meiner erbarmt, wenn Einer ihm nur zugesprochen. Aber die Leute und die Stiefmutter! -- Ach mein Herz brannte, mehr von dem Schimpf als von der Schande! -- Wie sie mich in den Korbwagen pack¬ ten, und die halbe Stadt darum -- die höhnischen Gesichter, die Finger und die spitzen Reden: Nun kann sie mit seidenen Kleidern gehen, -- nun kann sie Romane lesen! Als es zum Thor hinausrollte, wie schnitt mir's in's Herz!"
"Kammermädchenphantasieen!"
"Die gnädige Frau hätte es auch gut mit mir ge¬ meint -- aber -- ich war noch stolz wie Du, ich wollte mich nicht ihr zu Füßen werfen. -- Aus Schaam stürzte ich fort und in's Elend. -- Louis, glaube mir, es braucht jeder Freunde, sonst fällt er."
"Ich nicht mehr," murmelte er zwischen den Lippen.
Sie riß die Augen weit auf, sie faßte ihn krampf¬ haft an der Weste: "Allmächtiger Himmel, ist's das! -- Als ich vorgestern in Dein Zimmer kam, -- es war unrecht von mir, ich weiß es, und Du thatst recht, daß Du auffuhrst; Du packtest mich am Arm, und fragtest, so bös hab ich Dich nie sprechen hören, was ich mich unterstehe, Du stießest mich zur Thür hinaus, und schlugst sie mit einem Schimpfwort zu -- es war ein häßlich Wort, aber es hat mich nicht beleidigt; es hatte mich auch nicht beleidigt, als sie mich Geschöpf nannten, nein ich bin stolz darauf, wenn sie mich Dein Geschöpf nennen, ich wollte auf
meiner erbarmt, wenn Einer ihm nur zugeſprochen. Aber die Leute und die Stiefmutter! — Ach mein Herz brannte, mehr von dem Schimpf als von der Schande! — Wie ſie mich in den Korbwagen pack¬ ten, und die halbe Stadt darum — die höhniſchen Geſichter, die Finger und die ſpitzen Reden: Nun kann ſie mit ſeidenen Kleidern gehen, — nun kann ſie Romane leſen! Als es zum Thor hinausrollte, wie ſchnitt mir's in's Herz!“
„Kammermädchenphantaſieen!“
„Die gnädige Frau hätte es auch gut mit mir ge¬ meint — aber — ich war noch ſtolz wie Du, ich wollte mich nicht ihr zu Füßen werfen. — Aus Schaam ſtürzte ich fort und in's Elend. — Louis, glaube mir, es braucht jeder Freunde, ſonſt fällt er.“
„Ich nicht mehr,“ murmelte er zwiſchen den Lippen.
Sie riß die Augen weit auf, ſie faßte ihn krampf¬ haft an der Weſte: „Allmächtiger Himmel, iſt's das! — Als ich vorgeſtern in Dein Zimmer kam, — es war unrecht von mir, ich weiß es, und Du thatſt recht, daß Du auffuhrſt; Du packteſt mich am Arm, und fragteſt, ſo bös hab ich Dich nie ſprechen hören, was ich mich unterſtehe, Du ſtießeſt mich zur Thür hinaus, und ſchlugſt ſie mit einem Schimpfwort zu — es war ein häßlich Wort, aber es hat mich nicht beleidigt; es hatte mich auch nicht beleidigt, als ſie mich Geſchöpf nannten, nein ich bin ſtolz darauf, wenn ſie mich Dein Geſchöpf nennen, ich wollte auf
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meiner erbarmt, wenn Einer ihm nur zugeſprochen.
Aber die Leute und die Stiefmutter! — Ach mein
Herz brannte, mehr von dem Schimpf als von der
Schande! — Wie ſie mich in den Korbwagen pack¬
ten, und die halbe Stadt darum — die höhniſchen
Geſichter, die Finger und die ſpitzen Reden: Nun
kann ſie mit ſeidenen Kleidern gehen, — nun kann
ſie Romane leſen! Als es zum Thor hinausrollte,
wie ſchnitt mir's in's Herz!“
„Kammermädchenphantaſieen!“
„Die gnädige Frau hätte es auch gut mit mir ge¬
meint — aber — ich war noch ſtolz wie Du, ich
wollte mich nicht ihr zu Füßen werfen. — Aus
Schaam ſtürzte ich fort und in's Elend. — Louis,
glaube mir, es braucht jeder Freunde, ſonſt fällt er.“
„Ich nicht mehr,“ murmelte er zwiſchen den
Lippen.
Sie riß die Augen weit auf, ſie faßte ihn krampf¬
haft an der Weſte: „Allmächtiger Himmel, iſt's das!
— Als ich vorgeſtern in Dein Zimmer kam, — es
war unrecht von mir, ich weiß es, und Du thatſt
recht, daß Du auffuhrſt; Du packteſt mich am Arm,
und fragteſt, ſo bös hab ich Dich nie ſprechen hören,
was ich mich unterſtehe, Du ſtießeſt mich zur Thür
hinaus, und ſchlugſt ſie mit einem Schimpfwort zu
— es war ein häßlich Wort, aber es hat mich nicht
beleidigt; es hatte mich auch nicht beleidigt, als ſie
mich Geſchöpf nannten, nein ich bin ſtolz darauf,
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/177>, abgerufen am 26.11.2024.
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