schon an der Treppe entgegen. War auch keine Sylbe die Rede von Tugend und Treue, sie war ausge¬ lassen lustig, und sagte, sie wäre schrecklich hungrig. Unsre Cameraden waren's auch. Aber kaum fliegt der erste Pfropfen an die Decke, als ein Wagen vor die Thür rasselt. Sie erschrickt: "Er wird doch nicht." Kaum hat sie das Tüchlein wieder um den Hals ge¬ nestelt, als es die Treppe rauf knarrt. Nu aufge¬ sprungen, als die Kammerkatze reinstürzt: "Herr Je¬ mine, der Prinz, Mamsell!" -- "Retten Sie sich!" ruft die Jenny, und wirft das eine Couvert in den Waschkorb. Die Officiere wollen ins Nebenzimmer fliehen, da holt sie die Katze zurück: "Meine Herren um Gotteswillen, da kommt er ja durch." Retour also, und wollen zur Stubenthür auf den Flur. Da klirren seine Sporen und er klopft. Hannchen mach auf! ruft die Jenny und hat derweil schon den großen Kleiderschrank aufgerissen: "Meine Herren, ist's ge¬ fällig?" Platz hatten sie drin, das ist wahr, und die süßesten Erinnerungen an alle Schäferinnen, und Göttinnen, die in den Cotillons gesteckt, aber -- nun das Uebrige ist kaum nöthig zu erzählen. Verschlossen waren sie, und der Schlüssel steckte in Jennys Tasche, und Jenny hing am Halse des Eintretenden, und bat ihren herzgeliebten Louis und schönsten Louis, und einzigen Louis um Verzeihung, daß sie nicht auf ihn gewartet, aber sie wäre zu durstig gewesen vom Schauffement."
"Merkten sie's da?"
ſchon an der Treppe entgegen. War auch keine Sylbe die Rede von Tugend und Treue, ſie war ausge¬ laſſen luſtig, und ſagte, ſie wäre ſchrecklich hungrig. Unſre Cameraden waren's auch. Aber kaum fliegt der erſte Pfropfen an die Decke, als ein Wagen vor die Thür raſſelt. Sie erſchrickt: „Er wird doch nicht.“ Kaum hat ſie das Tüchlein wieder um den Hals ge¬ neſtelt, als es die Treppe rauf knarrt. Nu aufge¬ ſprungen, als die Kammerkatze reinſtürzt: „Herr Je¬ mine, der Prinz, Mamſell!“ — „Retten Sie ſich!“ ruft die Jenny, und wirft das eine Couvert in den Waſchkorb. Die Officiere wollen ins Nebenzimmer fliehen, da holt ſie die Katze zurück: „Meine Herren um Gotteswillen, da kommt er ja durch.“ Retour alſo, und wollen zur Stubenthür auf den Flur. Da klirren ſeine Sporen und er klopft. Hannchen mach auf! ruft die Jenny und hat derweil ſchon den großen Kleiderſchrank aufgeriſſen: „Meine Herren, iſt's ge¬ fällig?“ Platz hatten ſie drin, das iſt wahr, und die ſüßeſten Erinnerungen an alle Schäferinnen, und Göttinnen, die in den Cotillons geſteckt, aber — nun das Uebrige iſt kaum nöthig zu erzählen. Verſchloſſen waren ſie, und der Schlüſſel ſteckte in Jennys Taſche, und Jenny hing am Halſe des Eintretenden, und bat ihren herzgeliebten Louis und ſchönſten Louis, und einzigen Louis um Verzeihung, daß ſie nicht auf ihn gewartet, aber ſie wäre zu durſtig geweſen vom Schauffement.“
„Merkten ſie's da?“
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[196/0206]
ſchon an der Treppe entgegen. War auch keine Sylbe
die Rede von Tugend und Treue, ſie war ausge¬
laſſen luſtig, und ſagte, ſie wäre ſchrecklich hungrig.
Unſre Cameraden waren's auch. Aber kaum fliegt
der erſte Pfropfen an die Decke, als ein Wagen vor
die Thür raſſelt. Sie erſchrickt: „Er wird doch nicht.“
Kaum hat ſie das Tüchlein wieder um den Hals ge¬
neſtelt, als es die Treppe rauf knarrt. Nu aufge¬
ſprungen, als die Kammerkatze reinſtürzt: „Herr Je¬
mine, der Prinz, Mamſell!“ — „Retten Sie ſich!“
ruft die Jenny, und wirft das eine Couvert in den
Waſchkorb. Die Officiere wollen ins Nebenzimmer
fliehen, da holt ſie die Katze zurück: „Meine Herren
um Gotteswillen, da kommt er ja durch.“ Retour
alſo, und wollen zur Stubenthür auf den Flur. Da
klirren ſeine Sporen und er klopft. Hannchen mach
auf! ruft die Jenny und hat derweil ſchon den großen
Kleiderſchrank aufgeriſſen: „Meine Herren, iſt's ge¬
fällig?“ Platz hatten ſie drin, das iſt wahr, und
die ſüßeſten Erinnerungen an alle Schäferinnen, und
Göttinnen, die in den Cotillons geſteckt, aber — nun
das Uebrige iſt kaum nöthig zu erzählen. Verſchloſſen
waren ſie, und der Schlüſſel ſteckte in Jennys Taſche,
und Jenny hing am Halſe des Eintretenden, und
bat ihren herzgeliebten Louis und ſchönſten Louis,
und einzigen Louis um Verzeihung, daß ſie nicht auf
ihn gewartet, aber ſie wäre zu durſtig geweſen vom
Schauffement.“
„Merkten ſie's da?“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/206>, abgerufen am 29.11.2024.
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