Schusterpfriemen feilen. Der Kotzebue, an dem sie auch häkeln und mäkeln, er ist nicht eminent, aber ich sage Ihnen, und dazu gehört keine Clairvoyance, daß er sie um ein siecle überlebt."
Der Rath sagte: "Wer in den Spiegel der Zu¬ kunft sähe!"
"C'est plus que ridicule, fuhr der Redner fort, daß in der Capitale Friedrichs, wo Voltaire das Pflaster betreten hat, oder eigentlich ist er nur in der königlichen Kutsche gefahren, wo wir doch ganz respectable Gelehrte haben, die Herren Nicolai, Biester, und wie sie heißen, daß hier eine ecole mystique sich aufthun konnte."
"Sie findet nicht großen Anhang."
"Wer redet davon! Haben Sie das Sonnet auf die Jungfrau von dem Judenjungen neulich gelesen? C'est charmant! Das lob ich mir. Man glaubt draußen allen Ernstes, sie könnten uns über Hals und Kopf convertiren, und wenn wir eines Morgens aufständen, wären wir katholisch geworden, wir wüßten nicht wie!"
"Die Brandenburger würden sich schwer dazu acclimatisiren."
"Acclimatiser! ein hübscher Einfall. Aber meinet¬ halben! Je mehr Schaumblasen, die das Publikum beschäftigen und Phantome, die es ins Bockshorn jagen, desto besser für uns. Aber diese Herren sollten sich nur nicht mit politischen Ideen abgeben. Die tudesquen Vorstellungen, die hie und da auftauchen, doppelt lächerlich in Friedrichs Hauptstadt! Je vous
Schuſterpfriemen feilen. Der Kotzebue, an dem ſie auch häkeln und mäkeln, er iſt nicht eminent, aber ich ſage Ihnen, und dazu gehört keine Clairvoyance, daß er ſie um ein siècle überlebt.“
Der Rath ſagte: „Wer in den Spiegel der Zu¬ kunft ſähe!“
„C'est plus que ridicule, fuhr der Redner fort, daß in der Capitale Friedrichs, wo Voltaire das Pflaſter betreten hat, oder eigentlich iſt er nur in der königlichen Kutſche gefahren, wo wir doch ganz reſpectable Gelehrte haben, die Herren Nicolai, Bieſter, und wie ſie heißen, daß hier eine école mystique ſich aufthun konnte.“
„Sie findet nicht großen Anhang.“
„Wer redet davon! Haben Sie das Sonnet auf die Jungfrau von dem Judenjungen neulich geleſen? C'est charmant! Das lob ich mir. Man glaubt draußen allen Ernſtes, ſie könnten uns über Hals und Kopf convertiren, und wenn wir eines Morgens aufſtänden, wären wir katholiſch geworden, wir wüßten nicht wie!“
„Die Brandenburger würden ſich ſchwer dazu acclimatiſiren.“
„Acclimatiser! ein hübſcher Einfall. Aber meinet¬ halben! Je mehr Schaumblaſen, die das Publikum beſchäftigen und Phantome, die es ins Bockshorn jagen, deſto beſſer für uns. Aber dieſe Herren ſollten ſich nur nicht mit politiſchen Ideen abgeben. Die tudesquen Vorſtellungen, die hie und da auftauchen, doppelt lächerlich in Friedrichs Hauptſtadt! Je vous
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0098"n="84"/>
Schuſterpfriemen feilen. Der Kotzebue, an dem ſie<lb/>
auch häkeln und mäkeln, er iſt nicht eminent, aber<lb/>
ich ſage Ihnen, und dazu gehört keine Clairvoyance,<lb/>
daß er ſie um ein <hirendition="#aq">siècle</hi> überlebt.“</p><lb/><p>Der Rath ſagte: „Wer in den Spiegel der Zu¬<lb/>
kunft ſähe!“</p><lb/><p>„<hirendition="#aq">C'est plus que ridicule,</hi> fuhr der Redner fort,<lb/>
daß in der Capitale Friedrichs, wo Voltaire das<lb/>
Pflaſter betreten hat, oder eigentlich iſt er nur in<lb/>
der königlichen Kutſche gefahren, wo wir doch ganz<lb/>
reſpectable Gelehrte haben, die Herren Nicolai, Bieſter,<lb/>
und wie ſie heißen, daß hier eine <hirendition="#aq">école mystique</hi>ſich<lb/>
aufthun konnte.“</p><lb/><p>„Sie findet nicht großen Anhang.“</p><lb/><p>„Wer redet davon! Haben Sie das Sonnet auf<lb/>
die Jungfrau von dem Judenjungen neulich geleſen?<lb/><hirendition="#aq">C'est charmant!</hi> Das lob ich mir. Man glaubt draußen<lb/>
allen Ernſtes, ſie könnten uns über Hals und Kopf<lb/>
convertiren, und wenn wir eines Morgens aufſtänden,<lb/>
wären wir katholiſch geworden, wir wüßten nicht wie!“</p><lb/><p>„Die Brandenburger würden ſich ſchwer dazu<lb/>
acclimatiſiren.“</p><lb/><p>„<hirendition="#aq">Acclimatiser!</hi> ein hübſcher Einfall. Aber meinet¬<lb/>
halben! Je mehr Schaumblaſen, die das Publikum<lb/>
beſchäftigen und Phantome, die es ins Bockshorn<lb/>
jagen, deſto beſſer für uns. Aber dieſe Herren ſollten<lb/>ſich nur nicht mit politiſchen Ideen abgeben. Die<lb/>
tudesquen Vorſtellungen, die hie und da auftauchen,<lb/>
doppelt lächerlich in Friedrichs Hauptſtadt! <hirendition="#aq">Je vous<lb/></hi></p></div></body></text></TEI>
[84/0098]
Schuſterpfriemen feilen. Der Kotzebue, an dem ſie
auch häkeln und mäkeln, er iſt nicht eminent, aber
ich ſage Ihnen, und dazu gehört keine Clairvoyance,
daß er ſie um ein siècle überlebt.“
Der Rath ſagte: „Wer in den Spiegel der Zu¬
kunft ſähe!“
„C'est plus que ridicule, fuhr der Redner fort,
daß in der Capitale Friedrichs, wo Voltaire das
Pflaſter betreten hat, oder eigentlich iſt er nur in
der königlichen Kutſche gefahren, wo wir doch ganz
reſpectable Gelehrte haben, die Herren Nicolai, Bieſter,
und wie ſie heißen, daß hier eine école mystique ſich
aufthun konnte.“
„Sie findet nicht großen Anhang.“
„Wer redet davon! Haben Sie das Sonnet auf
die Jungfrau von dem Judenjungen neulich geleſen?
C'est charmant! Das lob ich mir. Man glaubt draußen
allen Ernſtes, ſie könnten uns über Hals und Kopf
convertiren, und wenn wir eines Morgens aufſtänden,
wären wir katholiſch geworden, wir wüßten nicht wie!“
„Die Brandenburger würden ſich ſchwer dazu
acclimatiſiren.“
„Acclimatiser! ein hübſcher Einfall. Aber meinet¬
halben! Je mehr Schaumblaſen, die das Publikum
beſchäftigen und Phantome, die es ins Bockshorn
jagen, deſto beſſer für uns. Aber dieſe Herren ſollten
ſich nur nicht mit politiſchen Ideen abgeben. Die
tudesquen Vorſtellungen, die hie und da auftauchen,
doppelt lächerlich in Friedrichs Hauptſtadt! Je vous
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/98>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.