Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

einen Schatten, sie hörte das leise Klinken der Thür
draußen, sie hörte deutlicher Tritte, die auf der Treppe
allmälig verhallten.

Im Cabinet stand Adelheid, die zugedrückten
Hände an der Stirn. Sie athmete schwer; ein inten¬
sives Zittern schüttelte ihre Glieder. Sie erschrak
aber nicht, als sie die Hände allmälig vom Gesicht
fortzog, nicht vor dem Glanz des Lichtes, und nicht
vor dem Anblick, und dem forschenden Blick der Ge¬
heimräthin.

"Was war das, Adelheid? Wer war hier?"

"Fragen Sie mich nicht, antwortete das Mäd¬
chen. Es war alles wie ein Traum."

"In dem noch ein anderer mit träumte!"

Das Mädchen schöpfte nach Luft. Aber ihr Blick
hatte doch eine Sicherheit, welche die Geheimräthin
frappirte. Adelheid sank auf einen Stuhl und stützte
den Kopf im Arme: "Es war fast zu viel! schluchzte
sie, zu viel für mich. Und, mein Gott, warum
komme ich dazu. Warum ich dazu ausersehen!"

Die Geheimräthin setzte sich neben sie: "Hat Dich
jemand gekränkt, beleidigt? --"

"Ich weiß es nicht."

"Ein Mensch entschlüpfte durch jene Thür, er
war bei Dir --"

"O mein Gott, er war bei mir, und nun ist
er fort -- "

"Und wer war es?"

"Das ist ein Geheimniß, lassen Sie es mir.

einen Schatten, ſie hörte das leiſe Klinken der Thür
draußen, ſie hörte deutlicher Tritte, die auf der Treppe
allmälig verhallten.

Im Cabinet ſtand Adelheid, die zugedrückten
Hände an der Stirn. Sie athmete ſchwer; ein inten¬
ſives Zittern ſchüttelte ihre Glieder. Sie erſchrak
aber nicht, als ſie die Hände allmälig vom Geſicht
fortzog, nicht vor dem Glanz des Lichtes, und nicht
vor dem Anblick, und dem forſchenden Blick der Ge¬
heimräthin.

„Was war das, Adelheid? Wer war hier?“

„Fragen Sie mich nicht, antwortete das Mäd¬
chen. Es war alles wie ein Traum.“

„In dem noch ein anderer mit träumte!“

Das Mädchen ſchöpfte nach Luft. Aber ihr Blick
hatte doch eine Sicherheit, welche die Geheimräthin
frappirte. Adelheid ſank auf einen Stuhl und ſtützte
den Kopf im Arme: „Es war faſt zu viel! ſchluchzte
ſie, zu viel für mich. Und, mein Gott, warum
komme ich dazu. Warum ich dazu auserſehen!“

Die Geheimräthin ſetzte ſich neben ſie: „Hat Dich
jemand gekränkt, beleidigt? —“

„Ich weiß es nicht.“

„Ein Menſch entſchlüpfte durch jene Thür, er
war bei Dir —“

„O mein Gott, er war bei mir, und nun iſt
er fort — “

„Und wer war es?“

„Das iſt ein Geheimniß, laſſen Sie es mir.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0170" n="160"/>
einen Schatten, &#x017F;ie hörte das lei&#x017F;e Klinken der Thür<lb/>
draußen, &#x017F;ie hörte deutlicher Tritte, die auf der Treppe<lb/>
allmälig verhallten.</p><lb/>
        <p>Im Cabinet &#x017F;tand Adelheid, die zugedrückten<lb/>
Hände an der Stirn. Sie athmete &#x017F;chwer; ein inten¬<lb/>
&#x017F;ives Zittern &#x017F;chüttelte ihre Glieder. Sie er&#x017F;chrak<lb/>
aber nicht, als &#x017F;ie die Hände allmälig vom Ge&#x017F;icht<lb/>
fortzog, nicht vor dem Glanz des Lichtes, und nicht<lb/>
vor dem Anblick, und dem for&#x017F;chenden Blick der Ge¬<lb/>
heimräthin.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was war das, Adelheid? Wer war hier?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Fragen Sie mich nicht, antwortete das Mäd¬<lb/>
chen. Es war alles wie ein Traum.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;In dem noch ein anderer mit träumte!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Das Mädchen &#x017F;chöpfte nach Luft. Aber ihr Blick<lb/>
hatte doch eine Sicherheit, welche die Geheimräthin<lb/>
frappirte. Adelheid &#x017F;ank auf einen Stuhl und &#x017F;tützte<lb/>
den Kopf im Arme: &#x201E;Es war fa&#x017F;t zu viel! &#x017F;chluchzte<lb/>
&#x017F;ie, zu viel für mich. Und, mein Gott, warum<lb/>
komme ich dazu. Warum ich dazu auser&#x017F;ehen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Geheimräthin &#x017F;etzte &#x017F;ich neben &#x017F;ie: &#x201E;Hat Dich<lb/>
jemand gekränkt, beleidigt? &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich weiß es nicht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ein Men&#x017F;ch ent&#x017F;chlüpfte durch jene Thür, er<lb/>
war bei Dir &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;O mein Gott, er war bei mir, und nun i&#x017F;t<lb/>
er fort &#x2014; &#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und wer war es?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das i&#x017F;t ein Geheimniß, la&#x017F;&#x017F;en Sie es mir.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[160/0170] einen Schatten, ſie hörte das leiſe Klinken der Thür draußen, ſie hörte deutlicher Tritte, die auf der Treppe allmälig verhallten. Im Cabinet ſtand Adelheid, die zugedrückten Hände an der Stirn. Sie athmete ſchwer; ein inten¬ ſives Zittern ſchüttelte ihre Glieder. Sie erſchrak aber nicht, als ſie die Hände allmälig vom Geſicht fortzog, nicht vor dem Glanz des Lichtes, und nicht vor dem Anblick, und dem forſchenden Blick der Ge¬ heimräthin. „Was war das, Adelheid? Wer war hier?“ „Fragen Sie mich nicht, antwortete das Mäd¬ chen. Es war alles wie ein Traum.“ „In dem noch ein anderer mit träumte!“ Das Mädchen ſchöpfte nach Luft. Aber ihr Blick hatte doch eine Sicherheit, welche die Geheimräthin frappirte. Adelheid ſank auf einen Stuhl und ſtützte den Kopf im Arme: „Es war faſt zu viel! ſchluchzte ſie, zu viel für mich. Und, mein Gott, warum komme ich dazu. Warum ich dazu auserſehen!“ Die Geheimräthin ſetzte ſich neben ſie: „Hat Dich jemand gekränkt, beleidigt? —“ „Ich weiß es nicht.“ „Ein Menſch entſchlüpfte durch jene Thür, er war bei Dir —“ „O mein Gott, er war bei mir, und nun iſt er fort — “ „Und wer war es?“ „Das iſt ein Geheimniß, laſſen Sie es mir.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/170
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/170>, abgerufen am 03.05.2024.