bereitet, nur ein Wort des Dankes zu sagen, nur die gewöhnlichste Aufmerksamkeit zu erweisen. Alle, alle hatten sich nur um sich bekümmert, um andre Gestirne, sie war eine Einsiedlerin gewesen in ihrer Gesellschaft.
Die Dienerschaft draußen mußte mit ihrer Ver¬ richtung zu Ende sein. In der Stille hörte man nur noch vereinzeltes Thürenklappen und hin- und her¬ laufen. Sie lauschte aufmerksamer. Den Tritt kannte sie. Der Legationsrath war noch im Hause geblieben? Er kam grade auf ihre Thür zu. Endlich ein Mensch, ein Geist, der sich ihrer annehmen, mit dem sie ihre Gedanken austauschen könnte. Sie war aufgesprungen. Sie wollte die Thür aufreißen. -- Nein, es war an ihm. Gleichviel, wollte er sich melden lassen, klopfen, eintreten. Er blieb stehen. Sie glaubte ihn gähnen zu hören. Er zog sich den Ueberrock an. Er sprach leise mit Lisetten. Es war von Tropfen und andern Hausmitteln die Rede, für eine Magd, die der Schreck niedergeworfen, von einem Thee, den sie dem Ge¬ heimrath kochen sollte. Auch dem Johann sollte sie davon eine Tasse geben -- von ihr kein Wort! -- Er fragte nicht nach ihr. War sie kein menschlich Wesen? Hatte der Schreck auf sie keine Einwirkung? Hatte er sie vergessen?
Er war fort, sie lag wieder auf dem Sopha. Ihre Stirn war so heiß, so heiß -- ein kühlender Tropfen nur! Aber vor dieser Stirn tanzten Bilder in erschreckender Klarheit. Sie wußte jetzt, wer ihre
bereitet, nur ein Wort des Dankes zu ſagen, nur die gewöhnlichſte Aufmerkſamkeit zu erweiſen. Alle, alle hatten ſich nur um ſich bekümmert, um andre Geſtirne, ſie war eine Einſiedlerin geweſen in ihrer Geſellſchaft.
Die Dienerſchaft draußen mußte mit ihrer Ver¬ richtung zu Ende ſein. In der Stille hörte man nur noch vereinzeltes Thürenklappen und hin- und her¬ laufen. Sie lauſchte aufmerkſamer. Den Tritt kannte ſie. Der Legationsrath war noch im Hauſe geblieben? Er kam grade auf ihre Thür zu. Endlich ein Menſch, ein Geiſt, der ſich ihrer annehmen, mit dem ſie ihre Gedanken austauſchen könnte. Sie war aufgeſprungen. Sie wollte die Thür aufreißen. — Nein, es war an ihm. Gleichviel, wollte er ſich melden laſſen, klopfen, eintreten. Er blieb ſtehen. Sie glaubte ihn gähnen zu hören. Er zog ſich den Ueberrock an. Er ſprach leiſe mit Liſetten. Es war von Tropfen und andern Hausmitteln die Rede, für eine Magd, die der Schreck niedergeworfen, von einem Thee, den ſie dem Ge¬ heimrath kochen ſollte. Auch dem Johann ſollte ſie davon eine Taſſe geben — von ihr kein Wort! — Er fragte nicht nach ihr. War ſie kein menſchlich Weſen? Hatte der Schreck auf ſie keine Einwirkung? Hatte er ſie vergeſſen?
Er war fort, ſie lag wieder auf dem Sopha. Ihre Stirn war ſo heiß, ſo heiß — ein kühlender Tropfen nur! Aber vor dieſer Stirn tanzten Bilder in erſchreckender Klarheit. Sie wußte jetzt, wer ihre
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bereitet, nur ein Wort des Dankes zu ſagen, nur
die gewöhnlichſte Aufmerkſamkeit zu erweiſen. Alle,
alle hatten ſich nur um ſich bekümmert, um andre
Geſtirne, ſie war eine Einſiedlerin geweſen in ihrer
Geſellſchaft.
Die Dienerſchaft draußen mußte mit ihrer Ver¬
richtung zu Ende ſein. In der Stille hörte man nur
noch vereinzeltes Thürenklappen und hin- und her¬
laufen. Sie lauſchte aufmerkſamer. Den Tritt kannte
ſie. Der Legationsrath war noch im Hauſe geblieben?
Er kam grade auf ihre Thür zu. Endlich ein Menſch,
ein Geiſt, der ſich ihrer annehmen, mit dem ſie ihre
Gedanken austauſchen könnte. Sie war aufgeſprungen.
Sie wollte die Thür aufreißen. — Nein, es war an
ihm. Gleichviel, wollte er ſich melden laſſen, klopfen,
eintreten. Er blieb ſtehen. Sie glaubte ihn gähnen
zu hören. Er zog ſich den Ueberrock an. Er ſprach
leiſe mit Liſetten. Es war von Tropfen und andern
Hausmitteln die Rede, für eine Magd, die der Schreck
niedergeworfen, von einem Thee, den ſie dem Ge¬
heimrath kochen ſollte. Auch dem Johann ſollte ſie
davon eine Taſſe geben — von ihr kein Wort! —
Er fragte nicht nach ihr. War ſie kein menſchlich
Weſen? Hatte der Schreck auf ſie keine Einwirkung?
Hatte er ſie vergeſſen?
Er war fort, ſie lag wieder auf dem Sopha.
Ihre Stirn war ſo heiß, ſo heiß — ein kühlender
Tropfen nur! Aber vor dieſer Stirn tanzten Bilder
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/166>, abgerufen am 25.11.2024.
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