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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

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mich aus, nenne mich ein dummes Gänschen, wie
Du sonst wohl thatest; so geh' fort, daß ich denken
kann, daß ich träumen kann, Du kommst wieder.
Und wenn Du dann auch nicht wieder kommst, so
erwarte ich Dich noch immer, und wenn ich Dich er¬
warte, bin ich glücklich -- bis, bis -- thu' mir den
einzigen Gefallen --"

Er fuhr mit der Hand in ihre Haare: "Bist
Du so ein verzogenes Kind, das vor dem rauhen
Lüftchen Wahrheit zittert? Das solltest Du den fei¬
nen Damen überlassen, die sich überglätten mit der
Politur der Tugend. Eine wie Du müßte doch vor
dem Nackten nicht erschrecken, nicht vor dem nackten
Laster, dem nackten Elend -- auch nicht vor dem
nackten Tode."

"Wenn Du mich so recht schmähst und schlecht
machst, glaub ich zuweilen, daß Du mich doch lieb
hast. Wenn ich Dir gleichgültig wäre, thätest Du
es nicht."

"Hast recht! Wen man lieb hat, kann man
quälen, martern, man wird ein wildes Thier. Da
am letzten Abend bei der Malchen. Nicht wahr!
Und ich bin seitdem nicht besser geworden. Gott
bewahre! Wer Dir das sagt, belügt Dich."

"Kaum daß Du frei kamst, erkundigtest Du dich
nach mir, Du hast für mich gesorgt, daß ich nicht
auf die Straße gerieth."

"Einbildung! Pure Einbildung. Ich wollte
nur ein Geschöpf haben, an das ich mein schwarzes

mich aus, nenne mich ein dummes Gänschen, wie
Du ſonſt wohl thateſt; ſo geh' fort, daß ich denken
kann, daß ich träumen kann, Du kommſt wieder.
Und wenn Du dann auch nicht wieder kommſt, ſo
erwarte ich Dich noch immer, und wenn ich Dich er¬
warte, bin ich glücklich — bis, bis — thu' mir den
einzigen Gefallen —“

Er fuhr mit der Hand in ihre Haare: „Biſt
Du ſo ein verzogenes Kind, das vor dem rauhen
Lüftchen Wahrheit zittert? Das ſollteſt Du den fei¬
nen Damen überlaſſen, die ſich überglätten mit der
Politur der Tugend. Eine wie Du müßte doch vor
dem Nackten nicht erſchrecken, nicht vor dem nackten
Laſter, dem nackten Elend — auch nicht vor dem
nackten Tode.“

„Wenn Du mich ſo recht ſchmähſt und ſchlecht
machſt, glaub ich zuweilen, daß Du mich doch lieb
haſt. Wenn ich Dir gleichgültig wäre, thäteſt Du
es nicht.“

„Haſt recht! Wen man lieb hat, kann man
quälen, martern, man wird ein wildes Thier. Da
am letzten Abend bei der Malchen. Nicht wahr!
Und ich bin ſeitdem nicht beſſer geworden. Gott
bewahre! Wer Dir das ſagt, belügt Dich.“

„Kaum daß Du frei kamſt, erkundigteſt Du dich
nach mir, Du haſt für mich geſorgt, daß ich nicht
auf die Straße gerieth.“

„Einbildung! Pure Einbildung. Ich wollte
nur ein Geſchöpf haben, an das ich mein ſchwarzes

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[169/0179] mich aus, nenne mich ein dummes Gänschen, wie Du ſonſt wohl thateſt; ſo geh' fort, daß ich denken kann, daß ich träumen kann, Du kommſt wieder. Und wenn Du dann auch nicht wieder kommſt, ſo erwarte ich Dich noch immer, und wenn ich Dich er¬ warte, bin ich glücklich — bis, bis — thu' mir den einzigen Gefallen —“ Er fuhr mit der Hand in ihre Haare: „Biſt Du ſo ein verzogenes Kind, das vor dem rauhen Lüftchen Wahrheit zittert? Das ſollteſt Du den fei¬ nen Damen überlaſſen, die ſich überglätten mit der Politur der Tugend. Eine wie Du müßte doch vor dem Nackten nicht erſchrecken, nicht vor dem nackten Laſter, dem nackten Elend — auch nicht vor dem nackten Tode.“ „Wenn Du mich ſo recht ſchmähſt und ſchlecht machſt, glaub ich zuweilen, daß Du mich doch lieb haſt. Wenn ich Dir gleichgültig wäre, thäteſt Du es nicht.“ „Haſt recht! Wen man lieb hat, kann man quälen, martern, man wird ein wildes Thier. Da am letzten Abend bei der Malchen. Nicht wahr! Und ich bin ſeitdem nicht beſſer geworden. Gott bewahre! Wer Dir das ſagt, belügt Dich.“ „Kaum daß Du frei kamſt, erkundigteſt Du dich nach mir, Du haſt für mich geſorgt, daß ich nicht auf die Straße gerieth.“ „Einbildung! Pure Einbildung. Ich wollte nur ein Geſchöpf haben, an das ich mein ſchwarzes

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/179>, abgerufen am 26.11.2024.