mehr lange gehen. Aber von wem soll er erfahren, wie es gehen muß? -- Keine Stände, keine Mag¬ naten, kaum etwas, was einem Adel ähnlich sieht. Die Prinzen, was sind sie ihm? Die Polterer ver¬ trägt er nicht, die Genies sind seiner Natur zuwider. Unsre Minister kennen Sie, unsre Kabinetsräthe noch besser. Sie leben nur in den Tag hinein, zufrieden wenn sie bis Morgen gesorgt haben. Er ist fried¬ fertig und alle Morgen präsentiren sie ihm eine Schüssel: Ruhe! Mit Maaslieb und Vergißmeinnicht geschmückt: ""So sieht es bei uns aus, Majestät, und sehen Sie, wie es draußen aussieht, wo sie alles bessern wollten.""
"Aber er ist Friedrichs Enkel!"
"Grade der ist sein Spukbild. Wo es ihm zu arg wird, wo er darunter fahren möchte, es anders haben, sagt man ihm: das hat doch unter Friedrich bestanden und es ging ganz gut! Oder gar: Maje¬ stät, das hat Friedrich selbst eingerichtet. Dann erschrickt er; in seiner Bescheidenheit getraut er sich nicht, es besser machen zu können. Und dies heilige Gespenst wird dem jungen Fürsten grade von denen citirt, welche vor seinem Geist in Staub und Asche versinken müßten. Es sollte mich nicht wundern, wenn der König einen förmlichen Widerwillen gegen seinen Großoheim einsaugte, so störend wird sein Bild ihm überall vorgehalten, wo er etwas Selbst¬ eigenes durchsetzen will."
"Aber, mein Gott, Ihr großer König nannte
mehr lange gehen. Aber von wem ſoll er erfahren, wie es gehen muß? — Keine Stände, keine Mag¬ naten, kaum etwas, was einem Adel ähnlich ſieht. Die Prinzen, was ſind ſie ihm? Die Polterer ver¬ trägt er nicht, die Genies ſind ſeiner Natur zuwider. Unſre Miniſter kennen Sie, unſre Kabinetsräthe noch beſſer. Sie leben nur in den Tag hinein, zufrieden wenn ſie bis Morgen geſorgt haben. Er iſt fried¬ fertig und alle Morgen präſentiren ſie ihm eine Schüſſel: Ruhe! Mit Maaslieb und Vergißmeinnicht geſchmückt: „„So ſieht es bei uns aus, Majeſtät, und ſehen Sie, wie es draußen ausſieht, wo ſie alles beſſern wollten.““
„Aber er iſt Friedrichs Enkel!“
„Grade der iſt ſein Spukbild. Wo es ihm zu arg wird, wo er darunter fahren möchte, es anders haben, ſagt man ihm: das hat doch unter Friedrich beſtanden und es ging ganz gut! Oder gar: Maje¬ ſtät, das hat Friedrich ſelbſt eingerichtet. Dann erſchrickt er; in ſeiner Beſcheidenheit getraut er ſich nicht, es beſſer machen zu können. Und dies heilige Geſpenſt wird dem jungen Fürſten grade von denen citirt, welche vor ſeinem Geiſt in Staub und Aſche verſinken müßten. Es ſollte mich nicht wundern, wenn der König einen förmlichen Widerwillen gegen ſeinen Großoheim einſaugte, ſo ſtörend wird ſein Bild ihm überall vorgehalten, wo er etwas Selbſt¬ eigenes durchſetzen will.“
„Aber, mein Gott, Ihr großer König nannte
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mehr lange gehen. Aber von wem ſoll er erfahren,
wie es gehen muß? — Keine Stände, keine Mag¬
naten, kaum etwas, was einem Adel ähnlich ſieht.
Die Prinzen, was ſind ſie ihm? Die Polterer ver¬
trägt er nicht, die Genies ſind ſeiner Natur zuwider.
Unſre Miniſter kennen Sie, unſre Kabinetsräthe noch
beſſer. Sie leben nur in den Tag hinein, zufrieden
wenn ſie bis Morgen geſorgt haben. Er iſt fried¬
fertig und alle Morgen präſentiren ſie ihm eine
Schüſſel: Ruhe! Mit Maaslieb und Vergißmeinnicht
geſchmückt: „„So ſieht es bei uns aus, Majeſtät,
und ſehen Sie, wie es draußen ausſieht, wo ſie
alles beſſern wollten.““
„Aber er iſt Friedrichs Enkel!“
„Grade der iſt ſein Spukbild. Wo es ihm zu
arg wird, wo er darunter fahren möchte, es anders
haben, ſagt man ihm: das hat doch unter Friedrich
beſtanden und es ging ganz gut! Oder gar: Maje¬
ſtät, das hat Friedrich ſelbſt eingerichtet. Dann
erſchrickt er; in ſeiner Beſcheidenheit getraut er ſich
nicht, es beſſer machen zu können. Und dies heilige
Geſpenſt wird dem jungen Fürſten grade von denen
citirt, welche vor ſeinem Geiſt in Staub und Aſche
verſinken müßten. Es ſollte mich nicht wundern,
wenn der König einen förmlichen Widerwillen gegen
ſeinen Großoheim einſaugte, ſo ſtörend wird ſein
Bild ihm überall vorgehalten, wo er etwas Selbſt¬
eigenes durchſetzen will.“
„Aber, mein Gott, Ihr großer König nannte
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/102>, abgerufen am 23.11.2024.
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