich entäußere, um das aufgenommene Mädchen aus¬ zustatten."
"Solche Wünsche spricht man wenigstens nicht laut aus."
"O sie sollen sich getäuscht sehen. Ich will --"
"Keinen Eclat, meine Freundin. Keine Affecte in solcher gleichgültigen Sache. Ihr Wille ist ja genug. Sie hatten also nie im Sinne, sie wirklich an Kindesstatt anzunehmen?"
"Und wenn ich einmal daran dachte --"
"So sind Sie bei reiferer Ueberlegung von der Thörigkeit dieses Entschlusses überzeugt, und Sie sind die Frau, die in einer Aufwallung nichts ändert. Was braucht es denn mehr, die Sache ist zwischen uns -- ich meine in Ihrem Geiste klar. Aber wozu das auszusprechen. Ich würde es auch nicht merken lassen. Laß die Gimpel sich doch täuschen. Wozu gab Gott jedem sein Maaß Klugheit? Warum sol¬ len wir mit dem, was wir übrig haben, den Thoren beispringen. Und vielleicht verschafft der Glaube dem Mädchen doch eine gute Partie. Und ist es einmal so weit, dann springt auch nicht gleich jeder darum ab. Das Point d'Honneur ist eine Erfindung, um die Mittelmäßigen zu reguliren. Und giebt es nicht mariages d'inclination? Und -- wer weiß, wie Sie
„Außer ſehr Vielen Adelheids Eltern, und ſehr ernſtlich.“
„Impertinent! Am Ende wünſchen ſie, daß ich noch bei meinen Lebzeiten meines Vermögens mich entäußere, um das aufgenommene Mädchen aus¬ zuſtatten.“
„Solche Wünſche ſpricht man wenigſtens nicht laut aus.“
„O ſie ſollen ſich getäuſcht ſehen. Ich will —“
„Keinen Eclat, meine Freundin. Keine Affecte in ſolcher gleichgültigen Sache. Ihr Wille iſt ja genug. Sie hatten alſo nie im Sinne, ſie wirklich an Kindesſtatt anzunehmen?“
„Und wenn ich einmal daran dachte —“
„So ſind Sie bei reiferer Ueberlegung von der Thörigkeit dieſes Entſchluſſes überzeugt, und Sie ſind die Frau, die in einer Aufwallung nichts ändert. Was braucht es denn mehr, die Sache iſt zwiſchen uns — ich meine in Ihrem Geiſte klar. Aber wozu das auszuſprechen. Ich würde es auch nicht merken laſſen. Laß die Gimpel ſich doch täuſchen. Wozu gab Gott jedem ſein Maaß Klugheit? Warum ſol¬ len wir mit dem, was wir übrig haben, den Thoren beiſpringen. Und vielleicht verſchafft der Glaube dem Mädchen doch eine gute Partie. Und iſt es einmal ſo weit, dann ſpringt auch nicht gleich jeder darum ab. Das Point d'Honneur iſt eine Erfindung, um die Mittelmäßigen zu reguliren. Und giebt es nicht mariages d'inclination? Und — wer weiß, wie Sie
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„Außer ſehr Vielen Adelheids Eltern, und ſehr
ernſtlich.“
„Impertinent! Am Ende wünſchen ſie, daß ich
noch bei meinen Lebzeiten meines Vermögens mich
entäußere, um das aufgenommene Mädchen aus¬
zuſtatten.“
„Solche Wünſche ſpricht man wenigſtens nicht
laut aus.“
„O ſie ſollen ſich getäuſcht ſehen. Ich will —“
„Keinen Eclat, meine Freundin. Keine Affecte
in ſolcher gleichgültigen Sache. Ihr Wille iſt ja
genug. Sie hatten alſo nie im Sinne, ſie wirklich
an Kindesſtatt anzunehmen?“
„Und wenn ich einmal daran dachte —“
„So ſind Sie bei reiferer Ueberlegung von der
Thörigkeit dieſes Entſchluſſes überzeugt, und Sie
ſind die Frau, die in einer Aufwallung nichts ändert.
Was braucht es denn mehr, die Sache iſt zwiſchen
uns — ich meine in Ihrem Geiſte klar. Aber wozu
das auszuſprechen. Ich würde es auch nicht merken
laſſen. Laß die Gimpel ſich doch täuſchen. Wozu
gab Gott jedem ſein Maaß Klugheit? Warum ſol¬
len wir mit dem, was wir übrig haben, den Thoren
beiſpringen. Und vielleicht verſchafft der Glaube
dem Mädchen doch eine gute Partie. Und iſt es
einmal ſo weit, dann ſpringt auch nicht gleich jeder
darum ab. Das Point d'Honneur iſt eine Erfindung, um
die Mittelmäßigen zu reguliren. Und giebt es nicht
mariages d'inclination? Und — wer weiß, wie Sie
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/257>, abgerufen am 16.07.2024.
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